Bei den Bundestagswahlen am 27. September 1998 errang die SPD einen überraschend klaren Sieg; erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik wurde damit ein amtierender Bundeskanzler, Helmut Kohl, vom Volk abgewählt. Am 27. Oktober wurde Schröder als Bundeskanzler vereidigt; am selben Tag wurden die Mitglieder seines rotgrünen Koalitionskabinetts in ihre Ämter eingeführt. Vorausgegangen waren knapp einmonatige Koalitionsverhandlungen mit Bündnis 90/Die Grünen, in deren Mittelpunkt die Auseinandersetzung um die Atompolitik und die Ökosteuer stand. Erste schwere Differenzen zwischen den Koalitionspartnern ergaben sich dann auch aus den unterschiedlichen Standpunkten zur Atompolitik bzw. dem Ausstieg aus der Atomenergie.
Eine weitere schwere Irritation für die Bundesregierung bedeutete der überraschende Rücktritt des Bundesfinanzministers und SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine von allen Ämtern am 12. März 1999; als Grund für seinen Rücktritt hatte Lafontaine „schlechtes Mannschaftsspiel” in der Bundesregierung angegeben, d. h. unter anderem mangelnde Kooperation seitens des Bundeskanzleramtes. Den Parteivorsitz übernahm Schröder selbst, zunächst auf Antrag des Parteivorstands kommissarisch, bis ihn ein Sonderparteitag der SPD am 12. April 1999 formal zum Vorsitzenden wählte. In den Hintergrund gedrängt wurde die öffentliche Auseinandersetzung um den Rücktritt Lafontaines, seine Gründe und Konsequenzen durch Ereignisse auf internationaler Ebene: Die vom Rücktritt der Europäischen Kommission überschattete EU-Ratspräsidentschaft (siehe Rat der EU) der Bundesrepublik und der EU-Gipfel Ende März 1999 in Berlin, auf dem nach zähen Verhandlungen das EU-Reformprogramm Agenda 2000 verabschiedet wurde, sowie der von der Bundesregierung mitgetragene und insbesondere auch von Schröder gegen innerparteiliche Kritik verteidigte Militäreinsatz der NATO gegen Jugoslawien im Kosovo-Konflikt.
Die Folgezeit war geprägt von einem heftigen innerparteilichen Richtungsstreit, ausgelöst u. a. durch das von Schröder und dem britischen Premierminister und Labour-Vorsitzenden Tony Blair präsentierte Strategiepapier The Third Way/Die Neue Mitte für die europäische Sozialdemokratie des 21. Jahrhunderts. Die Parteilinke warf Schröder vor, mit seinem Kurs der „Neuen Mitte” traditionelle sozialdemokratische Positionen und Werte zur Disposition zu stellen. Die innerparteiliche Kritik sowie die relativ konturlos erscheinende Regierungspolitik schlugen sich schließlich in Wahlergebnissen nieder: Bei den fünf Landtagswahlen im September/Oktober 1999 musste die SPD zum Teil erhebliche Einbußen hinnehmen. Erst mit seinem – nicht unumstrittenen – Sanierungskonzept für den insolventen Baukonzern Holzmann im November 1999 sowie seinem Durchbruch im Bündnis für Arbeit im Januar 2000 gelang es Schröder, seiner Regierungspolitik sowie der SPD insgesamt wieder zu höherem Ansehen zu verhelfen. Am Aufwärtstrend von Regierung und Partei hatte allerdings auch der Spenden- und Finanzskandal, der die oppositionelle CDU seit November 1999 schwer erschütterte, maßgeblichen Anteil.
Dominierendes innenpolitisches Thema war im ersten Halbjahr 2000 die große Steuerreform der rotgrünen Bundesregierung, die sowohl den Privathaushalten als auch der Wirtschaft deutliche Entlastungen versprach. Im Mai 2000 verabschiedete der Bundestag gegen die Stimmen der Opposition die Steuerreform; die Zustimmung des Bundesrates, in dem die Regierungskoalition nicht über die Mehrheit verfügte, erreichte Schröder im Juli 2000 durch spezifische finanzielle Zugeständnisse an diejenigen Bundesländer, in denen die CDU an SPD-geführten Regierungen beteiligt war. Im Juni 2000 brachte Schröder einen weiteren zentralen Punkt des rotgrünen Regierungsprogramms zu einem vorläufigen Abschluss: Nach langwierigen Verhandlungen einigten sich Bundesregierung und Energiewirtschaft auf einen Kompromiss zum Ausstieg aus der Atomenergie. Allerdings wurde dieser Kompromiss seitens der Bundesregierung an dem dafür eigentlich zuständigen grünen Umweltminister Jürgen Trittin vorbei ausgehandelt, und er war auch bei weitem nicht so restriktiv wie von den Grünen ursprünglich gefordert, was zeitweise zu erheblichen Spannungen zwischen den Koalitionspartnern führte.
Mit der Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung zur Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft” im Juli 2000 brachte die Regierung Schröder ein weiteres wichtiges Gesetzesvorhaben zum Abschluss, nämlich den Entschädigungsfonds für NS-Zwangsarbeiter; die Auszahlungen aus diesem Fonds ließen dann allerdings noch fast ein Jahr auf sich warten.
Neuerliche personalpolitische Rückschläge für Schröder bedeuteten – nach dem unvermittelten Ausscheiden Oskar Lafontaines aus der Bundesregierung – die Rücktritte von vier weiteren Ministern: Im November 2000 trat Verkehrsminister Reinhard Klimmt wegen seiner Verwicklung in eine illegale Sponsering-Affäre zurück; im Januar 2001 verließ Kulturstaatsminister Michael Naumann die Bundesregierung, ebenfalls im Januar 2001 traten im Zuge der BSE-Krise Gesundheitsministerin Andrea Fischer und Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke zurück. Die Neubesetzung des Landwirtschaftsministeriums mit der Grünen Renate Künast nutzte Schröder für eine Verlagerung des Arbeitsschwerpunkts des Ministeriums auf den Verbraucherschutz und für eine Neuausrichtung der Agrarpolitik. Bis zum Ende der Legislaturperiode wurden insgesamt neun Kabinettsmitglieder ausgewechselt, zuletzt, im Juli 2002 – zwei Monate vor der Neuwahl des Bundestages –, entließ Schröder Verteidigungsminister Scharping.
Erste Regierung Schröder (27.10.1998-21.10.2002)
Erweitern
Gegen die Stimmen der Opposition und mit zum Teil deutlichen Einschnitten in das ursprüngliche Regierungsprogramm wie in die Koalitionsvereinbarungen setzte die Regierung Schröder in der Folgezeit weitere große Reformvorhaben um, so etwa die Rentenreform, eine umfangreiche finanzielle Entlastung der Familien, die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs und des Solidarpakts für Ostdeutschland, die Reform des seit 1972 nicht mehr veränderten Betriebsverfassungsgesetzes und die Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare. Um einer Besetzung des Themas Ausländer- und Einwanderungspolitik durch CDU und CSU entgegenzuwirken, die mit Begriffen wie „Leitkultur” und „Nationalstolz” die Debatte in ihrem Sinne zu bestimmen versucht hatten, forcierte die Regierung Schröder 2001 die Reform des Ausländergesetzes; allerdings scheiterte die Reform vorerst an den Widerständen seitens CDU und CSU, denen der Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht weit genug ging. Ebenfalls auf scharfe Kritik der Opposition stieß die Wirtschafts- und Haushaltspolitik der Regierung, die vor allem stabilitätsorientiert auf Haushaltskonsolidierung und Schuldenabbau ausgerichtet war; aber auch angesichts des unerwartet hohen Konjunkturabschwungs, der für Schröder auch eine Folge der Konjunkturschwäche in den USA war, und trotz weiterhin hoher Arbeitslosenzahlen – sie blieben weit über den bei Regierungsantritt anvisierten 3,5 Millionen – verzichtete Schröder zugunsten einer „Politik der ruhigen Hand” auf kurzfristige, kostenintensive Konjunkturprogramme. Mit dem so genannten Antiterrorpaket, das die Bundesregierung in Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 auf Ziele in den USA im November 2001 beschloss, konnten sich auch CDU und CSU identifizieren, während Teile des Koalitionspartners Bündnis 90/Die Grünen eine Zerschlagung des Rechtsstaates und die Aufgabe von Grundrechten befürchteten.
Nach den Terroranschlägen vom 11. September versicherten Schröder und Außenminister Fischer die USA der uneingeschränkten Solidarität der Bundesrepublik im Kampf gegen den Terrorismus und schlossen auch eine Beteiligung deutscher Soldaten im Rahmen der NATO an dem Kampf gegen den Terrorismus nicht aus. Folgerichtig stimmte die Bundesregierung am 7. November 2001 nach einem entsprechenden Ersuchen der USA der Entsendung von 3 900 deutschen Soldaten zur Unterstützung des Antiterrorkrieges der USA gegen Ziele in Afghanistan zu. Die bevorstehende Abstimmung im Bundestag über diesen Bundeswehreinsatz stürzte die rotgrüne Koalition dann jedoch in eine schwere Krise: Zwar stand zu erwarten, dass der Bundestag mit großer Mehrheit für die Entsendung deutscher Soldaten stimmen würde, da auch die Opposition (mit Ausnahme der PDS) einem deutschen Militärbeitrag zustimmte; aber es war auch klar, dass die Regierungsfraktionen alleine keine Mehrheit zustande bringen würden, da eine ganze Reihe ihrer Abgeordneten den Einsatz deutscher Soldaten in dem Antiterrorkrieg bzw. den Krieg als Mittel gegen den Terrorismus überhaupt ablehnten. Eine fehlende eigene Mehrheit bei dieser zentralen Entscheidung aber gefährdete nach Auffassung des Bundeskanzlers Ansehen, Stabilität und Arbeitsfähigkeit der Regierungskoalition, stellte zudem die Fortsetzung der rotgrünen Regierung in Frage.
In der Konsequenz entschloss sich Schröder, die Sachabstimmung über den Bundeswehreinsatz mit der Vertrauensfrage zu verbinden, um eine eigene Mehrheit zu erreichen und die Koalition gestärkt fortführen zu können, andernfalls die Koalition scheitern zu lassen und Neuwahlen herbeizuführen. Nach langwierigen Entscheidungsprozessen, insbesondere innerhalb der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen, fand sich jedoch die erforderliche Mehrheit der Koalitionsabgeordneten zur Zustimmung zu dem deutschen Militärbeitrag und somit zur Fortsetzung der Koalition bereit, so dass Schröder die Vertrauensabstimmung am 16. November 2001 mit 336 Stimmen – zwei Stimmen mehr als notwendig – gewann. Die Opposition hatte erwartungsgemäß geschlossen gegen Schröder gestimmt.
Ebenso klar wie seitens der SPD-Fraktion in der Vertrauensabstimmung fiel auf dem Bundesparteitag der SPD wenige Tage später das Votum für Schröder und seine Regierungspolitik aus. Bei der Wahl zum Parteivorsitzenden konnte Schröder sein Ergebnis gegenüber 1999 um über zwei Prozentpunkte auf 88,6 Prozent der Delegiertenstimmen verbessern; die Leitlinien des Parteivorstands zur Außen- und Sicherheitspolitik, die auch den von der Bundesregierung beschlossenen und vom Bundestag bestätigten Einsatz deutscher Soldaten im Antiterrorkrieg beinhalteten, wurden ohne größere Debatte sogar mit 90 Prozent der Delegiertenstimmen angenommen.
Angesichts der weiter steigenden Arbeitslosenzahlen – zum Jahresende 2001 gab es etwa vier Millionen Arbeitslose in Deutschland, Tendenz zunehmend – sowie der Anfang 2002 offensichtlich werdenden gravierenden Missstände in der Bundesanstalt für Arbeit und den Landesarbeitsämtern sah sich Schröder jedoch mehr und mehr zur Abkehr von seiner „Politik der ruhigen Hand” gezwungen, zumal mit der Nominierung Edmund Stoibers zum Kanzlerkandidaten der Unionsparteien im Januar 2002 der Wahlkampf für die Bundestagswahlen am 22. September 2002 einsetzte, wodurch die Regierung Schröder zusätzlich in Zugzwang geriet. Schröder kündigte eine breit angelegte Arbeitsmarktoffensive an. In einem ersten Schritt berief er eine Kommission zur Reform der Bundesanstalt für Arbeit und des Arbeitsmarktes, die so genannte Hartz-Kommission (siehe Hartz-Reformen), benannt nach ihrem Leiter, dem VW-Manager Peter Hartz. Mitte August 2002 legte die Kommission ihren Abschlussbericht vor, in dem sie Maßnahmen wie die Schaffung von Personal Service Agenturen zur Vermittlung von Arbeitslosen als Leiharbeiter, die Einführung so genannter Ich-AGs und die Verschärfung der Zumutbarkeitsregelungen für Arbeitslose empfahl; durch diese und weitere Maßnahmen sollten die Arbeitslosenzahlen bis 2004 halbiert werden können. Wenige Tage später – vier Wochen vor der Bundestagswahl, für die die Umfragewerte eine Niederlage der SPD signalisierten – verabschiedete das Kabinett die Empfehlungen der Kommission und leitete sogleich deren Umsetzung in die Wege, soweit sie ohne Gesetzesänderungen vollzogen werden konnte.
Überlagert wurde das Wahlkampf-relevante Thema Arbeitsmarkt und die Auseinandersetzung um die Hartz-Empfehlungen sowie deren Umsetzung in der zweiten Augusthälfte jedoch von der verheerenden Hochwasserkatastrophe, die vor allem Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg sowie in geringerem Ausmaß Bayern in Mitleidenschaft zog. Hier reagierte die Regierung Schröder unmittelbar mit der Einrichtung eines Hilfsfonds zur Beseitigung der Hochwasserschäden in Höhe von knapp 10 Milliarden Euro, der u. a. durch die Verschiebung der für 2003 vorgesehenen weiteren Stufe der Steuerreform und die Erhöhung der Körperschaftssteuer finanziert werden sollte, was auf breite Zustimmung in der Bevölkerung, aber Ablehnung bei der Opposition stieß.
In der Außenpolitik rückte Schröder in Abkehr von der „uneingeschränkten Solidarität” in manchen Bereichen vom Kurs der USA ab. So übten er und Außenminister Fischer z. B. deutliche Kritik an den zunehmenden Drohungen der USA gegenüber dem Irak, dem die USA engste Verbindungen zum internationalen Terrorismus vorwarfen, und sie hielten weiterhin, im Gegensatz zu den USA aber in Einklang mit den übrigen EU-Mitgliedsstaaten, an Jasir Arafat als dem offiziellen palästinensischen Verhandlungspartner im Nahostkonflikt fest. Als im Sommer 2002 in den USA immer offener über einen Krieg gegen den Irak geredet wurde, schloss Schröder eine deutsche Beteiligung an einem „militärischen Abenteuer”, an einem Feldzug gegen den Irak, kategorisch aus, was im In- und Ausland für Irritationen sorgte, das deutsch-amerikanische Verhältnis erheblich abkühlte, sich im Wahlkampf aber womöglich zugunsten Schröders auswirkte.
3.2 Zweite Amtszeit
Die zweite Regierung Schröder nach ihrer Vereidigung
Erweitern
Aus den Bundestagswahlen am 22. September 2002 ging die SPD trotz ungünstiger Voraussetzungen erneut als stärkste Fraktion hervor, zwar nur knapp und unter Verlusten gegenüber 1998; aber zusammen mit den Grünen erreichte sie die absolute Mehrheit der Mandate, so dass Schröder die rotgrüne Regierung fortführen konnte. Am 22. Oktober 2002 wurde Schröder vom Bundestag erneut zum Bundeskanzler gewählt. Es war dies die erste Wahl eines deutschen Bundeskanzlers, die in Berlin stattfand, und sie erfolgte äußerst knapp mit 305 Stimmen, drei mehr als notwendig. Am selben Tag wurden Schröder und sein Kabinett – mit 13 Ministern das kleinste in der Geschichte der Bundesrepublik – vereidigt. In den Mittelpunkt seiner zweiten Amtszeit stellte Schröder den Kampf gegen Arbeitslosigkeit und Wirtschaftsflaute.
Schon wenige Wochen nach der Wahl sah Schröder sich und seine Regierung heftigen Angriffen seitens der Opposition ausgesetzt, nachdem offenbar geworden war, dass – entgegen den Zusagen aus dem Wahlkampf – der Haushalt für das Jahr 2002 noch beträchtliche Lücken aufwies, die Neuverschuldung folglich das EU-Stabilitätskriterium von 3 Prozent (siehe Europäische Wirtschafts- und Währungsunion) des BIP übersteigen würde, die Sparpolitik verschärft und verschiedene Steuern erhöht werden mussten. Zudem erwiesen sich Beitragserhöhungen bei den Sozialversicherungen als unumgänglich. Die Opposition beschuldigte die Regierung Schröder des Wahlbetrugs und der Lüge und strengte die Errichtung eines entsprechenden Untersuchungsausschusses an, der im Januar 2003 seine Arbeit aufnahm.
Die kritische Finanz- und Arbeitsmarktlage ließen die Zustimmung zur SPD in der Bevölkerung rapide sinken. Der Stimmungsumschwung zu Lasten der SPD manifestierte sich drastisch in den Landtagswahlen am 2. Februar 2003 in Hessen und in Niedersachsen: Hier verlor die SPD gegenüber den vorangegangenen Landtagswahlen jeweils über 10 Prozentpunkte, und in Schröders Heimat Niedersachsen musste die bisher mit absoluter Mehrheit regierende SPD die Regierungsverantwortung abgeben – mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Bundesrates. Schröder übernahm persönlich die Verantwortung für die katastrophalen Niederlagen seiner Partei.
Schon im Vorfeld der Bundestagswahlen hatte sich Schröder wiederholt darauf festgelegt, dass es keine deutsche Beteiligung an einem von den USA geführten Krieg gegen den Irak gäbe. Diese Haltung wurde vom Großteil der Bevölkerung mitgetragen und innerhalb der EU vor allem von dem französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac unterstützt, führte aber zu einer weiteren Abkühlung des deutsch-amerikanischen Verhältnisses. Mit der nichtständigen Mitgliedschaft Deutschlands im UN-Sicherheitsrat ab dem 1. Januar 2003 stieg die Verantwortung der Bundesrepublik im Irak-Konflikt erheblich; auch jetzt hielt Schröder an seinem strikten Nein zu einem Krieg gegen den Irak fest und setzte sich zusammen mit Außenminister Fischer ebenso wie die Vetomächte Frankreich, Russland und China nachdrücklich für eine diplomatische, friedliche Lösung des Konflikts ein – am Ende vergeblich: Am 20. März 2003 begannen die USA und Großbritannien, nicht legitimiert durch ein UN-Mandat, den Irak-Krieg. Sein klare Absage an einen Krieg gegen den Irak brachte Schröder seitens der Opposition den Vorwurf ein, durch eben diese Haltung den Krieg gegen den Irak wahrscheinlicher gemacht zu haben. Ab dem Sommer 2003 begann sich das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA allmählich wieder zu entspannen; eine Reihe von Differenzen konnte Schröder bei einem Treffen mit US-Präsident George W. Bush im September 2003 ausräumen. Schröder traf sich mit Bush in New York anlässlich seines Besuches bei den Vereinten Nationen, wo er als erster deutscher Bundeskanzler seit 30 Jahren eine Rede vor der Vollversammlung hielt.
Zweite Regierung Schröder (22.10.2002-22.11.2005)
Erweitern
Vor dem Hintergrund weiter dramatisch gestiegener Arbeitslosenzahlen und dem endgültigen Scheitern des Bündnisses für Arbeit stellte Schröder im März 2003 im Bundestag ein umfangreiches Reformprogramm, die so genannte „Agenda 2010”, zur Senkung der Arbeitslosenquote und zur Wiederbelebung der Wirtschaft vor. Die Agenda sah vor allem deutliche Einschnitte bei den Sozialleistungen vor, die Senkung der Lohnnebenkosten, aber auch ein milliardenschweres Investitionsprogramm. Das Reformprogramm erfuhr in Teilen die Zustimmung der Opposition und der Arbeitgeber, stieß aber auf erhebliche Kritik bei den Gewerkschaften und in den eigenen Reihen. Dennoch kündigte Schröder eine rasche Umsetzung der Reformen in vollem Umfang an. In der Folgezeit gelang es ihm, Teile der Agenda 2010 umzusetzen; allerdings musste er auf Druck aus den eigenen Reihen sowie vonseiten der Opposition erheblich Abstriche an dem Reformwerk machen. Die Zustimmung seiner eigenen Partei zu den Reformen erreichte er nicht zuletzt durch wiederholte Rücktrittsdrohungen. Ein zentraler Teil des Reformprogramms, nämlich der Umbau der Bundesanstalt für Arbeit, hatte kaum positive Auswirkungen auf die Arbeitslosenzahlen. Ein weiterer wichtiger Punkt des Reformprogramms, die von der Ministerin Ulla Schmidt verantwortete Reform des Gesundheitswesens, führte nicht zu der angekündigten Entlastung der Versicherten, erwies sich als wenig durchdacht und stieß bei Versicherten und Ärzten auf Unverständnis und Ablehnung. Dies sowie andere Fehlleistungen und der Öffentlichkeit nicht vermittelbare Handlungen der Regierung Schröder, wie z. B. die Querelen um das Lkw-Mautsystem, sorgten dafür, dass die Akzeptanz der Regierung und der SPD sukzessive auf einen historischen Tiefpunkt sank; laut Meinungsumfragen stieß die SPD Anfang 2004 nur noch bei knapp einem Viertel der Bevölkerung auf Zustimmung.
Im Februar 2004 zog Schröder die Konsequenz aus der krisenhaften Lage in der Partei und der Regierung und kündigte überraschend seinen Rückzug vom Amt des Parteivorsitzenden an. Als Nachfolger empfahl er unter großer Zustimmung seitens der Partei Franz Müntefering. Als Begründung für seinen Schritt führte er die anhaltende Kritik aus den Reihen der Partei an seinem Reformprogramm an; dieses Programm der Partei zu vermitteln, sei ein zeitaufwendiger Prozess, der sich mit seinen Verpflichtungen als Bundeskanzler nicht mehr vereinbaren ließe. Auf einem Sonderparteitag der SPD am 21. März 2004 wurde Müntefering formell zum neuen Parteivorsitzenden gewählt. An der geringen Akzeptanz der SPD und ihrer Politik bei der Bevölkerung und dem Widerstand des linken Parteiflügels gegen die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Regierung Schröder änderte der Wechsel an der Parteispitze nichts. Das In-Kraft-Treten von „Hartz IV”, einem wesentlichen Teil von Schröders Reformprogramm mit negativen Folgen für Erwerbslose, zum 1. Januar 2005 ließ bei der traditionellen Klientel der SPD die Zustimmung zur Politik der Regierung Schröder noch einmal sinken, während Wirtschaftskreise die Reformen durchaus positiv aufnahmen. Die augenfälligsten Auswirkungen dieser Politik waren die Abwahl der rotgrünen Landesregierungen in Schleswig-Holstein (Februar 2005) und Nordrhein-Westfalen (Mai 2005).
Insbesondere die Wahlniederlage in Nordrhein-Westfalen traf Schröder und die SPD hart, galt doch Nordrhein-Westfalen, wo die SPD 39 Jahre ohne Unterbrechung regiert hatte, als das „Stammland” der SPD. Zudem hatten die Unionsparteien mit dem Wahlsieg der CDU ihre Mehrheit im Bundesrat noch weiter ausgebaut und konnten nun noch stärker Einfluss auf Gesetzesvorhaben der Regierung Schröder nehmen. Unmittelbar nach der Niederlage in Nordrhein-Westfalen erklärte Schröder, dass die politische Grundlage für die Fortsetzung seiner Arbeit in Frage gestellt sei und er seine Reformpolitik nur mit einer klaren Unterstützung der Bürger weiterführen könne. In der Konsequenz kündigte er an, auf vorgezogene Neuwahlen im Herbst 2005 hinwirken zu wollen, und zwar über eine zu verlierende Vertrauensfrage und die anschließende Auflösung des Bundestages durch den Bundespräsidenten. Am 1. Juli 2005 stellte Schröder im Deutschen Bundestag die Vertrauensfrage und verlor sie wie beabsichtigt (mit 296 Nein-Stimmen bei 151 Ja-Stimmen und 148 Enthaltungen). Anders als 2001 verband Schröder die Vertrauensfrage diesmal nicht mit einer Sachfrage, sondern begründete sie damit, dass er „unter den aktuellen Bedingungen nicht auf das notwendige, auf stetiges Vertrauen im Sinne des Art. 68 Grundgesetz rechnen” könne. Mit „aktuellen Bedingungen” meinte Schröder insbesondere die „abweichenden Positionierungen” innerhalb der Koalition, vor allem in Bezug auf seine Reformpolitik. In der Folge löste Bundespräsident Horst Köhler den Bundestag auf.
Für die vorgezogenen Bundestagswahlen am 18. September 2005 wurden der SPD große Verluste prognostiziert, nicht zuletzt wegen der neuen, starken Konkurrenz auf der linken Seite des Parteienspektrums in Form des Bündnisses aus der erst wenige Monate zuvor gegründeten Partei Arbeit & soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalternative (WASG) und der in Linkspartei umbenannten PDS, zu dessen Führungsfiguren Oskar Lafontaine gehörte. In der Tat verlor die SPD, jedoch weniger als erwartet, und wurde mit 34,2 Prozent der Stimmen knapp hinter CDU/CSU (35,2 Prozent) zweitstärkste Fraktion. Das gemessen an den Vorhersagen nicht schlechte Ergebnis hatte die Partei zu großen Teilen dem Einsatz und der Person Schröders zu verdanken. Die Fortführung der rotgrünen Koalition erlaubte das Wahlergebnis jedoch nicht, eine Erweiterung der Koalition um die Linkspartei hatte Schröder von vornherein klar ausgeschlossen; und da es auch CDU/CSU nicht gelang, mit FDP und/oder Grünen eine Koalition zu formieren, blieb am Ende nur noch die Option große Koalition übrig. Aber ehe formelle Koalitionsverhandlungen aufgenommen werden konnten, musste erst die problematischste Frage geklärt werden, nämlich die Kanzlerfrage: Ebenso wenig wie Schröder sich zunächst bereit zeigte, als Kanzler zurückzutreten, wollte Angela Merkel als die Kanzlerkandidatin der stärkeren der beiden potentiellen Koalitionsfraktionen auf ihren Anspruch auf das Kanzleramt verzichten. Schon in ersten Sondierungsgesprächen erzielten SPD und Union jedoch eine Einigung in dieser Personalfrage, und zwar zugunsten Merkels, die Schröder im Kanzleramt ablösen sollte. Wenig später erklärte Schröder seinen Verzicht auf eine Beteiligung an der neuen Regierung, nahm aber in führender Funktion an den Koalitionsverhandlungen teil.
Mit dem Amtsantritt der Regierung der großen Koalition unter Angela Merkel am 22. November 2005 schied Schröder aus dem Amt des Bundeskanzlers. Zugleich verzichtete er auf sein Bundestagsmandat.
2006-08-02 05:13:29
·
answer #2
·
answered by mausi76 5
·
0⤊
0⤋