Das Erlernen eines gepflegten Umgangs mit Genussmitteln ist ein sehr wichtiger Bestandteil der Suchtvorbeugung. Gemeinsam ist allen Genussritualen, dass das Genussmittel nicht eingesetzt wird, um einen anderen Zweck zu erfüllen. Freude, Feiern und Genießen - allein, zu zweit oder in einer Gruppe - stehen im Mittelpunkt. Verbindliche Rituale wie das Warten, bis alle mit ihrem Glas bereit sind, der feierliche Trinkspruch, das Anstoßen, das schluckweise Genießen und das rechtzeitige Aufhören, bevor die starke Rauschwirkung des Alkohols einsetzt, sind Beispiel für einen genussvollen Umgang mit Alkohol.
Alkohol als Ersatzlösung?
Alles, was angenehme Gefühle hervorruft oder schlechte scheinbar vermindert, birgt die Gefahr des Missbrauchs in sich. Von Missbrauch spricht man, wenn Alkohol benutzt wird, um innere Spannungen zu reduzieren, Aggressionen besser schlucken zu können, Bedürfnisse nach Nähe, Geborgenheit oder Zugehörigkeit zu kompensieren, Hemmungen zu überwinden und das Gefühl, noch leistungsfähig zu sein, vor sich selbst aufrecht erhalten zu können. Wer dazu neigt, zu dieser "Ersatzlösung" zu greifen, um Konflikten aus dem Weg zu gehen oder unangenehme Gefühle zu betäuben, kann sich schnell an den künstlichen Stimmungsmacher Alkohol gewöhnen.
Alkoholabhängigkeit
Die Empfindlichkeit gegenüber Alkohol ist individuell. Es gibt keinen absoluten Grenzwert. Mit Gesundheitsschäden durch Alkohol muss bei Frauen ab einem regelmäßigen Konsum von 20 g Alkohol (0,5l Bier oder 0,25l Wein) und bei Männern ab 30 g pro Tag gerechnet werden. Das sind die Richtwerte, die die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung empfiehlt. Die WHO hat den Unbedenklichkeitswert in jüngerer Zeit nach unten korrigiert. Danach gilt ein Konsum von nur 7 g Alkohol (0,2l Bier, 0,1l Wein) pro Tag für gesunde erwachsene Menschen als unbedenklich. Schwere gesundheitliche Schäden können aber nicht nur infolge von Alkoholabhängigkeit entstehen. Auch ein hoher gewohnheitsmäßiger Konsum birgt große gesundheitliche Risiken. Deshalb sollte nicht täglich getrunken werden. Eine Alkoholanhängigkeit ist nicht abhängig von der Menge des Alkoholkonsums. Es spielt dabei keine Rolle, ob z.B. täglich 1 Liter Bier, 1 Liter Wein oder 1 Liter Schnaps konsumiert wird. Die Alkoholabhängigkeit wird allmählich erworben (gelernt) und hinterlässt im Gehirn dauerhafte chemische Spuren. Durch Alkohol wird das Belohnungszentrum im Gehirn angesprochen. Diese Wirkung wollen Alkoholabhängige immer wieder erreichen, vor allem wenn Probleme und Konflikte dadurch überlagert werden können. Es wird immer wieder getrunken - das Trinken wird stabilisiert.
Die Phasen der Alkoholabhängigkeit
Die Unterteilung des alkoholischen Krankheitsverlaufes in vier Phasen wurde von dem bekannten amerikanischen Professor Elvin Morton Jellinek (1890-1963) in seiner »Strukturanalyse des alkoholischen Krankheitsprozesses« im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgearbeitet.
1. Die voralkoholische symptomatische Phase
Der Griff zum Alkohol, um dann besser mit Problemen umgehen zu können. Es besteht eine psychische Abhängigkeit vom Alkohol, in der das Trinken noch kontrolliert werden kann. (Erleichterungstrinken)
Im Laufe eines halben Jahres bis zu zwei Jahren fällt die Toleranz für seelische Belastungen in einem solchen Maße ab, dass man praktisch täglich Zuflucht zu alkoholischen Getränken nimmt.
Nach einer gewissen Zeit kann eine Erhöhung der Alkoholtoleranz festgestellt werden. Das heißt, es wird eine größere Menge Alkohol als früher benötigt, um die gewünschte Beruhigung zu erreichen.
2. Die Vorläufer-Phase (prodomale Phase)
Es sind schon einige Anzeichen alkoholabhängigen Verhaltens vorhanden. Die prodomale Phase wird eingeleitet durch plötzlich auftretende Erinnerungslücken (Amnesien). Diese Gedächtnislücken können auftauchen ohne Anzeichen von Trunkenheit. Bier, Wein und Spirituosen beginnen jetzt praktisch aufzuhören Getränke zu sein, sondern werden vielmehr eine "Medizin", die der Trinker braucht. Das dauernde Denken an Alkohol ist ein weiterer Beweis für seinen Bedarf. Wegen der vermehrten Alkoholabhängigkeit kommt es zum "gierigen Trinken", dem Herunterkippen des ersten oder der ersten beiden Gläser. Der Betroffene merkt nun deutlich, dass mit seinem Trinkverhalten etwas nicht stimmt. Die prodomale Phase der Sucht kann von sechs Monaten bis zu vier oder fünf Jahren dauern. Danach beginnt die kritische Phase mit dem Einsetzen des Kontrollverlustes. Noch gibt es aber die Möglichkeit, die unmittelbar bevorstehende körperliche Abhängigkeit abzuwenden.
3. Die kritische Phase
Ab hier beginnt die Alkoholsucht. Das Denken an Alkohol und das Trinken von Alkohol nimmt großen Raum im Leben ein. Es besteht eine körperliche Abhängigkeit. Der Süchtige hat nicht mehr die Wahl, trinken zu wollen oder nicht. Er muss trinken. Es findet ein Kotrollverlust statt. Bereits nach einer kleinen Menge Alkohol entsteht im Körper ein Verlangen nach "mehr". Dieses Verlangen hält solange an, bis der Trinker zu betrunken oder zu krank ist für eine weitere Alkoholaufnahme. Gewissensbisse, Unwillen, Kampf zwischen Sucht und Pflichten, Selbstwertverlust, Zweifel und falsche Ermutigung haben den Kranken so weit zerrüttet, dass er den Tag nicht mehr ohne Alkohol kurz nach dem Aufstehen oder schon vorher beginnen kann. Es kommt zum "regelmäßigen morgendlichen Trinken".
4. Die chronische Phase
Die chronische Phase, die von ausgedehnten Rauschzuständen gekennzeichnet ist, ist die letzte Phase einer schweren chronischen Alkoholabhängigkeit. Die alles beherrschende Rolle des Alkohols und das Verlangen ("Craving") nach morgendlichem Trinken brechen schließlich jeden Widerstand des Süchtigen. Er ist tagsüber und mitten in der Woche schwer betrunken. In diesem Stadium verharrt er einige Tage, bis er völlig unfähig ist, irgendetwas zu unternehmen. Ein Teil der Kranken zeigt als Folge das Phänomen des gespaltenen Menschen. Die Persönlichkeit wandelt sich. Das Phänomen der Spaltung tritt besonders deutlich in den Alkoholpsychosen hervor und ist vielfach an Sinnestäuschungen gebunden (Hören von Stimmen und visuelle Täuschungen). Diese Krankheitsform wird als "Alkoholdelirium" oder auch als "Prädelir" bezeichnet. Die schwerste und lebensbedrohliche Form ist das "Delirium tremens", das bei plötzlichem Alkoholentzug auftreten kann. In 20 % der Fälle endet das Delirium tremens tödlich.
Typen von Alkoholikern
Jellinek unterscheidet fünf Typen von Personen mit Alkoholproblemen. Den Alpha- und Beta-Typen bezeichnet er als Vorstufe, Gamma-, Delta- und Epsilon-Typen als alkoholkrank. Alpha - Trinker (Problemtrinker, Erleichterungstrinker, Konflikttrinker): ist von der Wirkung des Alkohols vor allem psychisch abhängig, verwendet Alkohol dazu, um körperliche oder seelische Belastungen leichter zu ertragen; kein Kontrollverlust, Abstinenzphasen, keine Anzeichen körperlicher Abhängigkeit. Beta - Trinker (Gelegenheitstrinker): ist weder psychisch noch körperlich abhängig; es zeichnen sich jedoch erste gesundheitliche Folgen des Alkoholkonsums ab: Gastritis, Leberzirrhose. u.a. Gamma - Alkoholiker (Rauschtrinker): trinkt im Tagesverlauf unregelmäßig, abwechselnd Phasen von starker Berauschung und unauffälligen Episoden; erhöhte Alkoholtoleranz, körperliche Abhängigkeit bereits vorhanden, wenn auch geringer als psychische Abhängigkeit; Kontrollverlust - kann nicht mehr aufhören zu trinken; kann phasenweise abstinent bleiben; Delta - Alkoholiker (Spiegeltrinker, Gewohnheitstrinker): trinkt täglich und regelmäßig; zeigt keine Rauschsymptome; kein Kontrollverlust, aber Unfähigkeit zur Abstinenz, weil sonst Entzugserscheinungen auftreten; psychische und körperliche Abhängigkeit und Folgeerscheinungen; oft Angehörige von "Alkoholberufen". Epsilon - Alkoholiker (Quartalsäufer): kann monatelang abstinent leben, abwechselnd mit exzessiven Alkoholphasen; stärkere psychische Abhängigkeit als körperliche; Kontrollverlust.
2006-07-30 02:09:30
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answer #5
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answered by Ana P 2
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