Auszug aus dem Buch von Johannes Mario Simmel:
BITTE LASST DIE BLUMEN LEBEN
„Niemand“, fuhr Langenau fort, „darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden“.
„Na denn , gelobt sei Jesus Christus“ sagte einer, gegen das deutsche Grundgesetz.
„Mensch, Mann“, rief ein anderer, „Sie sind doch Deutscher wie wir! Viereinhalb Millionen haben wir von diesem Scheißgesindel! Und über eineinviertel Millionen Deutsche sind arbeitslos. Da müssen die doch raus, die Schweine“.
„ Es stimmt“ sagte Langenau, die Regierung hat früher einen Fehler gemacht, als sie so viele Gastarbeiter ins Land rief. Aber da wurden sie eben gebraucht für das Wirtschaftswunder. Ohne die Gastarbeiter hätte e kein Wunder gegeben. Von der Wirtschaft sind sie als Wohlstandsmehrer gelobt worden. Den einmillionsten Gastarbeiter, einen Portugiesen, habe ich im Fernsehen gesehen. Dem sind Blumen und ein Moped geschenkt worden und ein Gernaldirektor hat ihm die hand geschüttelt und auf die Schulter geklopft und ihm eine dicke Zigarre gegeben. Wenn wir jetzt zu viel Gastarbeiter haben, dann wendet euch mal and die Regierung, aber lasst die Gastarbeiter, die sie hergeholt hat, in Frieden!“:
„Lassen sie uns denn in Frieden? Rief einer der Männer. „Unsere Frauen trauen sich abends nicht mehr auf die Straße! Mann, wir werden doch übervölkert von diesem Verbrechergesindel!“.
„Erstens rate ich ihnen“ sagte Langenau, „mit ihren Ausdrücken vorsichtiger umzugehen. Zweitens werden wir nicht übervölkert. Aber niemand hat den Versuch gemacht, die Gastarbeiter aus ihren Gettos rauszuholen und in unsere Gesellschaft aufzunehmen.“
„Na das wäre ja noch schöner“ schrie einer. „ Dieses ganze Rassengemisch, diese Untermenschen , die sollen in unsere deutsche Gesellschaft aufgenommen werden? Prima, Mann, prima. Dann sage ich gleich : Gute Nacht, Deutschland!“
„Denken sie doch mal an die Situation des Gastarbeiters, sagte Langenau, „ Sie haben eine andere Sprache, eine andere Religion, sie schauen anders aus als wir. Das passt vielen von uns nicht. Also werden die Gastarbeiter gehasst, verachtet, schlecht behandelt, ausgenützt. Wenn es wo ein Scheißhaus zu putzen gibt, her mit ihnen! Sie kriegen die ganze dreckige Arbeit, für die wir uns zu fein sind. Sie müssen sie annehmen, sie müssen froh sein, wenn sie überhaupt noch Arbeit kriegen. Unter ihnen herrscht eine riesige Arbeitslosigkeit. Die Behörden wissen nicht, was sie tun sollen, sie haben Probleme genug mit den deutschen Arbeitslosen. Aber die Ausländer sind auch Menschen! Sie haben auch Kinder! Sie haben auch Schulden! Sie haben auch Sorgen! Dieselben, wie unsere Leute! Aber das interessiert niemand. Merkt denn keiner von ihnen, dass hier eine soziale Zeitbombe tickt?
„Du Scheißkommunist“ sagte der Größte und Stärkste aus der Hetzrunde.
„Geh doch in die DDR, wenn’s dir hier nicht gefällt.“
„Ich bin kein Kommunist“ sagte Langenau. „ Und ich sage ihnen noch einmal: Hören Sie auf mit dieser Hetze. Lassen Sie die Türken in Frieden. Drei sitzen im Lokal, das sind meine Gäste. Ich lasse meine Gäste nicht beleidigen.“
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Langenau drehte das Flugplatt um und las laut: „Gegen Ausbeutung und Klassenkampf, für Volksgemeinschaft! Volkssozialistischer Bewegung Deutschlands“. „Na also, sind die Nazis wieder da!“
Nun seien Sie mal gemütlich“ sagte der große Starke. „ Erzähl ich ihnen auch noch einen Witz: Was ist der Unterschied zwischen Juden und Türken?------Die Juden haben es schon hinter sich“.
Brüllendes Gelächter.
Langenau stand reglos.
„Findest Du nicht komisch?“ frage der Kleine.
„Nein“, sagte Langenau, „gar nicht“.
„Na ja wenn es denn also sein muss“, sagte der große Starke, stand auf und schlug Langenau die Faust ins Gesicht. Danach ging es los, aber mächtig.
2007-02-12
23:24:30
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Anonymous
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Sozialwissenschaft
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