Das Zweite Vatikanische Konzil (Vaticanum II), welches von der katholischen Kirche als das 21. Ãkumenische Konzil angesehen wird, fand vom 11. Oktober 1962 bis zum 8. Dezember 1965 statt. Es wurde von Papst Johannes XXIII. mit dem Auftrag zu pastoralem und ökumenischem Denken einberufen. Der Papst wies ausdrücklich darauf hin, dass eine Aktualisierung dogmatischer Sätze im Sinne ihrer Orientierung auf das Verständnis des gegenwärtigen Zeitalters möglich und notwendig sei. Nach dem Tod von Papst Johannes XXIII. im Jahr 1963 wurde das Konzil durch Papst Paul VI. fortgesetzt und beendet.
Es plädierte für Religionsfreiheit und verstärkten Dialog mit Andersgläubigen. Binnenkirchlich trat in den Folgejahren eine in diesem Ausmaà nicht vermutete nachkonziliare Krise auf, deren Ursachen und Folgen sich einer sachgemäÃen Beurteilung derzeit noch entziehen. Mancher Konzilstheologe räumt ein, dass man in Rom das Ausmaà der Krise vor dem Konzil zu optimistisch eingeschätzt hat. Selbst konservative Theologen räumen ein, dass das kirchliche Lehramt mehr und mehr als "Stimme ohne Tragweite" erschien (Jean d'Hospital).
Einberufung [Bearbeiten]Der Gedanke eines neuen Konzils geht nach Angaben Johannes XXIII. auf eine Unterhaltung mit Kardinal Alfredo Ottaviani zurück, die am zweiten Tag des Konklaves geführt wurde, das ihn zum Papst wählte. Pius XII. soll bereits gegenüber Riccardo Lombardi angedeutet haben, dass er damit rechne, dass sein Nachfolger ein Konzil einberufe. Die Päpste Pius XI. und Pius XII. hatten beide jeweils die Fortführung des I. Vatikanum prüfen lassen. Papst Johannes plante von Anfang an ein Konzil, das die Kirche der Gegenwart anpassen sollte. Dies beschrieb Johannes XXIII. als „Aggiornamento“ (Heutigwerden). Am 25. Januar 1959 gab der Papst vor 17 Kardinälen im Kapitelsaal der Patriarchalbasilika St. Paul vor den Mauern dann plötzlich bekannt, dass er ein Konzil für die Weltkirche einzuberufen beabsichtige, dessen Ziel die „Erneuerung“, „gröÃere Klarheit im Denken“ und „Stärkung des Bandes der Einheit“ sein solle.
Die Nachricht der Einberufung des Konzils wurde weltweit mit groÃer Aufmerksamkeit und sogar Enthusiasmus entgegen genommen. Nicht begeistert von den Plänen bzw. der inhaltlichen Vorgabe war dagegen ein Teil der Kurienkardinäle. Diese befürchteten eine Aushöhlung der kirchlichen Lehre durch die Anpassung an den gerade herrschenden Zeitgeist. Die kuriale Opposition versuchte deswegen, auf die Pläne und Inhalte des Konzils gröÃtmöglichen Einfluss zu nehmen. Da Johannes XXIII. bereits 77 Jahre alt war, spielten sie vor allem auf Zeit.
Vorbereitung [Bearbeiten]Für die Vorbereitung des Konzils wurden mehrere Vorbereitungskommissionen gegründet, deren wichtigster – der 800 Köpfe starken Ersten Vorbereitungskommission – der Kardinalstaatssekretär Domenico Tardini vorstand. Diese Kommission befragte in päpstlichem Auftrag weltweit 3500 Bischöfe, Prälate, Ordensobere und Professoren an katholischen Universitäten. Auch diese Vorbereitungskommission stand den Konzilsplänen des Papstes oppositionell gegenüber.
Der Papst konnte daher seine eigenen Anliegen, vor allem die Ãkumene, nur unter Widerständen in die Vorbereitungen einbringen. Doch über die Inhalte, die das Konzil haben sollte, hatte sich längst ein weltweiter Dialog entwickelt. Der aus der Schweiz stammende und in Tübingen lehrende Theologe Hans Küng forderte in seinem Buch "Konzil und Wiedervereinigung" wirkliche Bemühungen in Richtung Ãkumene, eine Reform der Kurie, einen interreligiösen Dialog und die Abschaffung des Index Librorum Prohibitorum. Um die Macht der Kurie bei der Vorbereitung zu brechen, richtete der Papst das „Sekretariat für die Förderung der Einheit der Christen“ ein, zu dessen Leiter er Augustin Kardinal Bea ernannte. Dieses Sekretariat, und nicht die von der Kurie beeinflussten Kommissionen war fortan für die Ãkumenefragen zuständig. Dieses Vorgehen wurde von anderen christlichen Gemeinschaften begrüÃt.
Im Sommer 1961 traten die Vorbereitungen in ihre Schlussphase. Geklärt werden musste vor allem noch der organisatorische Ablauf und wer eingeladen werden sollte. Fest stand bis dahin nur, dass die Sprache des Konzils Latein sein sollte. Im Frühjahr 1962 lagen 69 Entwürfe zu den unterschiedlichsten Themen vor. Nur die Liturgiekommission präsentierte ein konkretes Konzept, die anderen Vorschläge liefen vor allem darauf hinaus, dass das Konzil mehr bewahren als erneuern sollte. Diese Richtung aber wollten die Vertreter der Ortskirchen nicht einschlagen, was erstmals zeigte, dass die Kurie gegenüber den Bischöfen an Einfluss verloren hatte.
Johannes XXIII. verzichtete darauf, zu den Vorschlägen der 69 Entwürfe konkret Stellung zu nehmen. Auch gab er nicht vor, was der Schwerpunkt des Konzils sein sollte. Er wollte ein freies und selbstständiges Konzil ohne Tabufragen, das eine Eigendynamik entwickeln und so zu seinem Ziel, einem „neuen Pfingsten“ für die Kirche führen sollte.
Eröffnung [Bearbeiten]Das Konzil begann am 11. Oktober 1962. In einer groÃen Prozession zogen die 2498 Konzilsväter in den Petersdom in der Vatikanstadt ein. Bischöfe aus 133 Ländern waren anwesend. Das Innere des Petersdoms selbst war zu einer gigantischen Konzilsaula umgebaut worden. Im Mittelschiff fanden sich auf beiden Seiten 90 Meter lange, ansteigende Tribünen, von denen aus debattiert wurde.
Verlauf [Bearbeiten]
Erste Sitzungsperiode [Bearbeiten]Schon die ersten Sitzungen – genannt allgemeine Kongregationen – deuteten darauf hin, dass es zu einer Auseinandersetzung zwischen den „Erneuerern“ und „Bewahrern“ kommen musste. Die Kurie wollte das Konzil bestimmen und versuchte, auf Besetzung der wichtigsten Positionen und auf die Tagesordnung Einfluss zu nehmen. Erste Nagelprobe war dabei die Besetzung der zehn Konzilskommissionen am 13. Oktober 1962. Diese sollten aus je 24 Mitgliedern bestehen, wobei 16 von den Konzilsvätern gewählt werden sollten, die restlichen wurden durch den Papst ernannt. Die Liste, die jedoch von der Vorbereitungskommission ausgearbeitet wurde, enthielt vor allem Kandidaten, die der Kurie entstammten oder ihr nahe standen. Die anwesenden Bischöfe verlangten daraufhin, die Mitglieder der Kommissionen selbst bestimmen zu können und beantragten eine Vertagung, um sich genauer mit den Kandidaten auf der Liste befassen zu können. Als versucht wurde, dies zu ignorieren, nahmen sich die Kardinäle Achille Liénart und Joseph Frings das Wort und setzten namens der Konzilsväter ihre Vorstellungen durch. Die Wahl wurde vertagt. Diese Sitzung wurde später als der eigentliche Aufbruch des Konzils bezeichnet, da deutlich wurde, dass sich die anwesenden Bischöfe als das Konzil verstanden und sich nicht den Vorschlägen der damals noch mächtigen Kurie fügen wollten.
Nach der Vertagung wurden vor allem von deutschen und französischen Konzilsvätern neue Listen ausgearbeitet. Das Konzil erhielt die Eigendynamik, die Papst Johannes XXIII., bereits schwer krank, billigte. Die entstandene Dynamik war jedoch zunächst noch nicht auf ein klares Ziel ausgerichtet. Auch diese Bestimmung hatte der Papst dem Konzil überlassen, das hiermit jedoch zunächst überfordert war. Erst der Erzbischof von Mailand, Kardinal Giovanni Battista Montini, der spätere Papst Paul VI., schlug in einem elfseitigen Brief an den Papst die Konzeption der doppelten Thematik der Kirche ad intra und ad extra vor. Er plädierte nach auÃen für eine Ausweitung des vom Papst selbst initiierten ökumenischen Dialogs, nach innen für eine Befassung mit dem Wesen der Kirche und ihrer Reform sowie die Einteilung des Konzils in drei Sitzungsperioden. Das Konzil nahm die, bereits von Kardinal Suenens vorformulierten, Gedanken mit groÃer Zustimmung an, was für das von Ottaviani vertretene Hl. Offizium einen ersten Machtverlust bedeutete. Die Richtung des Konzils war damit vorgegeben. Am 8. Dezember 1962 endete die erste Sitzungsperiode.
Zweite Sitzungsperiode [Bearbeiten]Die zweite Sitzungsperiode wurde am 29. September 1963 von Papst Paul VI. eröffnet. Dieser war am 21. Juni desselben Jahres zum Nachfolger Johannes' XXIII. gewählt worden. Die Sitzungsperiode sollte zu den ersten Dokumenten, und damit zu den ersten greifbaren Ergebnissen führen. Sie war dabei weiter vom Gegensatz zwischen konservativen und progressiven Kräften bestimmt. Das Konzil diskutierte unter anderem, welche Rolle den Bischöfen in Zukunft zukommen sollte. Progressive Kräfte befürworteten eine gröÃere Gemeinschaft an Stelle eines Unterordnungsverhältnis gegenüber dem Primat des Papstes, welcher ebenfalls nur Bischof ist. Diesen Gedanken der Gemeinschaftlichkeit versuchten die konservativen Kräfte zu unterbinden. Am 8. November 1963 kam es daher zu einer historisch gewordenen Protestrede. Der Kölner Kardinal Joseph Frings – eine der prägendsten Figuren des Konzils – protestierte gegen eine Kampagne konservativer Kräfte und wandte sich schlieÃlich gegen die Institution des Hl. Offiziums und seines Sekretärs, Kardinal Ottaviani. Das Offizium, so Frings, verkörpere Methoden und lege ein Verhalten an den Tag, welches nicht der geistigen Pluralität heutigen Zeit entsprechen könne. Assistiert von seinem Peritus, dem jungen Theologieprofessor Joseph Ratzinger, sprach sich Frings für eine Reform des Offiziums aus, die von Paul VI. bereits 1965 durchgeführt wurde. Erster Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, so der neue Name des reformierten Hl. Offiziums, wurde Kardinal Ottaviani (bis 1968).
Einige Tage später sollte das Dekret zur Religionsfreiheit verabschiedet werden. Darin enthalten war eine Abkehr vom alten Anspruch der katholischen Staatslehre vorgesehen, dass der Kirche als Vertreterin der wahren Religion der Vorrang vor dem Irrtum auch im gesellschaftlichen Zusammenleben einzuräumen sei. Trotz einer Mehrheit, die sich für eine Abstimmung über das Dekret aussprach, entsprach der Papst dem Wunsch der Konservativen, die um eine Vertagung gebeten hatten. Erst 1965 wurde diese Korrektur im Dokument Dignitatis humanae beschlossen.
Zwei Dokumente konnten allerdings verabschiedet werden. Am 4. Dezember 1963 beschloss das Konzil Sacrosanctum Concilium, die Konstitution über die Liturgie. Auf seiner Grundlage sollte später die Liturgie reformiert werden. Mit diesem Beschluss und der Verabschiedung von Inter mirifica am 4. Dezember 1963 endete die zweite Sitzungsperiode.
Dritte und vierte Sitzungsperiode [Bearbeiten]Nachdem klar geworden war, dass die konservativen Kräfte der Kurie auf dem Konzil nicht nur in der Minderheit waren, sondern auch ihren Einfluss nur noch partiell geltend machen konnten, wurden die Dokumente der dritten und vierten Sitzungsperiode, obgleich von den Bewahrern weiter heftig kritisiert, geräuschloser verabschiedet als in der vorangegangenen zweiten Sitzungsperiode. Zu gravierenden Konflikten kam es jedoch noch im Vorfeld der Verabschiedung von Lumen Gentium am 21. November 1964, als der Papst mit Rücksicht auf die konservative Minderheit die Beifügung einer erläuternden Vorbemerkung zur Interpretation des Begriffs Kollegium (der Bischöfe) zugunsten des päpstlichen Primats verfügte.
Die Integration der Minderheit wurde zu seinem wichtigsten Anliegen, die auch zu päpstlichen Korrekturen des Ãkumenedokuments und der Erklärung zur Religionsfreiheit führte. Wichtigste Dokumente waren neben Lumen Gentium über die Kirche, Dei Verbum über die Göttliche Offenbarung, Nostra Aetate zu den nichtchristlichen Religionen und Dignitatis humanae über die Religionsfreiheit. Die pastorale Konstitution Gaudium et Spes weitet den kirchlichen Weltauftrag aus. Die vierte Sitzungsperiode wurde aufgrund des Willens der Mehrheit der Konzilsteilnehmer durch den Papst anberaumt, um einen sinnvollen Abschluss des Konzils zu ermöglichen, als sich während der dritten Periode die groÃe Zeitknappheit abzeichnete.
Das Konzil schloss am 8. Dezember 1965 mit besonderen Botschaften an die Welt, u.a. an die Regierenden, die Arbeiter, die Intellektuellen, die Frauen und die Jugend. Noch während das Konzil tagte, hatte sich seine Dynamik in eine Eigendynamik des Klerus und der Theologie vor Ort übertragen, die um 1968 in eine offene Autoritätskrise ausbrach (vgl. Humanae Vitae).
Anne
2007-02-12 09:11:15
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