Hallo Tamara,
Kalinka 1968 hat mich auf Deine Frage aufmerksam gemacht. Die Frage ist sehr weit gefasst, so dass man ein ganzes Buch darüber schreiben könnte. Ich versuche mal die wichtigsten Punkte zusammen zu fassen und hoffe, dass die Antwort mit dabei ist, die Du suchst.
In einer modernen Verfassung, wie z. B. dem Grundgesetz in Deutschland, werden normalerweise zwei Dinge geregelt.
1.) Die Rechte der Bürger (z. B. Menschenrechte, Gleichberechtigung von Mann und Frau, Wahlrecht, Religionsfreiheit, Pressefreiheit, Schutz vor dem Staat usw.) und genauso wichtig:
2.) Das Verhältnis der drei Staatsgewalten (Regierung, Parlament und Gerichte) zueinander. Genauer gesagt, die Verfassung regelt, was die Regierung alleine entscheiden darf, wann das Parlament zustimmen muss und wie unabhängig die Gerichte sind. Idealerweise kontrollieren sich die drei Staatsgewalten gegenseitig, so dass keine Seite zuviel Macht hat.
In einer modernen Demokratie, in der es auch unabhängige Medien (Zeitungen, Fernsehen usw.) gibt, funktionieren solche Verfassungen sehr gut. Jeder Bürger hat die gleichen Rechte und die Bundeskanzlerin kann nicht wie ein Kaiser alleine herrschen und machen was sie will.
In der römischen Antike war das schon schwieriger. In der Anfangszeit der römischen Republik gab es einen großen Gegensatz zwischen den römischen Adelsfamilien (den Patriziern) und dem einfachen Volk (den Plebejern).
Am Anfang konnten zum Beispiel nur Patrizier die höchsten Staatsämter (= Prätor und Konsul) bekommen und was noch schlimmer war: Die Gesetze waren nicht schriftlich festgelegt, so dass ein einfacher Bürger gar nicht wissen konnte, was er tun mußte, um zum Beispiel eine Klage vor Gericht erheben zu können. Außerdem war es in der Frühphase der römischen Rpublik sogar verboten, dass ein Plebejer eine Patrizierin heiratet.
Die Plebejer haben sich das natürlich nicht lange gefallen lassen. Insbesondere die Plebejer, die es zu Wohlstand gebracht hatten (Kaufleute, Händler, Handwerker usw.) kämpften gegen die Vorrechte der Patrizier.
In der Anfangsphase der römischen Republik (ca. 510 - 350 v. Chr.) gab es daher immer wieder viele kleine und große Streitigkeiten zwischen diesen beiden Ständen. Zweimal sind der Sage nach sogar die Plebejer aus der Stadt Rom ausgezogen und haben den Patrizieren gedroht, eine neue Stadt zu gründen.
Im Lauf der Zeit gab es dann immer mehr Verbesserungen für die Plebejer: So wurden zum Beispiel Gesetze schriftlich für jederman nachlesbar veröffentlicht und am Ende konnten auch Plebejer das höchste Staatsamt (= Konsul) erhalten. Außerdem konnten die Plebejer jedes Jahr Volkstribunen wählen, die das berühmte Veto-Recht hatten. Mit ihrem Veto (lat. = ich verbiete) konnten sie verhindern, dass der Senat Gesetze erließ, die den Plebejern schadeten.
Bei der Gewaltenteilung hatten die Römer für die damalige Zeit eine sehr gute Idee. An der Spitze des Staates standen zwei Konsuln, die die Regierungsgeschäfte führten und jedes Jahr neu gewählt wurden. Lange Zeit durfte dabei kein Konsul zweimal hintereinander gewählt werden. Außerdem konnte kein Konsul zuviel Macht erlangen, da er nur für kurze Zeit im Amt war und sich mit seinem Kollegen abstimmen mußte.
Die beiden Konsuln mußten sich außerdem vom Senat beraten lassen. Der Senat bestand manchmal aus bis zu dreihundert Mitgliedern. Senator wurde man nur, wenn man zuvor vom Volk als Quästor (= eine Art Beamter) gewählt wurde. In der Regel wurde man aber nur Senator, wenn man zu einer der ca. 25 führenden Großfamilien gehörte, die sich die Ämter jedes Jahr praktisch untereinander aufteilten. Der Vorteil dabei war aber, dass in jeder Familie zumindest ein Mitglied fast jedes Jahr irgendein wichtiges Staatsamt bekommen konnte. Da es außer den zwei Konsuln noch 6 Prätorstellen (die als Richter tätig waren) und viele Statthalterposten in der Provinz gab (= Proprätor oder Prokonsul). Dadurch wurde für sehr lange Zeit vermieden, dass es
1.) keinen Streit zwischen den führenden Großfamilien gab (heute würde man Eliten sagen), so dass es lange Zeit auch keine Bürgerkriege gab, die nur Not und Elend gebracht und das römische Reich ruiniert hätten und
2.) niemand die Möglichkeit hatte, sich als König zum Alleinherscher zu machen und die anderen zu unterdrücken.
Gesetze konnten übrigens - wie heute von den Parlamenten - nur vom Senat beschlossen werden. Oftmals musste aber noch das römische Volk in den Volksversammlungen den Gesetzen zustimmen, die der Senat veranschiedete. Die Volksversammlung konnte aberdas Gesetz nicht ändern, sondern nur dafür oder dagegen stimmen.
In der späteren Phase entwickelte sich dann aber ein großes Problem, dass letztlich zum Ende der Republik und zum Beginn der Kaiserzeit führte.
Zwischen den führenden Großfamilien kam es zu sehr unterschiedlichen Auffassungen, wie man die verschiedenen Probleme löst. Durch die vielen Kriege wurden sehr viele römische Bürger arm und da es keine Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung gab, waren die Menschen auf Hilfe angewiesen. Außerdem machten die Römer durch die vielen Eroberungen reiche Beute. Den größten Anteil an diesen Reichtümern bekamen aber nur die Feldherren (Konsuln und die Statthalter in den Provinzen) und damit die führenden Großfamilien.
Dadurch entstand von ca. 150 und 37 vor Chr. zwischen den Großfamilien soviel Streit um Macht und Geld , dass man irgendwann auch nicht davor zurückschreckte, seine Gegner zu ermorden.
Verschärft wurde das Problem noch dadurch, dass die Legionen in erster Linie ihrem jeweiligen Feldherrn treu waren (dafür erwarteten die Legionäre, dass sie nach Dienstende von ihrem Feldherrn soviel Geld oder Land bekamen, dass sie davon leben konnten). Die Feldherrn konnten dadurch ihre Legionen gegen ihre politischen Gegner einsetzen.
87 v. Chr. besetzte Sulla sogar mit seinen Truppen die Stadt Rom, nachdem er eine Schlacht gegen seinen Gegner Marius gewonnen hatte. Das wäre so, als wenn heute der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen mit der Bundeswehr Berlin besetzen würde und die Bundeskanzlerin stürzen würde.
Sulla ließ dann auch viele Senatoren und reiche Privatleute umbringen, um seine Gegner zu beseitigen und um an deren Vermögen zu kommen.
Nach einer kurzen Pause kam es 40 Jahre später aus den gleichen Gründen zu einem Kampf zwischen Pompeius und Cäsar, der einen langjährigen Bürgerkrieg auslöste, den am Ende Cäsar gewann. Dabei wurden viele der alten einflußreichen Großfamilien ausgelöscht. Pech für Cäsar war nur, dass sich am Ende seine Anhänger gegen ihn wandten und auch ihn ermordeten.
Danach war die (nie schriftlich niedergelegte) römische Verfassung endgültig nur noch ein Stück Marmor und die Republik am Ende. Es kam nochmal zu einem Zweikampf zwischen einem Anhänger von Cäser (Mark Anton) und dem Adoptivsohn von Cäser (Oktavian), den Oktavian gewann.
Oktvian war dann aber ein Glücksfall für die römische Geschichte. Er hatte einen Weg gefunden, den Senat als Einrichtung sowie die Prätoren-, Konsul- und Statthalterämter beizubehalten und dennoch alle Macht (die sogenannte tribuzinische Gewalt) auf sich zu vereinigen. Nach seinem Tod ging diese Macht auf seinen Stiefsohn und nach diesem auf alle anderen Nachfolger über.
Damit war Oktavian praktisch der erste Kaiser des römischen Reiches, ohne dass die Römer das Gefühl haben mußten, dass die Republik nicht mehr besteht. Zwar musste jedem intelligenten Römer klar sein, dass es mit der Gewaltenteilung vorbei war und nur noch der Kaiser das Sagen hatte; Da aber jeder Senator noch Prätor, Konsul usw. werden konnte, blieb zumindest das Gefühl übrig, dass die alte ehrwürdige Republik noch besteht (auch wenn mit diesen Ämter keine große Machtfülle mehr verbunden war).
So - kürzer ging es leider nicht. Ich würde mich freuen, wenn Du mehr "Appetit" auf römische Geschichte bekommen hast.
Viele Grüße
Thomas
2006-11-07 15:44:04
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answer #2
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answered by scipio_202 1
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