English Deutsch Français Italiano Español Português 繁體中文 Bahasa Indonesia Tiếng Việt ภาษาไทย
Alle Kategorien

kann mir jemand die Bedeutung des begriffes erklären??

2007-02-20 22:54:54 · 5 antworten · gefragt von blume 2 in Gesellschaft & Kultur Sprachen

5 antworten

Süddeutsche Zeitung, 18.10.2000
Eine überbeauftragte Seele

Verbotenes Wissen in der Philosophie – Konrad Paul Liessmann nimmt sich Nietzsche und die schwarzen Seiten des Denkens vor

Wenn wir alles Reden und Schreiben über Friedrich Nietzsche zusammenfassen, so ergibt sich uns ungefähr folgendes Bild: Ein junger Philosoph verschanzt sich in seiner Einsamkeit und brütet hier seine monströsen Gedanken aus, die mit vielen philosophischen und mit (fast) allen moralischen Vorstellungen brechen und sich im Lauf des auf ihn folgenden Jahrhunderts als künstlerisch fruchtbar, politisch aber als furchtbar und verhängnisvoll erweisen sollten. Wir sehen einen schon zu produktiven Wirkungszeiten nicht immer ganz zurechnungsfähigen Denker, der sich als ein Doktor Frankenstein im Reich des Geistes in seinem Labor verschanzt, mit Gott bricht und sein größtes, schrecklichstes Geschöpf zeugt: den Übermenschen.

Nun ist es aber auch so, dass Nietzsche selbst fast sein ganzes armes Leben lang schwankte zwischen einer fast knabenhaften intellektuellen Keuschheit und der mitunter unangenehm kraftmeiernden Forderung, der Wahrheit doch ins Gesicht zu sehen. Das Bild von jenem unerschrockenen Geistesritter, dem nichts heilig ist, verdankt sich zu einem großen Teil Nietzsches Selbststilisierung.

Nietzsche hatte sich, wie der Basler Universitätskollege Jacob Burckhardt eines Tages feststellte, verstiegen. Von diesem ausweglosen Posten aus schleuderte er sozusagen seine Geistesblitze unters staunende akademische Fußvolk, unter das sich freilich immer mehr Bewunderer mischten. Er war, wie Thomas Mann später schrieb, eine überbeauftragte Seele, zum Wissen berufen, aber eben nicht dazu geboren. Denn dieses Wissen war ein gefährliches, für Missbrauch anfällig. Es waren schrille Töne, die Nietzsche anstimmte, und doch stand er, wie noch jeder gute Philosoph, nur im Dienste der Moral, einer höheren freilich, die irritierend wirken musste auf die, die ihm bei seinen (Selbst-)Experimenten zusahen, und auf die, die in seinem Geist glaubten, auch noch praktisch wirken zu müssen.

Und was wäre eigentlich, wenn Nietzsche gar nicht kollabiert wäre, sondern einfach immer weitergemacht hätte bis in sein fünfzigstes, sechzigstes Jahr? Eine unstatthafte Frage. Tatsächlich aber wissen wir, dass Nietzsche zumindest gedanklich schon an einer „Philosophie des verbotenen Wissens” saß. Konrad Paul Liessmann, der in Wien Philosophie lehrt, hat sie nun vor allem anhand des Nachlasses rekonstruiert.

Scheinheilig, selbstnobilitiert

Die schwarze Seite von Nietzsches Denken, die Nachtseite . . . Liessmann verortet Nietzsches „Verklärung des Bösen” in der Spätromantik, die dieser in einer großangelegten antiromantischen Selbstbehandlung bekämpfte und von der er doch nicht loskam. Genausowenig kam er los von einer Ontologie, deren Existenzmöglichkeit er doch gleichfalls bestritt. Schon daran ist seine ungeheure Ambivalenz abzulesen, die Liessmann keinen Moment aus den Augen verliert. Folge oder – das muss offen bleiben – Ursache dieser Ambivalenz sind Nietzsches Aversionen gegen alles und jedes: „Es liegt im Gestus dieser Urteile oft eine selbstgerechte Überheblichkeit, eine offenkundige Instrumentalisierung von Opfern zum Zwecke der Selbstimmunisierung, eine scheinheilige Selbstnobilitierung, eine offenkundige Unredlichkeit, der allerdings schwer widersprochen werden kann”.

Nietzsches dialektisch gefasstes Moralsystem, seine Vorstellung von Gut und Böse ist ohne seine Sprachkritik noch schwerer verständlich. Sprache als System von Vor-Urteilen, die das hinter den Dingen Liegende verdecken oder verfälschen – das hat Nietzsche zu einem Aufsatz herausgefordert, der zu den Schlüsselzeugnissen der Sprachskepsis der vergangenen Jahrhundertwende zu rechnen ist: „Ueber Wahrheit und Lüge im aussermoralischen Sinne”, die Nachlasschrift, die Liessmann zum Leitfaden einer „Theorie der Unwahrheit” macht. Nietzsche hatte hinter unserem „Fundamentaltrieb zur Metaphernbildung” etwas vermutet, was er zur Zielscheibe seiner Angriffslust machte: nämlich nicht nur ein erkenntnistheoretisches Vorurteil, sondern auch ein moralisches.

Liessmann zeigt nun durch eine Analyse der Nietzscheschen Kategorien „Wahrheit”, „Lüge” und „Illusion”, wie Nietzsche im Wechselspiel von Leben und Kunst zu einem Wertesystem kommt, das dazu zwingt, auf das Böse, Hässliche und Ekelhafte einen offenen Blick zu werfen. „Was heißt es”, fragt Liessmann, „angesichts der existentiellen Wahrheit des Lebens zum Medium der Kunst, zum Schein, zur Verstellung Zuflucht zu nehmen?” Die Zuflucht, die Nietzsche in der Griechen-Nachfolge bei der Kunst nimmt, richtet sich, anti-normativ, gegen das alte Ideal von der Einheit des Wahren, Schönen und Guten – eine Frontststellung, der der Gottesglaube wie nebenbei abhanden kommt.

Nietzsche hat das Gute und das Böse so lange hin und her gewendet, bis es hier keinen Gegensatz mehr gab. Er tat dies im Sinne eines Lebens, das ihm ohne jene höhere Erkenntnis des Bösen und Hässlichen als banal erscheinen musste. Auch in diesem Sinne verstand er sich als vornehm und fortschrittlich. Dieser Erkenntnis- und Erfahrungsfortschritt ist im zwanzigsten Jahrhundert an einen Punkt gekommen, von dem aus die Anbetung des Bösen nicht mehr erlaubt war. Liessmann aber kappt die festen Taue, die Nietzsche im nachhinein an die Nazi-Ideologie binden, im grandiosen dritten „Hauptstück” seiner Deutung: „Nietzsches Rechtfertigung des Bösen erfolgte in letzter Instanz allerdings im Gewand der historisch-psychologischen Rekonstruktion. Die Kritik und Destruktion der Moral und damit die immanente Apologie des Bösen vollzieht sich bei Nietzsche im Rückgriff auf den vermeintlichen Ursprung der moralischen Empfindungen und Urteile. ”

Nietzsche konnte auf Moral also keineswegs verzichten. In einer Kreisbewegung landet er schließlich doch wieder in der Deutung des Subjekts, die mit den Nazi-Verbrechen nichts zu tun haben kann: „Nietzsche, der viel von der kollektiven Gewalt des 20. Jahrhunderts erahnt hat, wollte sein Glück der Bösen noch an eine gesteigerte Subjektivität gebunden wissen. Er wußte allerdings, daß nicht nur der Gedanke an solch ein Glück schwer erträglich war. Unerträglich war vor allem die Vorstellung, daß es ein Glück geben könnte, das ohne das Böse nicht zu haben ist. ” Vielleicht, so deutet Liessmann tiefsinnig an, hat Nietzsche sein Gedankengebäude auch nur zusammengezimmert, um darin Zuflucht zu nehmen vor dem zudringlichen, obszönen Blick auf die menschliche Hässlichkeit – dieser Blick gehört Gott. Die Parole „Gott ist tot!” verdankte sich dann theologisch begründeter Scham.

Jenes Böse aber ist nicht einfach das banale Böse; es ist nicht verbrecherisch, sondern das Ergebnis von Lebenserfahrung und -einsicht. Es ist, wie vieles bei Nietzsche, zuletzt eine ästhetische Konstruktion, die eng an den Begriff der Größe gekoppelt ist: „Was heißt es, sich selbst zu ertragen? Größe – und das war vielleicht Nietzsches Grundfrage an das Leben gewesen – meinte in diesem Zusammenhang vielleicht vor allem eins: Selbstdurchsichtigkeit. ” Der Böse hat den Selbstekel, unter dem auch Nietzsche litt, hinter sich gelassen. „Das Glück des Bösen besteht darin, keine Entscheidungen mehr treffen zu müssen. ”

Das musste Nietzsche in seinen letzten zehn Jahren auch nicht; er dämmerte in „Sonnenuntergangsruhe” (Liessmann) vor sich hin. So gesehen gingen bei ihm Leben und Lehre doch zusammen. Nietzsche war der Böse, der Geist, der zumindest versuchte, frei zu sein. Sein Ethos, sagt Liessmann, der aufs Biografisieren verzichtet, ist wahrhaft paradox.

Was am Ende das Verbotene eigentlich sei, das lässt Liessmann offen. Ihm ist es darum zu tun, die anhaltend schillernden Facetten im Nietzscheschen Denken nachzuzeichnen. Es gibt also viel Text-Exegese, die nach manchem Sensationsbericht aus dem Jubiläumsjahr keineswegs schaden kann. Es wird Zeit, wieder übers Denken des Einsiedlers von Sils Maria nachzudenken – und sich einzugestehen, dass wir über diesen noch keineswegs hinaus sind.

2007-02-25 08:39:15 · answer #1 · answered by Leony 7 · 0 0

Unter Nobilitierung versteht man die Erhebung in den Adelsstand, also bedeutet Selbstnobilitierung soviel wie eine Erhöhung der eignen Person.

2007-02-21 07:00:10 · answer #2 · answered by lacy48_12 7 · 1 0

Selbstbeweihräucherung

2007-02-26 06:31:11 · answer #3 · answered by Onkel Bräsíg 7 · 0 0

Sich selbst in den Adelsstand erheben.

2007-02-21 09:40:43 · answer #4 · answered by Jeminou 1 · 0 0

vielleicht kannst du damit etwas anfangen
Wortform: Selbstnobilitierung
In: o.A., Souffleur eines Reichtums in uns selbst, in: Frankfurter Rundschau 13.09.1997, S. 3
Nach: o.A., Souffleur eines Reichtums in uns selbst, in: Frankfurter Rundschau (Jahresausgabe 1997), Frankfurt a.M.: Druck- und Verlagshaus 1999
" Der Zug zur Selbstnobilitierung, der in diesem "Orden vom wahren Leben" zum Ausdruck kam, wird schon aus den wenigen zitierten Sätzen offensichtlich.
Textsorte: Zeitung Zeit und Bild

2
Wortform: Selbstnobilitierung
In: Ursula März, Furchtbar menschlich, in: DIE ZEIT 01.10.1998, S. 78
Am unsympathischsten aber ist der Duktus der Selbstnobilitierung, den dieser Erzähler an den Tag legt.
Textsorte: Z

2007-02-21 06:59:11 · answer #5 · answered by Anonymous · 0 1

fedest.com, questions and answers