Friedrich Nietzsche zwischen
Philosophie und Philologie
Seit einigen Jahren wird Friedrich Nietzsches
philologischer Nachlaß am Heidelberger Seminar
für Klassische Philologie erforscht, im Rahmen
der in den sechziger Jahren von den Italienern
Giorgio Colli und Mazzino Montinari begonnenen
historisch-kritischen Gesamtausgabe seiner
Schriften. Das ist nicht selbstverständlich,
obwohl Leibnitz-Preisträger Glenn W. Most, der
die Arbeitsgruppe leitet, ein Nachfolger auf dem
Lehrstuhl des mit Nietzsche eng befreundeten
Gräzisten Erwin Rohde ist, der von 1886 bis 1898
Professor in Heidelberg war.
Die altphilologischen Forschungen und Schriften des jungen Friedrich
Nietzsche fristen ein eher tristes Dasein in den Ecken der
Philosophie- und Kulturgeschichte. Meist werden sie einfach
ignoriert. Der DÜbermensch" und Ddie ewige Wiederkehr" wurden zu
geflügelten Worten, doch kaum jemand spricht heute noch von
Nietzsches Hypothesen zu Diogenes Laertios oder zur griechischen
Metrik, obwohl Nietzsche anfangs eine brillante Karriere als
Philologe machte. Der im Jahr 1844 geborene Pastorensohn besuchte von
1858 bis 1864 die Schulpforta bei Naumburg, eine der besten Schulen,
und studierte an den damals besten Universitäten, 1864/65 in Bonn und
1865/67 in Leipzig. Schon als Student publizierte er eine Reihe
wichtiger Aufsätze in einer der renommiertesten Fachzeitschriften,
der "Rheinisches Museum für Philologie", und im Februar 1869 wurde
der 24jährige als außerordentlicher Professor auf einen Lehrstuhl an
der Universität Basel berufen, noch bevor ihm der Doktortitel
verliehen worden war. Doch was haben seine frühen philologischen
Leistungen - zum Beispiel sein Beweis, daß der sogenannte Wettkampf
Homers und Hesiods nicht erst in der hellenistischen Zeit entstand,
sondern auf eine Schrift des Alkidamas (5.-4. Jh. v. Chr.) zurückgeht
- mit seinen späteren philosophischen Schriften zu tun, in denen er
die Voraussetzungen der abendländischen Metaphysik, die
traditionellen Fundamente der Moral und die christlichen und
humanistischen Wertvorstellungen drastisch in Frage stellte? Der
ehrgeizige junge Gelehrte ist wohl den meisten von uns weit weniger
sympathisch als der revolutionäre Denker, nur letzterer konnte zu
einem europäischen Kulturhelden avancieren. Zwischen den akribischen
philologischen Studien des Fünfundzwanzigjährigen und den radikalen
philosophischen Denkansätzen des Fünfunddreißigjährigen scheint ein
Abgrund zu klaffen, der eher in Welten als Jahren zu messen ist, und
der vielen Verehrern Nietzsches die intensive Beschäftigung mit
seinen oft spröden frühen Schriften verzichtbar erscheinen läßt.
Dafür gibt es verschiedene Gründe. Bis auf einzelne Ausnahmen stand
die philologische Zunft ihrem eigenen überbeförderten, undankbaren
Wunderkind immer mißtrauisch gegenüber. Schon zu Lebzeiten überholte
der wissenschaftlich schlechte Ruf der Geburt der Tragödie und
späterer Schriften die philologischen Verdienste der ersten Arbeiten
Nietzsches. Für die Fachwelt war er wie ein einsamer, entfernter
Stern, dessen Licht, noch bevor man auf der Erde davon Kunde hatte,
an seinem Ursprungsort schon erloschen war. Das vernichtende Verdikt
philologischer Koryphäen des ausgehenden 19. Jahrhunderts wie Hermann
Usener und Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff blieb über Generationen
hinweg maßgebend und wird sogar heute gelegentlich zustimmend
zitiert. Dagegen blieben die Versuche, Nietzsches Ideen für die
deutsche Altertumswissenschaft fruchtbar zu machen, vereinzelt und
betrafen eher Randgebiete als die zentralen Fragestellungen des
Fachs. Sogar dort, wo seine Forschungsgebiete besonders seit dem
Zweiten Weltkrieg wieder wichtig wurden, wie die antike Gelehrsamkeit
oder die philosophische Doxographie, schienen seine Antworten auf
Fragen, die auch heutige Leser interessieren, nur selten den Schatten
ihrer eigenen Zeit überspringen zu können.
Wo der Philologe Nietzsche für seine Fachkollegen nicht Philologe
genug schien, wäre er sicherlich für die zahllosen Leser, für die er
schon zu Lebzeiten eine europäische Kultfigur ersten Ranges wurde,
als Philologe wenig interessant gewesen. Er selbst pflegte in seinen
späteren Selbstdarstellungen wie Ecce Homo eine scharfe Zäsur
zwischen seiner philologischen Jugend und seiner philosophischen
Reife zu ziehen und signalisierte damit seinen Lesern, sie müßten
keine Fachphilologen sein, um ihn in seinen wichtigsten Anliegen zu
verstehen. In der Tat entspricht auch der Wandel, auf den Nietzsche
dabei aufmerksam macht, unverkennbaren Änderungen in seinen
begrifflichen Fragestellungen, seiner schriftstellerischen Praxis,
der Leserschaft und den Zielen, die er verfolgte. Jemand, der "für
Alle und Keinen" schreibt, Also sprach Zarathustra, zielt gewiß nicht
mehr auf ein Publikum ausgebildeter Fachkollegen. Und wer seine
spätere vernichtende Kritik an Historismus, Positivismus und naivem
Wissenschaftsoptimismus sowie seine Spekulationen über Rhetorik und
Sprache kannte, konnte meinen, noch weniger Grund zu haben, sich für
seine früheren wissenschaftlichen Studien über antike Geschichte und
Sprache interessieren zu müssen.
Solche Geringschätzung des Philologen Nietzsche entspringt zwar
gelegentlich der Bekanntschaft mit einigen seiner frühen Schriften,
viel häufiger aber einem Unwissen, das mit einem gängigen Vorurteil
verbunden ist: die klassische Philologie sei ein Orchideenfach, ein
staubiges Randgebiet, bevölkert von engstirnigen Antiquaren oder
wildäugigen Enthusiasten, aber nicht von Wissenschaftlern, deren
Hauptanliegen das Verständnis dieser Welt ist. Inwiefern das Bild auf
die heutige Zeit paßt, sei dahingestellt, in der ersten Hälfte des
19. Jahrhunderts war es ein barer Anachronismus. Neuere Forschungen
zur Geschichte der Altertumswissenschaft haben in den letzten
Jahrzehnten ein neues und in vielerlei Hinsicht überraschendes Bild
vermittelt. Überspitzt formuliert: In den Jahrzehnten vor Nietzsches
Geburt besaß die klassische Philologie in Deutschland etwa dieselbe
Stellung innerhalb der wissenschaftlichen Landschaft wie die
Gentechnik heute. Mit einer Mischung aus Neid, Ehrfurcht und Sorge
betrachteten die Wissenschaftler anderer Fachgebiete ihre
altphilologischen Kollegen als die wichtigsten und angesehensten
Grundlagenforscher. Ihre Forschung wurde mit großzügigen staatlichen
Mitteln subventioniert. An allen Akademien und Universitäten straff
organisiert, verfolgten aufs bitterste konkurrierende Gruppen unter
der Leitung charismatischer, oft autoritärer, aber auch sich voll
einsetzender Lehrmeister dieselben Ziele: bessere Texte, und
vielleicht darüber hinaus die Verbesserung des Menschen. Die
Tagespresse berichtete ausführlich, vereinfachend und verfälschend,
über vermeintliche Ergebnisse und wirkliche Streitigkeiten. Obwohl
die Gegenstände der Forschung tatsächlich fast keine Wirkung auf das
Leben der Menschen hatten - mit Ausnahme der Forscher selbst -,
spielten sie eine große Rolle in der öffentlichen Phantasie. Die
klassische Philologie damals, wie die Gentechnik heute, wurde
außerdem durch eine grundsätzliche Unsicherheit gekennzeichnet: ob
sie sich als reine Erforschung des tatsächlich Gegebenen verstehen
sollte oder vielmehr als Versuch, in die kulturelle beziehungsweise
genetische Erbschaft des Menschen einzugreifen mit dem erklärten
Ziel, die Menschheit selbst zu verbessern. Wäre Nietzsche am Anfang
und nicht in der Mitte des 19. Jahrhunderts geboren worden, so wäre
seine Entscheidung, sich auch gegen seine Familie dem Wagnis der
wissenschaftlichen Forschung auszusetzen und in die Fußstapfen
Friedrich August Wolfs und August Boeckhs zu treten, ebensowenig
überraschend wie die Hoffnung seines hundertfünfzig Jahre später
geborenen Nachkömmlings, den Spuren Watsons und Cricks zu folgen.
Aus heutiger Sicht ist es eher erstaunlich, daß Nietzsche sich mit
leidenschaftlicher Hingabe und unermüdlicher Energie einem
Wissenschaftsideal verschrieb, zu einem Zeitpunkt, als die
Führungsrolle der deutschen Altertumswissenschaft längst nicht mehr
selbstverständlich war, sondern sie tiefen Zweifeln und
Selbstzweifeln ausgesetzt war. Aus dieser unbewußten Unzeitgemäßheit
entstand unvermeidbar ein wachsendes Unbehagen, das bewirkte, daß
Nietzsche sich zunächst allmählich von seinem Fach entfernte, dann
aber drastisch und definitiv mit ihm brach. In der Abwendung von
seiner beispiellos erfolgreichen Gelehrtenkarriere drückte sich nicht
nur ein persönliches Schicksal aus, sondern auch das unaufhaltsame
Scheitern eines ganzen Bildungs- und Kulturprogramms. Seit Friedrich
Schiller und Wilhelm von Humboldt hatte nämlich das Studium der
Antike, vor allem Griechenlands, als Vorschule der Humanität
gegolten. Auf dieser Basis war das preußische Schul- und
Universitätssystem reformiert worden, die Erforschung der ersten
wahren Menschen, der Griechen, sollte den jungen deutschen
Wissenschaftlern dazu verhelfen, selbst wahre Menschen und bessere
Deutsche zu werden. Aber jede Forschung hat eine merkwürdige, den
Vätern des deutschen Philhellenismus nicht erkenntliche Eigendynamik:
Was auch immer Forschung produzieren mag, sie produziert auf jeden
Fall und unaufhörlich weitere Forschung. Humboldt konnte noch meinen,
"die Wissenschaft bildet", aber im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde
klar: Sie bildet nicht Menschen, sondern Wissenschaftler.
Nietzsche war nicht der erste, der die Selbsttäuschung des
Humboldtschen Programms durchschaute und daraus den Schluß zog, seine
humanistischen Ziele eher außerhalb der Fachphilologie zu verfolgen.
Aber wissenssoziologisch ist sein Fall besonders aufschlußreich,
einerseits wegen des erstaunlichen Scharfsinns, mit dem er das
Problem analysierte, andererseits weil wir der Verehrung durch seine
Schwester und seinem frühen kultischen Ruhm die sorgfältige
Aufbewahrung eines vielleicht einmaligen Reichtums an persönlichen
Notizen und Dokumenten verdanken. In der Geschichte der modernen
Altertumswissenschaft gibt es durchaus größere Philologen als
Nietzsche, aber keinen, und vor allem nicht aus dem 19. Jahrhundert,
dessen früheste wissenschaftliche Entwicklungsstufen sich so
detailliert nachvollziehen lassen. Allein von den Nachschriften des
Studenten Nietzsche bei den von ihm an den Universitäten Bonn und
Leipzig besuchten Vorlesungen sind im Goethe-Schiller-Archiv in
Weimar mehr als 1700 Manuskriptseiten erhalten, von denen die
allerwenigsten bislang transkribiert, geschweige denn ediert oder gar
publiziert wurden.
Die Heidelberger "Ausgrabungen" in diesem Mammutberg von Heften,
Mappen und fliegenden Blättern sind Teil eines international weit
verstreuten, aber gut zusammenarbeitenden wissenschaftlichen
Großunternehmens, der kritischen Gesamtausgabe der Werke Nietzsches,
die zwei Italiener - der Philosoph Giorgio Colli und der Germanist
Mazzino Montinari - in den sechziger Jahren begonnen haben, und die
seit den späten achtziger Jahren von dem Berliner Philosophen
Wolfgang Müller-Lauter und dem Basler Germanisten Karl Pestalozzi
weitergeführt wird. Seit dem Tod Montinaris im Jahr 1987 wird die
Arbeit an den verschiedenen Teilen der Ausgabe an mehreren Orten
fortgesetzt. Die frühen Lebenszeugnisse und Jugendschriften werden in
Wien bearbeitet, die philologischen Schriften und Notizen in Florenz,
Rom und seit kurzem auch in Heidelberg. Für die Schriften und den
Nachlaß der Basler Jahre Nietzsches sind Wissenschaftler in Basel
zuständig. Der philosophisch besonders wichtige und problematische
Nachlaß des späten Nietzsche wird in Berlin ediert; seine Briefe in
Berlin, Tübingen und seit einigen Jahren auch in Basel. Trotz der
räumlichen Entfernung funktioniert die Kooperation der beteiligten
Wissenschaftler reibungslos. Die Internationalität der Gesamtausgabe
trägt dem europäischen Ruhm Nietzsches, seinem kosmopolitischen
Selbstverständnis, der Vielfalt seiner Interessen und der von ihm
ausgehenden Anregungen Rechnung - und auch der einfachen Tatsache,
daß der Umfang und die außerordentliche Schwierigkeit und Komplexität
des zu bewältigenden Materials die Kompetenz und den Einsatz eines
einzelnen Forschers überfordern würden.
Dabei sind die Entzifferung der manchmal nur schwer lesbaren
Handschriften und die Speicherung der korrigierten Transkriptionen im
Computer nur die ersten und bei weitem nicht die schwierigsten
Bearbeitungsschritte. Wie jeder Gelehrte - auch im Zeitalter des
Computers - weiß, kann das Verhältnis der geistigen Gedankenarbeit
zur Materialität ihrer papierenen Träger oft äußerst diffizil werden.
Zettel vermehren sich, verlieren sich, tauchen unerklärlich unter und
unvorhersehbar auf, einst selbstverständlich scheinende Schriftzüge
und Abkürzungen werden plötzlich völlig rätselhaft, falsche und
unvollständige Hinweise schlüpfen in die Reihen der korrekten hinein,
Exzerpte aus fremden Texten und Niederschriften eigener
Gedankenblitze können zum Verwechseln ähnlich werden. Bei Nietzsches
Schriften kommt hinzu, daß er die meisten seiner philologischen
Forschungen nicht oder nur unvollständig veröffentlicht hat. Der
Editor, der den ursprünglichen Sinn solcher Fragmente rekonstruieren
will, kann häufig nur mit Hypothesen und Wahrscheinlichkeiten
arbeiten.
Die Erforschung des philologischen Nachlasses auf seine Quellen und
Absichten hin erlaubt faszinierende und manchmal beunruhigende
Einblicke in die Arbeitsweise eines ungewöhnlich begabten, aber wohl
nicht ganz unrepräsentativen Wissenschaftlers. Ein Beispiel:
Nietzsche hielt im Wintersemester 1872/73 Vorlesungen über die antike
Rhetorik vor genau zwei Studenten, einem Germanisten und einem
Juristen. Viele Jahre später beschrieb letzterer sein Erlebnis
begeistert und plastisch: "So versammelte uns dieses Colleg dreimal
die Woche in seinem [d.h. Nietzsches] traulich-eleganten Heim in
einer Abendstunde, wo wir bei Lampenschein ihm zuhörten und die aus
einem in weiches rotes Leder gebundenen Hefte diktierten Sätze
niederschrieben. Auch hier hielt er im Vortrage oft inne, sei es um
selbst nachzudenken, sei es um uns Zeit zu geben, das Gehörte
einigermassen innerlich zu verarbeiten. Auch hatte er die
Liebenswürdigkeit, uns gelegentlich Bier - Culmbacher - als
Erfrischung anzubieten, wobei er selbst solches aus einer silbernen
Schale zu trinken pflegte."
Diese Vorlesung wurde erst 1912 aus dem Nachlaß unvollständig und
eher schlecht ediert und blieb fast sechzig Jahre unbeachtet, bis
französische Poststrukturalisten sie entdeckten. Danach sorgten
Nietzsches darin geäußerte und nunmehr ins Französische übersetzte
radikale Theorien über die Sprache als Rhetorik und über die Theorie
der Metapher und anderer Figuren für viel Furore unter
Dekonstruktivisten auf beiden Seiten des Atlantiks. Philippe Lacoue-
Labarthe, Jacques Derrida, Paul de Man und viele weniger namhafte
Literaturtheoretiker analysierten scharfsinnig die Einzelheiten
seiner Auffassungen und leiteten daraus weitreichende Konsequenzen
ab. Aber inwiefern handelte es sich dabei um Auffassungen Nietzsches?
Eine genaue Analyse der Quellen einiger Kapitel, die ich gemeinsam
mit dem Zürcher Komparatisten Thomas Fries vorgenommen habe, konnte
die gelegentlich geäußerten Vermutungen früherer Gelehrter bestätigen
und beweisen, daß zumindest in den untersuchten Stichproben beinahe
der ganze "Nietzsche"-Text aus kollageartig zusammengesetzten Zitaten
und Exzerpten damaliger Nachschlagewerke besteht.
Anthonie Meijers und Martin Stingelin belegen in "Nietzsche-Studien
17" die Übernahmen aus Gustav Gerber "Die Sprache als Kunst": "nicht
die Dinge treten in's Bewußtsein, sondern die Art, wie wir zu ihnen
stehen, je nach den einzelnen Lebensmomenten, in denen wir zu ihnen
in Beziehung treten. Das ganze und volle Wesen der Dinge wird selbst
nach dieser Seite, nach welcher sie eine Einwirkung auf uns ausüben,
niemals in einem Blicke von uns erfasst." (I, 169)
Friedrich Nietzsche: "Nicht die Dinge treten ins Bewußtsein, sondern
die Art, wie wir zu ihnen stehen, das piÚanón. Das volle Wesen der
Dinge wird nie erfasst."
Wie die Dekonstruktivisten diese "Nietzsche-Worte" aufgenommen haben,
zeigen exemplarisch zwei Textstellen, einmal aus Philippe Lacoue-
Labarthe, "Le détour":
Entre la et le langage (le mot), il y a par conséquent, si l'on
tient compte de la séparation entre la chose et la sensation, trois
ruptures, trois d'une à une autre (qui lui est absolument
hétérogène). Cela ruine toute possibilité d'une quelconque
adéquation. Le langage se fonde sur un écart originaire et
irréductible, qu'il force en identifiant le non-identique, en
introduisant une analogie. Le langage, par imitation donc (cf. Phb.
131, 144, 148, etc.) énonce un rapport aux choses. Ce rapport est le
piÚanón, que l'on traduit aussi par le vraisemblable (Rh. 1):
(Rh.
3)
Sowie von Sander L. Gilman, Carole Blair und David J. Parent in
"Friedrich Nietzsche on Rhetoric and Language":
The third section of Nietzsche's lectures on rhetoric offers what
appears to be an early formulation of his view of perspectivism.
(These views are most cogently explored in Nietzsche's manuscript "On
Truth and Lying in an Extra-Moral Sense" [1873]). Nietzsche argued
there that full and essential knowledge of the world cannot be had.
Consciousness does not grasp things, but impulses or imperfect copies
of things, and these impulses are represented only in images. The
images are not the things but "the manner in which we stand toward
them."
Was als Nietzsches Behauptungen die französischen
Literaturtheoretiker in Erstaunen versetzte, entpuppt sich bei
näherer Betrachtung als vereinfachte, verkürzte - und gerade dadurch
oft radikalisierte - Äußerungen heute fast völlig in Vergessenheit
geratener Sprachwissenschaftler und Philologen des 19. Jahrhunderts.
Heißt das nun einerseits, Nietzsche hätte plagiiert? Nein, Nietzsche
ist ebensowenig ein Plagiator wie heutzutage der gewissenhafte
Professor, der seine eigenen Vorlesungsstunden mit der Darlegung der
Ergebnisse der neueren Forschungen ausfüllt. Nietzsche hatte auch nie
die Absicht, diese Manuskripte zu veröffentlichen, und nur ihre
Publikation aus dem Nachlaß konnte die den Studenten dargebotenen und
vielleicht auch mündlich kommentierten Exzerpte in ein schiefes Licht
bringen. So mag der heutige Professor zur Göttin der Vergessenheit
beten, daß er selber niemals so berühmt wird, daß sein eigener
Nachlaß in die Öffentlichkeit geraten könnte.
Heißt es aber andererseits, daß Nietzsches Rhetorikvorlesung mit dem
Erweis ihrer Abhängigkeit jegliches Interesse verliert? Ebensowenig,
denn eine Theorie wird nicht deswegen interessant, weil ein
bestimmter Mensch sie äußert, sondern weil sie eine bestimmte
Behauptung über die Welt aufstellt. Für viele Behauptungen der
Rhetorik-Vorlesung und etlicher anderer "Nietzsche"-Texte ist
Nietzsche nicht so sehr als Autor anzusehen, sondern vielmehr als
kritisch zustimmender Leser, der die Ideen und Formulierungen aus dem
ihm vorliegenden Schrifttum gerade deswegen aufgreift, weil er sie
ebenso interessant findet wie wir. Je näher man einen solchen Text
von "Nietzsche" anschaut, desto mehr verschwindet Nietzsche als Autor
und wird von einer aus Rhetorik, Philologie, Sprachphilosophie und
anderen Wissenschaften bestehenden Tradition ersetzt, die eigentlich
als sprechendes Subjekt des Textes vom Leser vernommen wird. Dadurch
wird der Text nicht weniger interessant, sondern eher interessanter,
als Beispiel einer weit verbreiteten Struktur der Wissensvermittlung
ebenso wie als Hinweis auf den im allgemeinen viel zu wenig
beachteten gleitenden Übergang zwischen dem Lesen, das niemals rein
passiv ist, und dem Schreiben, das niemals völlig originell ist - und
nicht zuletzt als Erinnerung daran, daß wir, um einen Autor wie
Nietzsche zu verstehen, nicht nur ihn selbst lesen müssen, sondern
auch seine vielen Quellen.
2006-11-15 17:07:06
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answer #4
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answered by Leony 7
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