KATZELMACHER Indignatio facit versum. Entrüstung über den Feind dränkt zum Reime, wofür schon Abraham a Santa Clara ein Beispiel liefert, der sich im 17. Jahrhundert ereiferte: "den Feind schlagen, die Türken jagen, die Mohammedaner zwagen (zwagen = die Wäsche mit einem flachen Holze.schlagen), die Muselmanen plagen". Bei Beginn des Weltkrieges konnte man auf vielen Eisenbahnwagen, die Truppen beförderten, die Aufschrift lesen: „jeder Schuß ein Ruß, jeder Tritt ein Brit, jeder Stoß ein Franzos!" Als im Frühjahr 1915 auch Italien dem Habsburgerreich den Krieg erklärte, bekam jene Aufschrift eine Fortsetzung: „jeder Kracher ein Katzelmacher!" Wer in der vielzüngigen Donaumonarchie es bis dahin noch nicht wußte, erfuhr es jetzt, daß „Katzelmacher“ ein altes und verbreitetes deutsch-österreichisches Schimpfwort für alle Italiener ist. Man gebrauchte es hauptsächlich für herumziehende italienische Taglöhner, Musikanten, Hausierer. Vereinzelt ist diese Schelte, besonders für frühere Zeiten, auch außerhalb Österreichs im oberdeutschen Sprachgebiet bezeugt; z. B. in der Schweiz in der Form von Chätzlimacher. Es kommt auch bereits bei Hans Sachs vor.
Katzelmacher, wellischer Katzelmacher, hatte übrigens in Österreich nicht nur die Bedeutung Italiener, sondern wurde auch als verächtliche Bezeichnung für andere romanische Völker verwendet. Am 13.März 1741, als die Kaiserin Maria Theresia ihren ersten Sohn bekam, den späteren Kaiser Josef II., war an einem Hause ,,am Hof" ein Transparent angebracht, dessen gereimte Inschrift mit den Worten begann: „Du Katzelmacher, pack dich fort..." Es war eine Anspielung darauf, daß die Geburt eines männlichen Erben Österreich vor der Gefahr bewahren werde, es könnte eine fremde (romanische) Dynastie Anspruch auf den Thron erheben. Jedenfalls spricht der Wortlaut jenes Transparents dafür, daß die Bezeichnung ,,Katzelmacher" für:die „Welschen" um die Mitte des Jahrhunderts in Wien allgemein bekannt war. Etwa fünf Generationen später, 1873, bezeichnet Hügels Wörterbuch der Wiener Volkssprache den Ausdruck Katzelmacher als: veraltet, nur in der Umgebung noch gebräuchlich. l898 verzeichnet H. Schukowits im „Urquell" Katzelmacher besonders als Bezeichnung für die italienischen Taglöhner der k.k. Nordbahn.
Katzelmacher war. und ist tatsächlich eine verächtliche Bezeichnung, darüber kann kein Zweifel bestehen („man versteht die aufwallende Empörung der Romulusenkel über diesen wenig schmeichelhaften Ehrentitel", schrieb Prof. Knielly in der Grazer „Tagespost"), aber worin eigentlich der Schimpf besteht, darüber waren sich all diejenigen nicht sehr klar, die in den affektgeheizten Kriegstagen dieses Scheltwort im alltäglichen Gebrauch hatten. Gewöhnlich verknüpfte man damit mehr oder minder deutlich irgendwelche Vorstellungen in Bezug auf die Katze: die Italiener seien Katzendiebe, sie seien Liebhaber von Katzenbraten, sie benützten zu ihren Pelzen Katzenfelle, sie mißbrauchten Katzen geschlechtlich usw. Daß der Inhalt des Schimpfwortes vom Wortlaut beeinflußt wird, ist nicht zu vermeiden; der Wortforscher kann sich aber mit der Feststellung der oft spät hinzugekommenen Bedeutungsnuancen nicht begnügen, er muß versuchen, die wirkliche sprachliche Herkunft des Ausdrucks aufzudecken. Es liegen mehrere Etymologien für das Wort Katzelmacher vor, genauer gesprochen für den ersten Bestandteil dieser Zusammensetzung.
1) Vor allem erwähnen wir diejenigen, die glauben, dem sprachlichen Augenschein trauen zu dürfen und im ersten Teil des Ausdrucks wirklich die „Katze" sehen. Es wird eben der in das Schimpfwort offenbar nachträglich hineingelegte Sinn, der die Italiener des Katzen-essens (der Vorwurf des Katzenessens ist volkskundlich auch sonst belegt, und diese Schelte hat sogar einen Beitrag zur Familiennamenbildung geliefert. In der ungarischen Hauptstadt lebt seit vielen Generationen eine aus Graubünden oder dem Tessin eingewanderte Familie, in der das Kaminfegergewerbe erheblich ist. Ihr Familienname war Menegatta (Mangiagatta = friß'die Katz!) und ist mittlerweile zu „Katzenbeißer" verdeutscht worden. Im Wiener Adreßbuch 1937 finde ich den Namen Katzenbeißer 26mal vertreten.) beschuldigt, gleichzeitig auch als das entscheidende etymologische Moment ausgegeben. Andere schaffen derart eine Verbindung zwischen dem Begriff des Italieners und dem der Katze, daß sie auf die italienischen Händler von Ton- und Gipsfiguren (figurini) hinweisen, die vor dem Weltkriege in deutschen Ländern herumzogen. Diese hätten auch kleine Katzen-statuen verkauft. Aber doch bei weitem nicht soviel Katzen, als Dantes, Napoleons, Goethes. Warum sollten dann diese Gipsfiguren-händler und alle ihre Landsleute nach den Katzen benannt worden sein? (Da gibt es schon viel mehr Katzen unter den kleinen Kunstwerken der Kopenhagener Porzellanmanufaktur, ohne daß man die Dänen jemals als Katzelmacher bezeichnet hätte.). Auf die Deutung, die Italiener seien Katzelmacher, weil sie es „mit Katzen machten", d.h. Sodomiten seien, wollten wir weiter unten zurückkommen, wo wir die Abteilung von „Katzelmacher" aus „Ketzer“ erörtern werden.
2) Die Polenta, der beliebte Maisbrei der Italiener, wird im Italienischen auch cascia genannt;auch mit diesem letzteren Worte wollte man Katzelmacher in Verbindung bringen. (Allenfalls ist richtig, daß Spottwörter und Schimpfnamen, die von wirklichen oder angeblichen Lieblingsspeisen gewisser Völker hergenommen sind, verschiedentlich vorkommen; so werden im französischen Argot Engländer als,,biftecks" bezeichnet und wird in deutschen Liedern der jüngsten Zeit von Juden als dem „Volk der Knoblauchfresser“ gesungen.)
3) Für die im Wiener „Fremdenblatt" 1915 ausgesprochene Meinung von Prof. Hammer, Kaztel- sei eine Verballhornung von cacio= Käse, spricht einzig der Umstand ein wenig, daß man die Italiener an manchen ,Orten auch „Käsestecher" nennt. (Den damals von F. Polak erhobenen Einwand, in Österreich hausierende Italiener hätten zwar mit Käse gehandelt, ihn aber nicht selbst „gemacht", kann man jedenfalls nicht gelten lassen; volkswirtschaftliche Genauigkeit muß man von einem volkstümlichen Scheltwort nicht verlangen.)
4) Die Deutung von Katzelmacher als „Kotzenmacher" (Kotze = zottiges Tuch, grober Teppich) ist bloß ein Einfall und durch nichts zu stützen.
5) Etwas mehr hat für sich die Deutung, Katzelmacher sei eine Verderbung von Kesselmacher. Neben den wenigen seßhaften Kesslern, die zu den zünftigen und ehrbaren Handwerkern gehörten, gab es in nicht geringer Zahl herumziehender Kessler, wohl hauptsächlich nur Kesselflicker und Verkäufer von anderwärts verfertigten Waren, die außerhalb der Gewerbeordnung standen und eine eigene Verfassung hatten. Sie bildeten, wie das Schweizerische Idiotikon vermerkt, ein „Königreich" (wie etwa die fahrenden Musikanten, die „Pfeifer") und hatten in der Schweiz' einen Chessler-Chünig. Die Kessler hatten angesichts der unsteten Lebensweise natürlich einen zweifelhaften Ruf, und das Wort Kessler nahm einen entsprechenden Nebenbegriff an, so daß es fast gleichbedeutend wurde mit Landstreicher, Vagabund.
1531 nennt Heinrich Bullinger die „widertäufferisch Rott“ eine Kesslergesellschaft, in der Berner Bettlerordnung 1727 werden angeführt: „alles frömbde Bettel- und Strolchen-Gesindel, ausländische Korbmacher, Kessier und Spengler". Man sprach auch von Kesslerpack, Kesslerware. Jeremias Gotthelf gebrauchte Kesslerwesen im Sinne von: unstetes Wesen. Chessler hat in der Schweiz auch die Bedeutung: Schmeichler, charakterloser Kerl, ferner einer, der Stimmen zur Erlangung eines Amtes erkauft, daher Chessleri für Wahlumtriebe. Für den verächtlichen Gebrauch von Kessler, Kesselflicker, Kesselmacher dürfte auch maßgebend gewesen sein, daß dieses Gewerbe auch von herumziehenden Zigeunern ausgeübt wurde. Auch die slowakischen „Ratselbinder", die vor dem Krieg in Österreich herumzogen, erfreuten sich keines großen Ansehens. Wenn nun Kessler, Kesselmacher eine allgemeine verächtliche Bezeichnung für herumziehende fremdsprachige Händler und Arbeiter überhaupt war, so mag dies zu gewissen Zeiten und an gewissen Orten auch für italienische Arbeiter und Hausierer gegolten haben und es wäre grundsätzlich immerhin möglich, daß der Ausdruck „Kesselmacher" die Vorstufe von „Katzelmacher" war.
6) Das Wort Kessel (althochdeutsch kezzil) kommt von lateinisch catinus (Die Umwandlung von n zu l zeigen nach der Zusammenstellung von Kluge-Goetze außer catinus-Kessel auch: Esel, aus lateinisch astinus, Igel, zu griechisch echinos, Himmel, zu gotisch himins, Kümmel, aus semitisch kammun) = Napf, Schüssel, Wasserkessel der Handfeuerspritze. Dieses lateinische Wort hat außer „Kessel" noch einen zweiten Abkömmling, der für die Deutung von „Katzelmacher" herangezogen worden ist. Von lateinisch: catinus stammt nämlich auch italienisch: cazza (oder gazza, grödnerisch: tgiazza) = Rührlöffel. Auch das Schweizerische und das Bayrisch-Österreichische weisen zur selben Wurzel gehörige Löffelbezeichnung auf, und es muß dahingestellt bleiben, ob sie Entlehnungen aus dem Italienischen sind oder zu frühen und unmittelbaren Nachkömmlingen des Vulgärlateins in den alpenländischen Mundarten gehören. Der Gatzen und das Gätzi waren schweizerische und südösterreichische Bezeichnungen für metallene oder hölzerne Schöpfkellen. Vom frühen Vorkommen in Osterreich zeugt „Katzen" in einem Inventar von 1482 (O. v. Greyerz). Tirolische, kärntnerische und steirische Wörterbücher buchen den Ausdruck „die Gatz" oder „der Gatzen". Unger-Khull verzeichnet für Steiermark auch die Verkleinerung Gatzel, Gatzerl. In Tirol nennt man die Seihkelle zum Seihen von Flüssigkeiten, z.B. der Milch, Seichgatzl. Nun haben die italienischen Hausierer, die in Österreich, vor allem natürlich im benachbarten Tirol, mit allerlei billigen Waren herumzogen, unter anderem auch Schöpfkellen und hölzerne Löffel verkauft, und mag von ihnen angenommen haben, daß sie solche primitive Küchengeräte, „Gatzen", selbst anfertigen. Die Bezeichnung Katzelmacher sei also zunächst gar kein Schimpfwort gewesen, sondern eine sachliche Feststellung des Gewerbes der italienischen Holzlöffelmacher und -verkäufer, das Wort habe nur einen verächtlichen Charakter bekommen, weil eben die herumziehenden Löffelverfertiger, die „Löffel", als ebenso verächtlich galten, wie die unzünftigen Kessler, Spengler und alles fahrende Volk. Der stärkste Einwand gegen die Deutung von Katzelmacher als Gatzl(cazza-, Löffel-) macher ist, daß der Ausdruck Katzelmacher bereits zu einer Zeit bestand, als noch keine italienischen Hausierer und Handwerker durch die deutschen Lande zogen.
7) Einer weiteren Etymologie von Katzelmacher liegt eine Vokabel des italienischen erotischen Wortschatzes zugrunde: cazzo - männliches Glied. Aus dem Worte cazzo ist bereits vor vier Jahrhunderten ein deutscher Ausdruck gebildet worden und zwar einer, der - nach dem Grundsatze pars pro toto - zur Bezeichnung eines Menschentypus diente. Der Leipziger Michael Lindner hat 1558 eine derbe, besonders auch in eroticis sich wenig Zurückhaltung auferlegende Schwanksammlung unter dem Titel „Katzipori" veröffentlicht, (darinn newe Mugken, seltsame Grillen, unerhörte Tauben, visirliche Zotten verfaßt und begriffen sind"). Der öfters vorkommende Ausdruck Katzipori - Lindner gebraucht diese Form sowohl als Einzahl als auch als Mehrzahl - kommt anscheinend von italienisch: cazzo = Penis und bedeutet nach E. Trauschke dort etwa: geiler, auf derbe Liebsabendteuer erpichter Geselle, vielleicht auch schlechthin „Kindermacher".
Zu „Katzelmacher" soll des italienische Wort cazzo auf dem Wege seiner Rolle als Fluchwort führen. Daß der Italiener den Ausruf cazzo für jede Gelegenheit bereit halte, ohne sich um den obszönen Wortsinn zu kümmern, wußte man auch außerhalb Italien. In Blumauers Äneis-Travestie (1788) lautet eine Stelle: „Er sperrte Maul und Augen auf und rief zu allem: cazzo.“ Unter anderem soll auch Benedikt XlV., der um die Mitte des 18.Jahrhunderts auf St.Petri Stuhl thronte, den Ausruf cazzo ständig im Munde geführt haben. Als ein Höfling ihn an die Schmutzigkeit des Wortes zu errinnern wagte, soll er erwidert haben: ,,Cazzo, cazzo! Ich werde es so oft sagen, bis es nicht mehr schmutzig ist, cazzo! „Mirabeau erzählt die Anekdote von den Studenten in Padua, die einmal mitten in der Nacht einen Professor weckten und in den Vorlesungssaal holten, damit er über die richtige Schreibweise eines Wortes entscheide, das zu den allerhäufigsten im italienischen Sprachgebrauch gehörte. Als sich nun der Gelehrte im vollen Ornat die Streitfragevorlegen ließ, stellte sich heraus:es war die Frage, ob man cazzo mit einem oder mit zwei z zu schreiben habe.
Der Ausruf cazzo hat nicht nur den Charakter eines Fluches, sondern ist auch der Ausdruck der Überraschung, der Ungedult, der Ablehnung, paßt sich überhaupt der Gesprächslage in ebenso schmiegsamer Weise an, wie etwa im Bayrisch-Österreichischen das Götz-Zitat. Der Ausruf cazzo wird auch häufig als Schmähruf verwendet, z.B. gegen einen Dummkopf. Besonders ist auch in jenen italienischen Gebieten, die mit dem Deutschtum nachbarlich in Berührung kommen, der Gebrauch von cazzo gang und gäbe. So ist im teilweise gemischtsprachigen Friaul „cazz!“ ein verbreiteter Ausruf im Sinne etwa von „Potztausend". (Der italienische Ausruf cazzo hat auch im englischen Slang Eingang gefunden; z. B. heißt es einmal bei Dickens (im Oliver Twist, 1838): Gadso! said the undertaker". Der Ausruf erscheint im Englischen auch zu gadzooks verderbt. Farmer-Henleys großes Slangwörterbuch (1893) spricht von einem Überbleibsel des Phallizimus in gewissen volkstümlichen Flüchen und Ausrufen, besonders bei den romanischen Völkern und verweist auf spanisch: carajo (eigentlich: Penis) und cojones (eigentlich:Hoden) und auf italienisch: cazzo.)
Daß Katzelmacher vom italienischen Sexualwort cazzo, bzw. von dessen fluchartigen Verwendungen kommt, wird von Schmeller, Lexer und Unger-Khull vertreten. Mit dem Ausdruck Kaztelmacher habe man die Angehörigen des italienischen Volkes bezeichnet, weil man sie an dem häufigen und typischen Ausruf cazzo erkannte. (Osterreichische Teilnehmer am italienischen Feldzug 1859 erzählten, es sei unter den Soldaten der Glaube verbreitet, die Italiener pflegten ihre Gefangenen zu kastrieren und ihnen das abgeschnittene Glied in den Mund zu stecken; die Italiener nannten dieses Verfahren „fare il cazzo",den Cazzo machen, und daher rühre das Schimpfwort Katzelmacher. Daß unter den österreichischen Soldaten Gerücht. .e von solchen Grausamkeiten verbreitet sein mochten, und daß solche Gerüchte zu jener. Deutung des Schimpfwortes Katzelmacher führen mochten, soll nicht bezweifelt werden. Daß es jedoch nicht richtige Etymologie ist, geht schon daraus hervor, daß das Schimpfwort viel älter ist.) Der Ausdruck Katzelmacher gehörte also nach dieser Deutung zu jenen Spitznamen für einzelne Menschen, Menschentypen oder ganze Völker, die nach einem Lieblingsausdruck oder einem Lieblingsfluch gebildet .sind, wie z.B. franzäsisch: le goddam für Engländer, spanisch: didones (von dis-donc) für Franzosen usw.
8) Als letzte behandeln wir jene Deutung von Katzelmacher, die das Wort von Ketzer (Abtrünniger des richtigen Kirchenglaubens) ab-leitet. Diese Deutung hängt mit einer Epoche der Religionsgeschichte zusammen. Seit Ende des 10. Jahrhunderts kommen von der Balkanhalbinsel verschiedene ketzerische Richtungen herüber, die besonders in Norditalien, in der Schweiz und in Südfrankreich Boden fassen, und deren Anhänger unter verschiedenen Namen - Katharer, Gazari, Manichäer, Albigenser usw. - bekannt waren. Die Häresie - ihre wichtigste religiöse These war dualistisch: Gott als Herr des Himmels, der Teufel als Schöpfer und Herr der Erde - verbreitete sich rasch in allen Ständen der Bevölkerung und gelangte im 12.Jahrhundert zu großer Bedeutung. Die erhielt sich bis an den Anfang des i4.Jahrhunderts, nachdem sie bereits eine derartige Ausdehnung erreicht hatte, daß zu ihrer Bekämpfung besonders Kriege (Albigenserkreuzzüge) geführt werden mußten. Die endgültige Ausrottung besorgte die Inquisition.
Dem Kampf mit Feuer und Schwert ging, wie es gewöhnlich der Fall ist, auch einer mit geistigen Waffen voraus. Die Kirche ließ über die Irrgläubigen verbreiten, daß sie Unzuchtorgien feierten, bei denen sie den Teufel in Gestalt eines Bockes oder einer Katze anbeteten. Knielly weist darauf hin, daß in alten bildlichen Darstellungen Ketzer und Hexen einer Katze huldigend den Hintern küssen. Auf Grund solcher Vorstellungen mengte sich schon im 12.Jahrhundert der lateinische Ausdruck catarus (Katharer, (Ungerechtfertigterwe isa hat man übrigens die Bezeichnung Katharer auch mit der dalmatinischen Stadt Cattaro in Verbindung gebracht; man nannte die Sektierer daher auch Cattarener) von griechisch:katharos = rein). (Ein anderes Beispiel aus der Religionsgeschichte, wo die Anhänger einer Sekte sich als die „Reinen" bezeichnen, liefern die englischen Puritaner(zu lateinisch: purus,rein) .) mit lateinisch:catus = Kater. (Nicht nur mit griechisch: katharos = rein berührt sich mit der Name der männlichen Hauskatze zufällig, sondern auch mit griechisch: katharrhus = Herabfluß (deutsch: Katarrh), woher daher wohl Kater = Katzenjammer kommt.) Unter Verkennung der Abstammung aus griechisch: katharos und mit bewußt wortwitziger Etymologie, wie sie zu polemischen Zwecken stets beliebt war, schrieb z.B. Alanus in seiner Schrift „Contra Waldenses": „catari dicuntur a cato, quia osculantur anum cati, in cuius specie, ut dicunt, apparet eis Lucifer", sie heißen Katharer nach dem Kater, weil sie den Hintern des Katers küssen, in dessen Gestalt, wie sie sagen, Lucifer ihnen erscheint. In einer lateinischen Predigt des 14.Jahrhunderts heißt es ähnlichen Sinnes: „unde bene chetzer dicitur (haereticus), quod sicut cattus multos inficit, postquam buffonem in occulto lingit". Und schon im 13. Jahrhundert bringt der Franziskaner Berthold von Regensburg den Namen der „Ketzer" mit der „Katze" in Verbindung.
Nach Ausrottung der Katharer verblieb das Schimpfwort Ketzer weiter im deutschen Sprachgebrauch, besonders bei den südlichen Sprachstämmen, u. zw. einerseits als Schelte für Italiener (weil doch die alte Häresie bei ihnen verbreitet gewesen war) andererseits als allgemeines Scheltwort. Elsässische Kraftausdrücke sind z. B. :du dummer Ketzer, Ketzerbu, Ketzerwetter, e ketzeri Kälte. Schweizerisch: fuler Chetzer, wüester Chetzer usw. Aus dem Bernischen ist verzeichnet worden: er louggnet (leugnet) wie ne Chätzer, es Chätzerli (Rausch, Räuschlein). Dabei ist die sodomitische Komponente auch nach dem Verschwinden der Katharer nicht ganz verblaßt. Die religiösen Gegensätze während der Reformation haben vielmehr dazu beigetragen, daß Andersgläubige wieder den Vorwurf der widernatürlichen Wollust zu hören bekamen. Bei Johannes Fischart taucht das Schimpfwort Katzenhinternlecker auf. Die protestantischen Berner wurden verdächtigt, sich in ihren religiösen Zeremonien an Katzen zu versündigen und wurden daher von ihren katholischen Nachbarn „Katzenküsser" geschimpft, und ein langwieriger Grenzkrieg mit den Unterwaldnern, in den Bern verwickelt wurde, soll auch diese Schmähung zur Ursache gehabt, haben.
Im Schimpfwort Ketzer, selbst wenn es nur eine Umgestaltung von katharoi, die Reinen, bzw. der damals in der Po-Ebene verbreiteten italienischen Form gazari sein sollte, klang also der Vorwurf des Katzenhinternküssens mit, und Ketzer, demnach auch ein abgekürzter Ausdruck jenes Vorwurfs der Sodomie sein. Und wenn später aus Ketzer Katzelmacher geworden ist, so hat sich nur der in jenem kurzen Schimpfwort latent gebliebene abszöne Vorwurf wieder einen deutlichen sprachlichen Ausdruck verschafft. Warum dabei aus Ketzer gerade Katzelmacher geworden sei, bliebe noch ungeklärt. Mitgewirkt hat dabei vielleicht der seit dem 15.Jahrhundert gebrauchte Ausdruck „Ketzermacher" = ein Mensch, der andere zu Ketzern machen will, verleumdet oder heimtückisch betrügt.
Jedenfalls ist zu beachten, dass - auch wenn angenommen wird, daß „Katzelmacher" tatsächlich von Ketzer kommt - die eigentlich Etymologie von Katzelmacher noch nicht am Ende ist, denn auch für das ,Wort „Ketzer“ selbst stehen drei verschiedene Ableitungen zur Wahl:
a) die schon erwähnte vorn Namen der Katzarersekte, also mittelbar aus griechisch: katharos = rein, wobei sich demnach die Bedeutung aus der Vorstellung der Reinheit grade zur verruchten Unreinheit und Unkeuschheit verkehrt hätte, (Mit den Sekten der Katharer, Albigenser und Waldenser hangt auch ein verbreitetes französisches Schimpfwort zusammen: bougre = Schuft, verworfener Kerl kommt vom Namen der Bulgaren, weil die Sekte der Bogomilen in Bulgarien verbreitet war, bzw. weil die Bulgaren' schon als Angehörige der onentalischen Kirche als Ketzer galten. Unmittelbar scheint das französische Schimpfwort auf italienisch: buggerone, bgiarone = Sodomit (aus lateinisch: bulgarus = Bulgare) zurückzugehen; das italienische Zeitwort buggerare bedeutet:: widernatürliche Unzucht treiben, schänden; in übertragenen .Sinne: betrügen. Daher auch im Deutschen: Buserant = Homosexueller. Wir sehen also auch im Falle Bulgare-bougre, wie beim deutschen Schimpfwort Ketzer, die Vorstellungen: Irrglaübiger und Tierschänder ineinanderfließen.)
b) die Ableitung von Katze, (Die Verknüpfung der Vorstellung Ketzer und Katze ist auch selbst mehrfach begründet. Zunächst bezieht sie sich auf die angeblichen unsittlichen Vorgänge bei den Irrgläubigen. Wobei auch zu bemerken ist, daß die Italiener überhaupt für die benachbarten Deutschen Jahrhunderte hindurch als Träger der unnatürlichen Wollust galten. Geiler von Kaisersberg (1445 - 1510), der gegen die Kuh-,Buben-und Frauenketzer wettert, nennt die perversen Ausschreitungen an Tieren, besonders an Ziegen und Katzen: „der Walen (Welschen) Kezerey". Eine andere Bedeutungsbrücke zwischen den Vorstellungen Ketzer und Katze ist die nächtliche Betätigung. Zwei gelehrte Jesuiten, Jakob Grether und Gottfried Henschen, vertraten die Meinung, man habe die Irrgläubigen „Kater" genannt, weil sie, wie der Kater, ihre Versammlungen bei Nacht abhalten. Und endlich ist auch der Umstand, daß die Katze als falsch und heimtückisch gilt, für die Verbindung Katze-Ketzer förderlich, zumal da die Italiener, die dem süddeutschen Volke als Träger religiösen Irrglaubens bekannt waren, außerdem auch als besonders falsch galten („ein Wälscher ist ein Verfälscher").) so daß „Ketzer“ eigentlich „Katzer" heißen sollte, hätte die alemannische Form Chätzer nicht zu schriftsprachlich Ketzer geführt;
c) die von Collitz und Kluge-Götz vertretene Auffassung, die Ketzer (und seine älteren Nebenformen Kötzer, Quetser) auf das Zeitwort quetschen (zu lateinisch: quatere = schütteln, stoßen, zerschmettern) zurückführt, dessen alter Sinn verletzen, zertrümmern, schädigen ist, so daß Ketzer die eigentliche Bedeutung Schädiger, Schänder hätte.
Rückblickend auf all diese Deutungen von Katzelmacher sehen wir also, daß man den Ausdruck ableitet: von Katze, und zwar unmittelbar (1) oder über Ketzer (8b) oder von cascia = Maisbrei (2) oder von cacio = Käse (3) oder von Kotze = Teppich (4) oder von Kessel (5) oder von cazza = Rührlöffel (6) oder von cazzo = penis (7) oder von katharos = rein über Ketzer (8a) oder von quetschen über Ketzer (8c).
Es darf angenommen werden, daß in gewissen Sinne mehrere Quellen bei der Entstehung der Schelte ,,Katzelmacher" zusammenflossen, daß bedeutungsgeschichtliche Quereinflüsse auf die Wortform eingewirkt haben, daß also ein Fall von etymologischer Überdeterminierung vorliegt.
Anne
2007-01-04 01:11:12
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