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und wenn ja wie???
wo kann ich im internet suchen, denn ich find da leider nichts...
muss einen vortrag halten über vererbung, und das musische talent...ob das wirklich geht wenn ja wie ....
zum beispiel die bachfamilie...fast alle haben da ein instrument gespielt und das nich gerade schlecht!!!ist das echt nur fleißarbeit oder genie/talent...

2006-11-22 03:22:01 · 9 antworten · gefragt von helena_romance 2 in Wissenschaft & Mathematik Biologie

9 antworten

Bei der Famiile Bach könnte man das meinen (Stammbäume gibt es ja in einigen verschiedenen Bachbiographien). Allerdings dürfte bei dieser Familie auch die Erziehung auch eine große Rolle gespielt haben. Die Kids haben schon von klein auf mit Musik zu tun gehabt. Das ist eine etwas andere Vorbildung als bei Kindern mit nicht-musikalischen Eltern. Es gibt aber auch eine ganze Reihe von Musikern und Komponisten, die nicht aus einem musikalisch geprägten Umfeld stammen.

Ich würde dir das Hörbuch "Mozarts Geistesblitze" empfehlen. Es ist von Manfred Spitzer. Darin geht es unter anderem um die Frage, wie musikalische Genies "entstehen".

2006-11-22 03:39:30 · answer #1 · answered by Dasyl :D 5 · 0 0

ja, es ist vererbbar sagen die hirnforscher
wie du hier nachlesen kannst.

( http://www.zeit.de/2002/48/Lernen_Aufmacher )

Hirnforscher beweisen: Erkenntnis macht Lust, Lernen ist sexy. Nur in der Schule ist die Neurodidaktik noch nicht angekommen

Von Ulrich Schnabel


© Niels Schröder
Lernen ist wie Sex. Sagt die Hirnforschung. Aber das glaubt natürlich keiner. Lernen gilt als saure Pflicht, öde und nervtötend. Dabei könnte nichts weiter von der Wirklichkeit entfernt sein: Erstens ist der Trieb nach Erkenntnis mit dem Sexualtrieb durchaus vergleichbar, woraus zweitens folgt, dass Lernen sexy ist, was drittens erklärt, warum unser Gehirn nichts lieber tut als eben das: lernen.

Aber die Pisa-Studie, der Schulfrust, die Bildungsmisere? Kommen später. Zunächst einmal zeichnet sich Homo sapiens vor allen anderen Spezies durch eine besondere Fähigkeit aus: seine fast unendliche Lernfähigkeit. Erst der Drang, immer Neues zu entdecken, zu verstehen und aus Fehlern zu lernen, verhalf unserer Gattung zu ihrem evolutionären Siegeszug auf diesem Planeten.

Den entscheidenden Kick, glaubt der emeritierte Tübinger Hirnforscher Valentin Braitenberg, habe dem Menschen das Glücksgefühl seiner „Aha-Erlebnisse“ gegeben. Zusätzlich zu den natürlichen Trieben wie Essen oder Fortpflanzung habe die Natur den Homo sapiens mit einem „Kapiertrieb“ ausgestattet, der uns Lust daran empfinden lässt, Einzelheiten zu einem Ganzen zu fügen und neue Verknüpfungen zu erkennen – sei es die Pointe eines Witzes oder die Erkenntnis eines mathematischen Theorems.

Braitenberg ist überzeugt, dass „beim Menschen, und nur bei ihm, die Verknüpfung der Vorstellungen zu Gedankenketten oftmals auf das eine Ziel hin gerichtet ist, diese Hirnlust zu erleben“. Dass dieser Trieb so stark ist, erklärt der Hirnforscher so: Offenbar ist in der grauen Vorgeschichte der Menschheit eine Art Kurzschluss im Hirn entstanden, irgendwo zwischen einem Kontrollorgan, das Gehirninhalte ordnet, und einem Zentrum, in dem Schlüsselreize eines animalischen Triebs angesiedelt sind. „Die Vermutung liegt nahe“, sagt Braitenberg, „dass es sich dabei um das Sexualzentrum handelt.“

Klingt gewagt? Weil Sex nur Lust erzeugt und Lernen vor allem anstrengend ist? Weit gefehlt. „Auch sexuelle Aktivität ist anstrengend“, gibt der amerikanische Hirnforscher John Gottman zu bedenken. Aber da beide Tätigkeiten wichtig für den Fortbestand unserer Gattung seien, würden sowohl beim Sex als auch beim (erfolgreichen) Lernen Botenstoffe im Gehirn ausgeschüttet, die das körpereigene Belohnungszentrum anregten. „Eine neue Stadt zu entdecken, eine neue Sprache zu lernen, das löst ein ähnliches Gefühl aus wie die Einnahme von Kokain“, schwärmt Gottmann.

In Deutschland verbreitet diese Botschaft derzeit vor allem der Lernforscher Henning Scheich, Direktor am Leibniz-Institut für Neurobiologie in Magdeburg. Er hat den „Glückseffekt“ beim Lernen direkt gemessen – wenn auch nur in Versuchen an Wüstenrennmäusen: Dabei setzt er den Käfigboden der Nager unter Strom und lässt kurz zuvor einen elektronischen Pieps ertönen. Bald haben alle Mäuse die Lektion gelernt: Wer beim Erklingen des Warntons in die Luft springt, entgeht dem unangenehmen Kitzelreiz. Und genau dieser Lernfortschritt (und nicht etwa das simple Abschalten des Elektroschocks), das zeigen Scheichs Untersuchungen, führt im Hirn der Mäuse zur Ausschüttung des Botenstoffs Dopamin. „Selbstständig eine Lösung zu finden bereitet ihnen offensichtlich ungeheure Lust“, sagt der Hirnforscher über seine Zöglinge.

Doch Henning Scheich bleibt bei der Maus nicht stehen. Der Neurobiologe ist überzeugt, dass die grundlegenden Lernmechanismen bei Nager und Mensch dieselben sind. Daher hat er aus seinen Ergebnissen bereits „biologische Thesen zum optimalen Lernen“ destilliert, die, so fordert er, künftig in der Pädagogik mehr Beachtung finden müssten. Wer von der Arbeitsweise des Gehirns nichts verstehe, hätte „keine Ahnung davon, wie Kinder am besten lernen“, meint Scheich.

Auch andere Neurobiologen haben mittlerweile die Lernforschung entdeckt und glauben, dass die Schulen ohne ihre Erkenntnisse künftig nicht mehr auskommen. Die Hirnforschung sei für das Lernen so wichtig „wie die Muskel- und Gelenkphysiologie für den Sport“, schreibt der Psychiater und Mediziner Manfred Spitzer in seinem soeben erschienenen Buch Lernen (Spektrum Verlag), das den Kenntnisstand zum Thema dokumentiert (siehe auch ZEIT-Literaturbeilage Nr. 47/02).

Schon kursiert der Begriff der Neurodidaktik, und mancher von der Pisa-Studie verunsicherte Bildungspolitiker mag gar glauben, darin so etwas wie ein Zaubermittel gegen die deutsche Bildungsmisere zu entdecken. Doch bei aller Faszination für die Neuroforschung: Erkenntnisse aus Ratten- und Mäuseversuchen sind nur bedingt auf den Schulalltag übertragbar. „Ganz gewiss lässt sich kein Schulsystem direkt aus der Gehirnforschung ableiten“, räumt Manfred Spitzer ein. Zudem hapert es in deutschen Klassenzimmern häufig an viel mehr als nur an den richtigen Kenntnissen in Neurobiologie – an verbindlichen Standards, den nötigen Mitteln und nicht zuletzt auch an der Professionalisierung der Lehrer (siehe dazu auch Chancen, Seite 76).

Darüber hinaus liefert die Hirnforschung, bei Licht betrachtet, oft nicht viel mehr als eine Bestätigung alter, längst bekannter pädagogischer Weisheiten: Dass Lernen mit Lust verknüpft ist und emotional gefärbte Erlebnisse besser als neutrale erinnert werden, erkannte schon vor über 300 Jahren der Verfasser der Didactica Magna, Jan Amos Comenius. „Alles, was beim Lernen Freude macht, unterstützt das Gedächtnis“, brachte Comenius die spätere Erkenntnis der Neurodidaktik auf den Punkt.

Und die scheinbar moderne Einsicht, dass Informationen dann am besten verarbeitet werden, wenn sie auf möglichst vielfältige Weise – gesungen, gereimt, gemalt – den Wahrnehmungsapparat anregen, entspricht just der Maxime von Heinrich Pestalozzi (1746 bis 1827), eine gute Erziehung müsse „mit Kopf, Herz und Hand“ erfolgen. Selbst die wichtigste Botschaft der frühkindlichen Forschung – dass in den ersten Lebensjahren die Grundlagen für spätere Lernerfolge gelegt werden und bestimmte „Entwicklungsfenster“ des Lernens sich irgendwann schließen – plappert schon der Volksmund mit seinem „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ daher.

Die Neurodidaktiker selbst geben auch gar nicht vor, Brandneues zu präsentieren. „Wir müssen zu den pädagogischen Klassikern wie Comenius, Pestalozzi oder Montessori zurück“, sagt Henning Scheich. Und der Mathematiker Gerhard Friedrich aus Lahr, deutschlandweit der erste Habilitand im Fach Neurodidaktik, ergänzt: „Was könnte eine neurobiologisch fundierte Erziehungswissenschaft denn auch anderes liefern als eine Bestätigung ,guter‘ Pädagogik?“ Die Neurobiologie steuere dazu nur endlich eine „materiell begründbare Basis“ bei.

Vor allem aber räumt die Hirnforschung mit dem Irrglauben auf, wir müssten uns zum Lernen zwingen. Im Gegenteil: Unser Gehirn lernt immerzu, ob wir wollen oder nicht. Wer es nicht glaubt, wird von allen Babys eines Besseren belehrt. Sie beweisen, dass Lernen kinderleicht ist: Von Anfang an erforschen sie die Welt, üben sich unermüdlich im Laufen, Sprechen oder Nervensägen – und haben ganz offensichtlich Spaß daran. Und warum sind Babys wahre Meister des Lernens? „Weil wir noch keine Chance hatten, es ihnen abzugewöhnen“, antwortet der Psychologe Manfred Spitzer lapidar.

Wie erzeugt man Hunger?

Für ihn ist die Frage nach der fehlenden Motivation meist völlig falsch gestellt. „Menschen sind von Natur aus motiviert, sie können gar nicht anders, denn sie haben ein äußerst effektives System hierfür im Gehirn eingebaut.“ Die Frage, wie man Menschen motiviere, sei etwa so sinnvoll wie die Frage: Wie erzeugt man Hunger? Die einzig vernünftige Antwort laute: Gar nicht, denn er stellt sich von allein ein. In Wahrheit gehe es bei der Motivationserzeugung letztlich immer um Probleme, „die jemand damit hat, dass ein anderer nicht das tun will, was er selbst will“. Die richtige Frage laute also nicht: Wie motivieren? Sondern: Warum sind so viele Menschen häufig demotiviert? Und da entdeckt Spitzer ein ganzes Arsenal von „Demotivationskampagnen“ unserer Gesellschaft – wie etwa die Ausschreibung von Preisen, die stets nur den Besten (die kein Motivationsproblem haben) verliehen werden und alle anderen Bewerber demotivieren.

Was sich in den Schulen ändern müsste, um den Erkenntnissen der Neurodidakten gerecht zu werden, ist also häufig genau das, was weitsichtige Pädagogen wie etwa Hartmut von Hentig seit Jahrzehnten predigen: den Schülern nicht möglichst viel Stoff eintrichtern wollen, sondern sie zum eigenen Problemlösen anregen (nur dies aktiviert schließlich das Belohnungszentrum); sie im Selbstversuch die Grenzen von Erfolg und Misserfolg ausloten lassen (auch Sex erfährt man nur durch aktives Tun, nicht durch Zuschauen); besonderes Gewicht auf die frühe Förderung im Vor- und Grundschulalter legen (wenn Lernstrategien ausgebildet werden); klare Standards und Grenzen setzen (die Orientierung erlauben) und darauf achten, dass die Gehirne nicht mit zu vielen Reizen überflutet werden (Computerspiele).

Vor allem aber, und das ist vielleicht die wichtigste Folgerung aus der Hirnforschung, sollten wir endlich akzeptieren, dass kein Gehirn dem anderen gleicht und Menschen – auch in ihrem Lernverhalten – höchst individuell sind. So hat die Neurobiologie gezeigt, dass die „Zeitfenster“ für wichtige Fertigkeiten wie Laufen, Sprachenlernen oder Musizieren von Kind zu Kind ganz verschieden sein können. Just diese Erkenntnis – und die darauf basierende individuelle Förderung jedes einzelnen Schülers – ist eines der Erfolgsgeheimnisse von Ländern wie Finnland, die im Pisa-Test besonders gut abschnitten. Dass dies auch in Deutschland geht, demonstrieren die Bielefelder Laborschule oder die Helene-Lange-Schule in Wiesbaden, die ebenfalls beste Pisa-Noten erhielten.

Wirklich neu ist übrigens auch diese Erkenntnis nicht. Schon der kürzlich verstorbene Begründer der Kybernetik, Heinz von Foerster, hatte erkannt: „Lernen ist das Persönlichste auf der Welt. Es ist so eigen wie ein Gesicht oder ein Fingerabdruck – und noch individueller als das Liebesleben.“ So gesehen ist Lernen sogar noch aufregender als Sex.

Schulbildung - Ein ZEIT-Schwerpunkt mit Berichten, Zahlen, Grafiken und Analysen



Manfred Overmann: Emotionales Lernen: Sentio, ergo cognosco


In der Forschungsliteratur ist die emotionale Seite des Lernens bislang eher stiefmütterlich behandelt worden, weil die Erhebung empirischer Daten zu psychischen Prozessen schwer fassbar erscheint. Zorn, Liebe, Hass, Freude und Traurigkeit üben im Lernprozess jedoch in ihrem Wechsel von Anspannung und Entspannung als dynamische Kräfte eine entscheidende handlungssteuernde Wirkung aus, indem sie positive und Lust verursachende oder negative und Unlust hervorrufende Emotionen bewirken.

Wie Hermann-Brenecke feststellt, lässt sich erst in jüngster Zeit "ein wachsendes Interesse an der Befindlichkeit des Schülers konstatieren. Immer wieder ist in fremdsprachendidaktischen Veröffentlichungen von Lernatmosphäre, emotionaler Geborgenheit, Motivation und Bedürfnissen die Rede, gelegentlich fällt auch der Begriff affektiv." (1998: 53) Dadurch wird die bislang vorherrschende kognitive Dominanz in psychologischen, linguistischen, anthropologischen und neurobiologischen Forschungen stark relativiert. Selbst in der kognitiven Psychologie erscheinen Emotion und Kognition inzwischen als vernetzte Orientierungssysteme bei der Konstruktion von Wissen und der Verarbeitung von Informationen.

Dass Bewusstheit und Affekt aber in ihrer Interaktion verstanden werden müssen, wurde schon in der Rhetorik des Aristoteles begründet, und in der Entwicklungspsychologie Piagets verlaufen die geistige und affektive Entwicklung des Kindes als interdependente Prozesse parallel. Diese Anschauungen werden heute durch die Neurowissenschaften bestätigt, in denen der cartesische Dualismus als Irrtum erscheint (Damasio 1997), und auch in der emotionspsychologischen- und biologischen Literatur "bricht sich", so der Schweizer Konstruktivist Luc Ciompi, "die Erkenntnis schrittweise Bahn, dass emotionale Komponenten viel tiefergehende Wirkungen auf Denken und Verhalten ausüben" (1997:93) als ursprünglich angenommen.

In seiner Affektlogik hebt Ciompi den Zusammenhang und die Wechselwirkung zwischen Emotion und Kognition hervor, indem er die affektiv steuernde Verankerung der Kognitionen beschreibt und die "Logik" der Emotionen in einem ganzheitlichen "Denk-/Fühl-/Verhaltensprogramm" als Konstruktion der Wirklichkeit betont (Ciompi 1997). Es gibt keine kognitiven Zustände ohne Einbeziehung affektiver Faktoren, weil das Gehirn alle kognitiv-sensorischen Informationen affektiv färbt.

Wir wollen im Folgenden für ein ganzheitliches, mehrdimensionales Lernen mit allen Sinnen plädieren, das den Schüler bei seiner Entwicklung und der Konstruktion seiner Persönlichkeit in seiner ganzen Entität rehabilitiert, indem es das autonome Individuum anregt, sich in seiner Einzigartigkeit mit allen seinen Kräften im Wechselspiel mit der Umwelt hervorzubringen.

Kognition und Emotion müssen in ihrer dialektischen Einheit in den Prozess des Lernens mit Kopf, Herz und Hand eingebunden werden, um eine fehlgeleitete Hypertrophie des Kopfes und Amputation der Ganzheit zu verhindern. Dabei soll nicht der Aufbau und der Nutzen von Wissen in Frage gestellt werden, aber das Augenmerk vielmehr auf den Weg und nicht den Inhalt der Wissenskonstruktion gelenkt werden, der sich ohne Anbindung an den Lernenden als toter Stoff erweist.

Wissenschaftliche Forschungen der letzten Jahre haben immer wieder die Bedeutung der emotionalen Komponente des Lernens hervorgehoben, ohne die Lernen gar nicht stattfinden kann. Nun wollen wir nicht leugnen, dass es auch in der Vergangenheit kluge Köpfe gegeben hat, allein schon Herder beklagt sich, dass er ein "Tintenfaß voller Gelehrsamkeit" sei, und wir wollen keine gelehrten Austern fabrizieren, sondern junge Menschen durch komplexe Lernsituationen in ihrer Ganzheitlichkeit zur Verwirklichung ihrer Individualität anregen. Dabei schließen wir an die humanistische Bildungspädagogik Wilhelm von Humboldts an, die mit einem neurobiologischen Monismus lernpsychologisch und -physiologisch verbunden werden soll.

Neben der Konstruktion von Wissen und interkulturellem Lernen spielt das Behalten im Fremdsprachenunterricht jeden Tag erneut eine wesentliche Rolle. Aus diesem Grunde möchten wir reflektieren, wie das Wissen in unser Gehirn gelangt und dort verankert wird und welche didaktischen Vorteile wir aus den neurobiologischen Erkenntnissen für den Entwurf einer multimodalen Lerntheorie ableiten können, welche die Pluralität der divergierenden Rezeptions- und Verarbeitungsmodi der Lerner berücksichtigt......



DEUTSCHE LEHRER - EINE POLEMIK

(aus: Spiegel online)

Überfordert, allein gelassen, ausgebrannt

Das Lernklima ist an vielen Schulen miserabel: Wissen wird als bittere Medizin verabreicht, die tägliche Demütigung ist Programm. Die Lehrer unterrichten nach Schema F, die Schüler lernen wie in der Hundeschule. Und über die drittklassige pädagogische Ausbildung in Deutschland staunen unsere skandinavischen Nachbarn nur. Von Reinhard Kahl

"Stellt euch vor", schwärmt eine Schülerin, "am ersten Tag nach den Ferien haben die Lehrer ihre Handynummern an uns verteilt!" Sie ist kurz zuvor von einem Auslandsschuljahr in Stockholm zurückgekehrt. Um sie herum stehen staunende Berliner Mitschüler und eher gelangweilt wirkende US-Amerikaner, Kanadier und Neuseeländer. "Und was ist daran so aufregend?", fragt eine Stimme mit englischem Akzent. "Die Lehrer waren jederzeit für uns da", sagt das Mädchen, "sogar nachmittags, und sie waren irgendwie..." - "Freunde!" - "Ja, man konnte mit ihnen über alles reden."
Mittsommernacht in Berlin. Am Kleinen Wannsee feiern Austauschschüler von verschiedenen Kontinenten Abschied voneinander. Ein Amerikaner fragt die Deutschen: "Warum sind die Lehrer eigentlich eure Feinde?" Es wird still. Die Berliner Schüler suchen nach Worten. Diese Frage haben sie sich offenbar noch nie gestellt. Dann aber bricht es aus einem von ihnen heraus: "Ihr seid wie der Rotz an meinem Ärmel, hat unser Deutschlehrer mindestens einmal die Woche gesagt", zürnt der Abiturient von einem der vornehmsten Gymnasien der Stadt. "Ihr seid die blödesten Schüler auf der ganzen Welt, habe ich es euch nicht schon immer gesagt?", zitiert ein anderer Schüler eine auf die Pisa-Studie gemünzte Aussage seiner Mathematiklehrerin.
Über die gereizte Stimmung an deutschen Schulen wundern sich Pädagogen in den skandinavischen Ländern. "Befehlsführende Lehrer" hat etwa der Pädagogikprofessor Mats Ekholm, der die schwedische Bildungsbehörde Skolverket leitet, als eine Erklärung für die Probleme ausgemacht.
Beim letzten Gong schnell in den Golf
"In Finnland ziehen Schüler und Lehrer viel mehr an einem Strang", sagt der deutsche Pädagoge Rainer Domisch aus Schwäbisch Hall, der seit vielen Jahren im finnischen "Zentralamt für Unterricht" arbeitet. "In Deutschland glauben Lehrer, Lernen sei eine bittere Medizin, die verordnet werden muss, und viele Schüler wehren sich gegen das Lernen, als wäre es eine Zumutung."
Kein Wunder, dass sich die meisten Schüler und Lehrer darüber einig sind, nicht mehr Zeit als nötig an der Schule zu verbringen. "Beim letzten Gong sind viele meiner Kollegen schneller in ihrem Golf als die Schüler auf dem Fahrrad", räumt der Lehrer Ludwig Eckinger ein, Vorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung, einer der beiden großen Lehrergewerkschaften.
Noch nicht publizierte Ergebnisse der deutschen Pisa-Studie lassen daran zweifeln, dass deutsche Lehrer ihre Schüler überhaupt einschätzen können. Die Bildungsforscher fragten beispielsweise die von ihnen als Elite definierte Lehrergruppe - jene, die an Lehrplänen mitwirkt und Schulbücher schreibt -, wie viele ihrer Schüler im Lesen wohl Aufgaben der höchsten Kompetenzstufe im Pisa-Test bewältigen würden.
Erschnüffeln, welche Fährte der Lehrer gelegt hat
Gymnasiallehrer trauten das fast 80 Prozent ihrer Schüler zu, Hauptschullehrer vermuteten das bei immerhin noch rund 60 Prozent. Tatsächlich jedoch konnte fast keiner der Hauptschüler (0,3 Prozent) die Aufgaben lösen, und unter den Gymnasiasten schafften das nur 29 Prozent.
Viele Lehrer lernen offenbar ihre Schüler im Unterricht nicht richtig kennen. Das könnte zum Gutteil an dem schematischen Unterrichtsstil liegen, den die Bildungsforscher des Max-Planck-Instituts am Beispiel des Faches Mathematik beobachtet haben. Eine typische Stunde läuft so ab: Hausaufgaben präsentieren, neues Thema einführen, dieses im Gespräch nach einem fest stehenden Plan Punkt für Punkt durchnehmen, Übungsaufgaben lösen, Hausaufgaben stellen.
Das Schema nennt sich "fragend entwickelnder Unterricht" und gilt als typisch deutsch. Der Lehrer hat ein Ziel fest im Blick und will, dass die Schüler seinem Weg folgen. Sie laufen mit wie in der Hundeschule, häufig an der kurzen Leine, und versuchen zu erschnüffeln, welche Fährte der Lehrer gelegt hat.
Aus Fehlern lernen dürfen deutsche Schüler nicht
"Wir haben bei dieser Art Unterricht keine zusammenhängenden Sätze von Schülern registriert", bilanziert Jürgen Baumert, Direktor am Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und Leiter der deutschen Pisa-Studie, "und keine Lehreräußerungen, die länger als eine Minute dauerten." Die Übungsaufgaben seien nicht nach Schwierigkeitsgraden differenziert. Aufgaben mit mehreren Lösungen oder zumindest unterschiedlichen Lösungswegen sind offenbar - anders als etwa in Japan - undenkbar.
"In unserem Unterricht", so Baumert, "stören immer zwei Arten von Schüleräußerungen: die intelligente Antwort, die vorgreift und beiseite geschoben werden muss, und der Fehler." Dass sich jedoch aus Fehlern lernen lässt - und manchmal sogar am besten -, werde nur von wenigen Lehrern bedacht; das sei in Skandinavien und einigen asiatischen Ländern anders.
Den wohl erstaunlichsten Befund lieferte der Erziehungswissenschafter Andreas Helmke, der die Mathematikleistungen von Grundschülern in München und Hanoi verglichen hatte. In Vietnam sind viele Schulen schlecht ausgestattet, mäßig ausgebildete Lehrer stehen vor großen Klassen und müssen mancherorts in drei Schichten unterrichten. Dennoch sind die dortigen Schüler denen aus München in Mathematik haushoch überlegen.
Den hohen Stellenwert von Bildung und Leistung in Vietnam sehen die Forscher als wichtige, aber nicht ausschließliche Ursache für solche Unterschiede. Nun soll dort wie hier untersucht werden, wie es mit dem psychologischen Einwirken der Erwachsenen auf die Kinder steht. Ermuntern sie? Spornen sie an und geben sie Anerkennung? Oder senden sie an die nächste Generation die Botschaft: Auf euch haben wir gerade noch gewartet! "Im Grunde läuft doch alle Pädagogik auf das Verhältnis der Generationen hinaus", sagt Hartmut von Hentig, der Nestor der deutschen Pädagogik.
Damit scheint es in Deutschland nicht zum Besten zu stehen. Vor kurzem hatte Jürgen Baumert an der Universität Fribourg in der Schweiz Videos von deutschem Mathematikunterricht gezeigt. Die Studenten reagierten geradezu empört. Weshalb, verstand Baumert zunächst nicht. "Dauernd fallen kränkende Bemerkungen seitens der Lehrer", sagte dann ein Student, "wie zum Beispiel 'Schon wieder derselbe Fehler!' oder ,Habe ich das nicht schon viermal gesagt'?" Der Ton sei durchweg wenig respektvoll, abwertend und distanzlos, urteilten die Hochschüler.
Internationale Vergleiche zeigen, dass andernorts das Verhältnis von Schülern und Lehrern besser ist. In der Schweiz stießen Forscher viel seltener auf eine Demütigung der Schüler durch Lehrer, im japanischen Unterricht gar nicht.
"Die falschen Schüler" - eine Obsession
Die Ausbildung der deutschen Lehrer tradiert den Umgang mit den Kindern - und lässt im Gegenzug viele Schüler den nötigen Respekt ihren Lehrern gegenüber vermissen. Viele Gymnasiallehrer sind während des Studiums nicht einmal mit den elementarsten jugend- oder lernpsychologischen Erkenntnissen in Berührung gekommen.
Edelstein hält die Lehrerausbildung gar für eine der Erbsünden des deutschen Schulwesens: "Während es zum Beispiel für die Medizinerausbildung eigene Fakultäten gibt, ist die Lehrerausbildung bloß Anhängsel eines Fachstudiums, das einem anderen Zweck dient, nämlich der Ausbildung zum Wissenschaftler. Aber Physiker sind keine Physiklehrer, Germanisten keine Deutschlehrer."
Angehende Pädagogen würden geradezu um ihre Professionalität betrogen, meint Edelstein. Sie lernten kaum etwas über das Lernen, schon gar nichts über "metakognitive Prozesse", also über das Lernen des Lernens, die Dynamik von Gruppen oder darüber, wie Kinder zum Selberlernen anzuregen sind. In ihrer Hilflosigkeit machten Lehrer das Fachwissen zur Prothese. Sie schützten sich gegen Schüler durch möglichst viel vor ihnen aufgehäuften Stoff. "In pädagogischen Fragen", sagt Wolfgang Edelstein, "haben Lehrer hierzulande ein Rezeptwissen, das sie von dem der Feldwebel Friedrichs des Großen kaum unterscheidet."
In den Schulen kaum eines anderen Landes ist die Anerkennung von unterschiedlichen Persönlichkeiten so wenig selbstverständlich wie in Deutschland. Die Aufteilung in Hauptschule, Realschule und Gymnasium entlässt den Lehrer aus der Verantwortung, sich um schwierige und eigensinnige Schüler zu kümmern. Kommt es zu Problemen, stellt der Lehrer nicht den Unterricht in Frage, sondern die Schüler. Und diese werden bei schlechten Leistungen vom Gymnasium in die Realschule und von dort in die Hauptschule exportiert, wo manche Pädagogen davon überzeugt sind, eigentlich Sonderschüler vor sich zu haben. Die falschen Schüler in der Klasse zu wähnen, ist geradezu eine Obsession deutscher Lehrer. "Es gibt kein anderes Land mit so homogenen Lerngruppen", stellt Jürgen Baumert fest, "und trotzdem sind sie uns immer noch zu heterogen."
Speziell bei den deutschen Lehrern lässt sich mehr Selbstkritik, aber auch mehr Verzweiflung und Klage finden als in anderen Berufsgruppen. Ein Grund dafür ist, dass ihr Ansehen durch eine planlose Bildungsbürokratie, übertriebene Medienschelte und diffamierende Äußerungen von Politikern - Bundeskanzler Gerhard Schröder etwa sprach von "faulen Säcken" - systematisch kaputt geredet worden ist.
"Impfprogramm, bei dem Kränkungen verabreicht werden"
Weil Jammern das Klima vergiftet, spricht sich der Philosoph Peter Sloterdijk dafür aus, dass Kinder durch so etwas wie ein "Emissionsschutzgesetz" vor Lehrerpessimismus zu bewahren seien. Der begegne Schülern täglich in unterschwelligen Botschaften wie: "Ihr werdet euch noch wundern, ich selbst wundere mich schon lange nicht mehr."
Damit würden Lehrer zum "Klimaschädling erster Größenordnung", denn bei den Kindern bleibe haften: "Was immer du von dir selbst halten magst, so wichtig bist du nicht." Sloterdijk kritisiert die deutsche Schule als eine Art "Impfprogramm, bei dem Kränkungen verabreicht werden". Habe man sie alle durchgemacht, erhalte man sein "narzisstisches Abiturzeugnis". Und dann verließen die Schüler "die Schule nach 13 Jahren wie Landsknechte eine aufgelöste Armee".
Stattdessen gelte es, die Freude auf das eigene Werden zu erhalten: "Lernen ist Vorfreude auf sich selbst", sagt der Philosoph. Aber wenn sich ein Lehrer weit vorwage, dann dauere es nicht lange, und Eltern schritten ein. Aus Angst, es fehle die Härte, die auf das spätere Leben vorbereite, versuchten Mütter und Väter, "den Raum didaktischer Wunder klein zu halten". Dann dröhnten dem Lehrer Sätze entgegen wie: "Geben Sie den Kindern nicht ein falsches Bild vom Leben?" - "Könnten Sie nicht ein bisschen strenger sein?" Diesen Ansprüchen, so Sloterdijk, müsse man ein anderes Klima entgegensetzen - und womöglich auch andere Strukturen.
Damit sind diverse Länder weiter, etwa Schweden. Die Gründe für die besseren Leistungen der dortigen Schüler sieht Mats Ekholm, Chef der nationalen Bildungsbehörde Skolverket, in drei Reformen: So sind erstens die Lehrer seit Anfang der 1990er Jahre 35 Stunden in der Schule und dort für die Schüler auch ansprechbar. Zweitens hat der Staat den Schulen mehr Selbstständigkeit gegeben; jede hat jetzt einen eigenen Etat und ist für Lehrergehälter wie für Reparaturen an den Gebäuden selbst verantwortlich. Die Lehrer werden von den Schulleitern eingestellt; ihr Gehalt ist Verhandlungssache, der Beamtenstatus abgeschafft.
Und drittens sei es gelungen, die Zusammenarbeit der Schüler untereinander zu verbessern: "Schüler lernen am besten von Schülern", sagt Ekholm mit Verweis auf seine Untersuchungen. "Die Lehrer helfen nun den Schülern beim Lernen, statt sie zu belehren."
Durch die im Herbst 2001 begonnenen Reform der schwedischen Lehrerausbildung soll eine mehrere hundert Jahre alte Tradition vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Auch schwedische Schulen hatten - wie fast überall in der Welt - mit ihren Fächern das System der universitären Disziplinen kopiert. Was an den Hochschulen als vielbändige Enzyklopädie zusammengetragen wurde, sollte die Dorfschulen zumindest noch als einbändiges Volkslexikon erreichen; Lehrer wurden dabei zu Stoffvermittlern.
Eine kleine schwedische Kulturrevolution
Doch das hat sich als Sisyphosarbeit erwiesen, der die Pädagogen umso weniger gerecht werden, je mehr die Wissensmenge angewachsen ist. "So wie die Schule normalerweise lehrt", sagt Eskil Frank von der pädagogischen Hochschule Stockholm, "so lernt kein Mensch." Und seine Kollegin Gunilla Dahlberg, Spezialistin für die Vorschule, ergänzt: "Jedes Gehirn ist eine Baustelle, auf der anders gearbeitet wird."

Wohin die schwedische Kulturrevolution - vom Belehren zum Lernen - führen soll, lässt sich in Balsta nördlich von Stockholm besichtigen. Dort wurden sämtliche Schulen nach diesem so genannten "Futurum Modell" umgewandelt. Ehemals große Schulen sind in kleine unterteilt, jede mit nur noch rund 160 Kindern von Klasse Null, der Vorschulklasse, bis Klasse Neun. In den Atelier-Räumen und Labors lernen Schüler still für sich oder in Gruppen, jüngere und ältere Schüler meist gemischt, damit sie voneinander lernen. Die Räume sind um runde, lichtdurchflutete Areale gebaut, die an Markt- oder Dorfplätze erinnern.
In Futurum-Schulen gibt es kaum noch herkömmlichen Frontalunterricht, in dem ein Lehrer vor der Klasse steht und die Schüler an festen Plätzen sitzen. Anderseits kommt es aber durchaus vor, dass ein Lehrer oder ein externer Experte einen klassischen Vortrag vor mehr als hundert Schülern hält.
Pädagogen verdienen in Schweden zwar ein Drittel weniger als ihre deutschen Kollegen, ihr Beruf steht dennoch in hohem Ansehen. Beim Pisa-Sieger Finnland kommen auf einen Lehramtsstudienplatz sogar zehn Bewerber.
Mehr Lehrer, mehr Unterricht ist keine Lösung
Auch in Deutschland sehnen sich viele Lehrer nach besserer Zusammenarbeit untereinander und mit den Schülern. Die Pädagogen der Helene-Lange-Schule in Wiesbaden haben sich nach dem schwedischen Vorbild in "Schulen in der Schule" aufgeteilt. Sie ließen Wände einreißen, damit Schülertreffs entstehen konnten; sie arbeiten in Teams und treffen sich in eigens dafür eingerichteten Büros. In der Verbesserung der Kommunikation unter den Lehrern sieht die langjährige Schulleiterin Enja Riegel den wichtigsten Grund für die exzellenten Pisa-Leistungen ihrer Schüler.
Die nach dem Pisa-Schock häufig verlangte Therapie "mehr Geld, mehr Lehrer, mehr Unterricht" allein kann nicht erfolgreich sein. "Mehr schlechter Matheunterricht ist schlechter als weniger schlechter Matheunterricht", sagt Jürgen Baumert und kann das anhand der TIMS-Studie über den Mathematik- und Naturwissenschaftsunterricht nachweisen. Der Leistungsstand der Schüler ist auch nicht vorrangig von der Klassengröße oder der Systemfrage Gesamtschule oder Gymnasium abhängig.
Viel wichtiger sind das Klima, der Geist, ja der Eigensinn der jeweiligen Schule. Die entscheidende Lektion für die deutschen Schulen und ihre Lehrer lautet: Wir müssen eine Kultur gegenseitiger Anerkennung und Aufmerksamkeit entwickeln; die Unkultur von Missachtung und Beschämung muss beendet werden. Dass dafür auch Eltern und Schüler einen Großteil an Verantwortung tragen, ist selbstverständlich.
Die deutsche Schule ist auf diesem Weg noch nicht sehr weit vorangekommen, meint Wolfgang Edelstein: "Derzeit verhält es sich mit der Schule wie mit der Armenpolitik der katholischen Kirche im Mittelalter. Die war auch verheerend. Aber es gab Heilige. Ohne die hätte die Kirche nicht überlebt. Die Heiligen der Schule sind einige wenige Lehrer." Und er ergänzt: "Aber auf solche Glücksfälle darf sich eine Institution mit Millionen Schülern nicht verlassen."




Kreativität

Kreativität bezeichnet die Fähigkeit, neue Dinge zu erschaffen, die in irgendeiner Weise Sinn und Nutzen haben. Kreativität ist eine zentrale Sinn- und Motivationsquelle des menschlichen Lebens. Menschen kommen durch Kreativität dem Ideal des erfüllten Lebens näher. Auf jeden Fall ist Kreativität eine Bereicherung des Lebens.
Die längste Zeit der Menschheitsgeschichte galt die Kreativität als eine Fähigkeit, die ausschließlich höheren Wesen vorbehalten war. Kreativität beschränkte sich auf die göttliche Schöpfung. Der Mensch war höchstens ausführende Kraft.
Doch das Blatt hat sich gewendet. Menschen gelten heute als die eigentlichen Schöpfer und die Götter als Ausgeburten ihrer Phantasie. Heute steht der Mensch nicht mehr hilflos vor der Erklärung der Welt. Die Entstehung der Welt und ihre Weiterentwicklung ist nicht mehr an die Kreativität der Götter geknüpft, sondern die Zukunft ist untrennbar an die menschliche Kreativität gebunden. "Kreativität ist das kulturelle Gegenstück zum genetischen Veränderungsprozeß, der die biologische Evolution bewirkt" (Csikszentmihalyi, 1997, S. 17).
Es gibt unterschiedliche Formen kreativ zu sein. Es gibt brillante Personen, die durch originelle Einfälle glänzen, persönlich kreative Menschen, die kreative Energie für eine ausfüllendere Gestaltung ihres Lebens oder Berufes nutzen, und es gibt Menschen, die mit ihrem kreativen Potential einen bedeutenden Beitrag zur bestehenden Kultur leisten.
Im Sinne der kulturellen Kreativität läßt sie sich so definieren:
"Kreativität ist jede Handlung, Idee oder Sache, die eine bestehende Domäne verändert oder eine neue Domäne begründet" (a.a.O., S. 48). (Mit Domäne ist ein bestimmtes Interessengebiet gemeint, wie z.B. die Domäne der Musik.)
WOFÜR MAN KREATIVITÄT BRAUCHT
Die meisten Menschen verbinden Kreativität automatisch mit den Künsten. Doch Kreativität beschränkt sich nicht auf Malerei, Musik und Schauspielerei, sondern ist überall da notwendig, wo es darum geht, neue Lösungen und neue Ideen zu entwickeln.
Dazu gehören ebenso der Bereich der Produktentwicklung, die Gestaltung der Wohnung oder das Lösen von konkreten Problemstellungen, ob privat oder im Beruf.
KANN JEDER MENSCH KREATIV SEIN?
Doch ist Kreativität nun eine Begabung, eine Technik oder eine Fähigkeit und etwas, was nur manche Menschen besitzen? Viele Menschen halten sich für nicht-kreativ, doch alle Menschen haben das Potential, kreativ zu sein.
"Ich glaube nicht, daß Kreativität die Gabe einer guten Fee ist. Ich glaube, sie ist eine Fertigkeit, die wie Auto fahren geübt und gelernt werden kann. Wir halten die Kreativität nur für eine Gabe, weil wir uns nie bemüht haben, sie als Fertigkeit zu üben." Edward de Bono
Unterschiedlich ist nur der Grad der Ausprägung des kreativen Potentials und der Bereich, der einer Person besonders liegt (z.B. nicht jeder Mensch ist musikalisch, dafür aber vielleicht begabt in Mathematik).
WIE IST KREATIVITÄT MÖGLICH?
Allein die Fähigkeit zur Kreativität hat noch niemanden zum Genie gemacht.
Zunächst einmal erfordert Kreativität überschüssige Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit ist eine begrenzte Ressource: Die Zahl der Dinge, die man gleichzeitig beachten kann, ist begrenzt. Ist man von den Lebensanforderungen völlig in Anspruch genommen, bleibt keine Aufmerksamkeit mehr für den kreativen Schaffensprozeß. Ist man beispielsweise hungrig, ist alle mentale Energie darauf gerichtet, dieses Bedürfnis zu stillen.
Das bedeutet, um kreativ tätig zu werden, muß man ausreichend "überschüssige" Aufmerksamkeit zur Verfügung haben (was das weitverbreitete Klischee des "leidenden Künstlers" relativiert).
Doch es ist noch nicht ausreichend, einen Beitrag zur kulturellen Kreativität zu leisten, indem man kreative Ideen und viel Energie produziert. Ebenso spielen viele äußere Faktoren eine Rolle, wie beispielsweise, ob man überhaupt Zugang zu den Informationen und Mitteln eines bestimmten Bereichs hat (z.B. Zugang zu einem Labor), oder ob man durch einen bestimmten Kreis, der Einfluß in diesem Bereich hat, gefördert wird oder die nötige Anerkennung nicht erhält.
Zusammengefaßt entsteht kulturelle Kreativität aus der Interaktion von 3 Elementen:
- einer Kultur oder einer Domäne (z.B. die Domäne der Musik),
die bestimmte Regeln umfaßt und dem Zugang zu diesem
Bereich
- einer Einzelperson, die etwas neues in diese Domäne
einbringt
- Akzeptanz und Unterstützung der Fachleute eines Bereiches
Alle drei Komponenten sind die Voraussetzung dafür, daß aus einer kreativen Idee auch die Möglichkeit erwächst, sie in die Tat umsetzen zu können. Darüber hinaus braucht kulturelle Kreativität ein empfängliches Publikum. Nur andere können entscheiden, ob der eigene Anspruch, kreativ zu sein, gerechtfertigt ist.
Außerdem kann man eine bestimmte Domäne erst ändern und so seinen Beitrag zur kulturellen Kreativität leisten, wenn man die Regeln der Domäne genau kennt, was wiederum mit viel Mühe und Anstrengung verbunden ist und als Voraussetzung wiederum Zugang zu den notwendigen Informationen und Hilfsmitteln bedeutet.
Und häufig ist entscheidend dafür, ob man die Möglichkeit bekommt einen Beitrag zur kulturellen Kreativität zu leisten, eine gehörige Portion Glück: Sei zur richtigen Zeit am richtigen Ort!
DIE KREATIVE PERSÖNLICHKEIT
Ein Hauptmerkmal der kreativen Persönlichkeit (und was sie von anderen Menschen unterscheidet) ist die Komplexität. Damit ist gemeint, daß diese Menschen Denk- und Handlungstendenzen zeigen, die bei den meisten anderen getrennt sind.
Die kreative Persönlichkeit zeichnet aus, daß sie antagonistische Tendenzen vereint bzw. integriert. "Kreative Menschen vereinen widersprüchliche Extreme in sich - sie bilden keine individuelle "Einheit", sondern eine individuelle "Vielheit"" (Csikszentmihalyi, 1997, S.89).
In jedem Menschen sind diese Eigenschaften angelegt. Meistens wird jedoch nur ein Pol des Gegensatzpaares gefördert (So lernen wir beispielsweise die aggressive, wettbewerbsorientierte Seite zu fördern und lassen dabei unsere Fähigkeit zur Kooperation verkümmern).
Bei einem kreativen Menschen ist die Wahrscheinlichkeit größer, daß er beide Seiten ausgebildet hat. "Eine komplexe Persönlichkeit ist in der Lage, die volle Bandbreite von Eigenschaften zum Ausdruck zu bringen, die als Möglichkeiten im menschlichen Repertoire vorhanden sind, aber in der Regel verkümmern, weil wir den einen oder anderen Pol für "gut" bzw. "schlecht" halten." (a.a.O., S. 88)
Kreative Menschen erleben beide Extreme mit derselben Intensität, ohne daß sie in einen inneren Konflikt geraten.
Jeder Mensch hat kreative Energie, doch diese muß auch gefördert werden um nicht zu verkümmern.
Ein weiteres entscheidendes Merkmal der kreativen Persönlichkeit ist, daß sie ihre Aufmerksamkeit so steuern kann, daß sie - wenn es notwendig ist (z.B. wenn neue Ideen gesucht werden)- offen und empfänglich ist und - wenn es darauf ankommt (z.B. bei der Umsetzung der neuen Idee) - fokussiert und zielgerichtet handelt.
Oft wirken kreative Menschen auf andere wie Sonderlinge. Der Hauptgrund hierfür ist, daß sie ihre Aufmerksamkeit so auf ihr Fachgebiet konzentrieren, daß sie im Alltag teilweise bizarr wirkende Gewohnheiten annehmen, die ihnen aber wiederum ermöglichen, so wenig wie möglich Aufmerksamkeit für die Dinge des Alltags abziehen zu müssen (z.B. Einstein trug fast immer dieselben Kleidungsstücke, um so wenig Aufmerksamkeit wie möglich für die Kleiderfrage abziehen zu müssen).
DER KREATIVE PROZESS
Traditionell (nach Graham Wallas) wird der kreative Prozeß als Abfolge von fünf Phasen gesehen.
1. Vorbereitungsphase: Bewußte oder unbewußte Auseinandersetzung mit problematischen Fragen, weil sie Interesse und Neugier geweckt haben.
2. Inkubations- oder Reifungsphase: Ideen geraten unterhalb der Schwelle der bewußten Wahrnehmung in heftige Bewegung. Ungewöhnliche Verknüpfungen sind in dieser Phase besonders häufig. Während der bewußten Bearbeitung eines Problems verarbeitet man Informationen auf lineare, logische Weise, während in der Phase, in der die Gedanken "im Kopf herumschwirren" neue und unerwartete Kombinationen entstehen können.
3. Die Einsichtsphase bzw. das "Aha-Erlebnis": Die Teile des Puzzles ergeben plötzlich ein Ganzes. Eine Struktur wird erkannt.
4. Bewertungsphase: Handelt es sich um eine wertvolle und lohnende Einsicht? In dieser Phase sind Zweifel und Unsicherheit oft am größten. Hier gewinnen dann auch die verinnerlichten Kriterien der Domäne und die Meinung der Experten an Bedeutung. Es stellt sich die Frage, ob die Idee wirklich neu ist.
5. Ausarbeitungsphase: Sie erfordert die meiste Zeit und größte Anstrengung. (Edison: Kreativität besteht zu 1% aus Inspiration und 99% aus Transpiration).
Nimmt man dieses klassische analytische Gerüst zu wörtlich, liefert es ein stark verzerrtes Bild des kreativen Prozesses. Selbstverständlich muß man die Abfolge nicht strikt in dieser Reihenfolge einhalten: Beispielsweise wird auch der Ausarbeitungsprozeß durch neue Erkenntnisse unterbrochen. Der kreative Prozeß ist nicht linear, sondern geht immer wieder zurück und durchläuft viele Wiederholungen. So kann z.B. die Inkubationsphase von ein paar Stunden bis hin zu Jahren dauern. Die kreative Einsicht umfaßt eine tiefe Einsicht, oder viele kleinere.
"Als Darwin die volle Bedeutung seiner Theorie erkannte, war das weit mehr als eine Augenblickserkenntnis; die Komponenten waren zu unterschiedlichen Zeitpunkten in der Vergangenheit in seinem Denken aufgetaucht und hatten sich ganz allmählich miteinander verbunden. Es war ein gewaltiges "Aha!", das sich im Laufe eines ganzen Lebens aufgebaut hatte und sich aus dem Chor vieler kleiner "Heurekas!" zusammensetzte" (Csikszentmihalyi, 1997, S. 120).
ANLEITUNG ZU MEHR PERSÖNLICHER KREATIVITÄT
Um von der persönlichen Kreativität zu einem Beitrag zur kulturellen Kreativität zu gelangen braucht es Talent, Training und viel Glück. Der Zugang zur Domäne muß möglich sein, und dazu muß man noch die Anerkennung des Feldes erlangen, sonst gibt es keine Aussicht auf Erfolg. Doch warum gleich zu den Sternen greifen? Schon die Förderung der persönlichen Kreativität ist eine Bereicherung und gestaltet das Alltagsleben lebendiger.
Jeder Mensch verfügt potentiell über ein Reservoir an psychischer Energie, das ausreichend ist für ein kreatives Leben. Ausschlaggebend ist, wieviel "ungebundene" Energie der einzelne noch übrig hat, um sich mit etwas neuem auseinanderzusetzen, denn die Zahl der Dinge, die man gleichzeitig beachten kann, ist begrenzt.
"Damit wir kreative Energie freisetzen können, müssen wir loslassen können und einen Teil der Aufmerksamkeit von den voraussagbaren Zielen abziehen, die von Genen und Menen in unsere Köpfe programmiert wurden, und diese Aufmerksamkeit statt dessen benutzen, um die uns umgebende Welt um ihrer selbst willen zu erforschen" (Csiksentmihalyi, 1997, S. 492).
Wer lernt, im Alltagsleben kreativ zu sein, wird sehr wahrscheinlich nicht die Welt verändern und in die Geschichtsbücher eingehen, doch selber wird man die Welt anders erleben.

Absolutes Gehör kann vererbt werden Das absolute Gehör, die Fähigkeit, die Höhe einzelner Töne genau zu bestimmen, ist nach Ansicht eines britisch-amerikanischem Forscherteams in hohem Maße vererbbar.
Die Untersuchung zeigte außerdem, dass die Tonerkennung eine höhere Gehirnfunktion darstellt und unabhängig von der allgemeinen Hörfähigkeit ist. "Dieses Ergebnis öffnet ein Fenster zu Prozessen, die auch wichtig für die Sprache sind.
Akustische Eindrücke bei Absoluthörern aktivieren vermutlich nicht nur die äußere Hirnrinde, sondern auch das entwicklungsgeschichtlich wesentlich ältere limbische System. Dieser Teil des Gehirns ist unter anderem für Emotionen und Instinkte zuständig. Das absolute Gehör ist dabei ein Relikt aus jener Zeit, als die Menschheit noch nicht über das Kommunikationsmittel Sprache verfügte.
Wer sich mit Sprache verständigt, braucht ein feines Sensorium zur Wahrnehmung von Tonhöhenschwankungen und Klangfarbenänderungen. Für Lebewesen, die nur mit Lauten kommunizieren, ist die absolute Tonhöhe dagegen ein wichtiges Kriterium, um Artgenossen von Fremden unterscheiden zu können. Vermutlich können die meisten Tiere, wenn sie über einen Gehörsinn verfügen, Tonhöhen absolut bestimmen. Experimente zeigten, dass Vögel und Hunde diese Fähigkeit besitzen. Andere Untersuchungen lassen sogar vermuten, dass die meisten Menschen über einen Rest von absolutem Gehör verfügen. So trafen statistisch auffallend viele Versuchsteilnehmer, die gebeten wurden, die Anfänge bekannter Popsongs aus dem Gedächtnis nachzusingen, auch ohne musikalische Vorbildung

2006-11-25 02:48:48 · answer #2 · answered by Pollyvision 6 · 0 0

Ich meine jain. Aber frühkindliche Förder- und Forderung, wie bei Bachs, dazu die notwendigen Beziehungen, bewirken eine Menge. Das ist der Erfolg vorausbestimmt, (siehe auch unsere Schlagersternchen) .

2006-11-22 13:47:46 · answer #3 · answered by Anonymous · 0 0

Es ist sicher so, dass es Leute gibt, die auch ohne Internetrecherche ein Musiktalent entwickeln! Vater Sänger Mutter Sängerin die Tochter : HEIDI STERN auch bekannt als Jennifer Rush! Nur ein Beispiel!

2006-11-22 11:30:17 · answer #4 · answered by Anonymous · 0 0

nein

2006-11-22 11:28:58 · answer #5 · answered by Anonymous · 1 1

dass musikalisches Talent genetisch bedingt ist, steht fest. Daher kann es natürlich vererbt werden. Das nützt aber nichts, denn es kann, muss aber nicht. Es gibt natürlich die Bachfamilie, aber bestimmt auch ganz viele, wo ein hervorragender Musiker ein völlig unmusikalisches Kind in die Welt setzt. Letztlich ist es müssig, darüber zu spekulieren, denn nichts ist beweisbar, sonst müsste es empirische Untersuchungen darüber geben, ob Musiker musikalische Kinder hervorbringen, die dann woanders leben und somit nicht erzieherisch beeinflusst sind...
gibts nicht, solche Untersuchungen...

2006-11-22 11:34:03 · answer #6 · answered by Michael K. 7 · 0 1

wenn man sich die familie bach ansieht, könnte man davon ausgehen.

2006-11-22 11:30:21 · answer #7 · answered by Alter Ego 7 · 0 1

nein sieht man an mir

2006-11-22 11:30:02 · answer #8 · answered by Maggy 3 · 0 1

Ja einfach mal los singen

2006-11-22 11:25:53 · answer #9 · answered by ? 4 · 0 2

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