Das Geschäft mit der Angst
von Wolfgang Zeman
Als Ordnungsprinzip ist die Angst seit Urzeiten zur Lenkung der Gesellschaft genutzt worden; von
Medizinmännern und Priestern auch als seelisches Zuchtmittel, manchmal mit schrecklichen Folgen,
wie Hexenverbrennung, Flagellation und Autodafé zeigen. Demokratische und autokratische
Regierungen ängstigen ihre Untertanen durch entsprechende Gesetze. In der heutigen Demokratie
wird die Angstmacherei häufig von Minoritäten eingesetzt, um ideologische Ziele zu verfolgen, die
meist nicht im Interesse der Allgemeinheit liegen. Die Manipulation durch Angst ist zu einem
bedeutenden Faktor im Gesellschafts- und Wirtschaftsleben der Völker geworden, und die
Erfolgsrate der sich damit beschäftigenden Funktionäre hat ein hohes Niveau erreicht. Es ist also
geboten, sich mit diesem Problem auseinanderzusetzen, zumal die Einsätze immer höher werden,
die Ziele immer bedrohlicher und die Machinationen immer verwickelter und undurchsichtiger.
Niemand kann sich heute brüsten, daß er nicht gelegentlich durch von dritter Seite induzierte Angst
in seiner Handlungs- und Urteilsfähigkeit beeinträchtigt wird.
So haben viele Menschen Angst vor Hochspannungsleitungen, nicht weil sie damit etwa schlechte
Erfahrungen gemacht hätten, sondern weil gewissen Kreisen daran liegt, die moderne Technik zu
verteufeln. Deshalb behaupten sie mit Absicht fälschlicherweise, daß die elektromagnetischen
Felder um die Leitungen krebserzeugend - das ist das übliche Zauberwort in diesem Spiel - sind.
Induzierte Krebsangst hat auch das gesetzliche Einfuhrverbot für nordamerikanisches Rindfleisch
bewirkt, obwohl entsprechende handfeste Beweise nicht vorgelegt werden konnten.
Wie raffiniert die Angstmacher vorgehen, besonders wenn es um ihren persönlichen finanziellen
Vorteil geht, wollen wir jetzt an einem eklatanten Beispiel erläutern.
Der Brent Spar Coup
Greenpeace war nach seinen Erfolgen mit der Säuberung von Gewässern, insbesondere der
Nordsee, auf harte Zeiten gefallen. Die Spenden flossen immer spärlicher. Dazu kam das Gerede,
daß die Spendengelder an der Legalität vorbei geleitet wurden. Neue Möglichkeiten für Aktionen
waren weit und breit nicht in Sicht. Die Situation war aussichtslos. Da erschien eine kurze Mitteilung
in der Presse: Royal Dutch Oil Corporation plane die Versenkung einer Nördseeölplattform im
nordatlantischen Graben, in der Nähe sogenannter Vents, das sind Vulkanschlote auf dem
Meeresboden. Hier finden sich Microorganismen, die unter anderem von solchen toxischen
Ölkomponenten leben, wie sie sich im Lauf der Jahre im Tank der Plattform angesammelt hatten. Das
mußte die Rettung sein! Phantastisch: Eine Bühne in der Nordsee, nur Flugminuten von den
Kapitalen der Euroländer entfernt! Den Okularen der Fernsehkameras ohne störende Hindernisse
frei zugänglich! Von hier aus konnten riskante Schlauchbootfahrten, flotte Helicopterlandungen und
gewagte Kletterkünste direkt in die Wohnzimmer der Bürger gestrahlt werden. Ja, es war nicht
1
auszudenken, es war fast zu schön um wahr zu sein. Hatte doch schon vor Jahren das
waghalsige Manövrieren von Schlauchbooten die Ministrabilität von Monika Griefahn erbracht. Die
Sache war einfach. niemand kannte genau die Mengen der giftigen Rohölrückstände in der
Plattform. Also konnte man unbeschadet hier ein paar Potenzen zulegen. Aber der wirklich geniale
Schachzug war, daß es mit dem empörten Angstschrei der »betrogenen und von der Industie
hinters Licht geführten Volksmassen« nun plötzlich so aussah, als sollte die Brent Star ihre riesigen
Giftmengen in der Nordsee verspritzen, obwohl davon eigentlich niemals die Rede gewesen war.
Es wurden nämlich nunmehr die bei einer Versenkung in der Nordsee möglichen Folgen in den
Gazetten und im Fernsehen diskutiert. Die Bevölkerung Großbritanniens, Dänemarks, Norwegens
und Deutschlands wurde demnach von einer skrupellosen Ölgesellschaft einem Gesundheitsrisiko
ausgesetzt, das alles bisher Dagewesene hundertfach übertrifft. Eine Klarstellung war unter
diesen Umständen nicht mehr möglich und Shell mußte klein beigeben. So überzeugend war diese
Kampagne, daß ein Milliardär und Eigentümer einer weltweiten Kette von Lebensmittelgeschäften
öffentlich erklärte, er habe seine 200 plus Tausend (!) Mitarbeiter angewiesen, nicht mehr bei Shell
zu tanken. Dieser Coup kostete die Ölindustrie Milliarden und so manchem Tankstellenpächter
seinen Jahresgewinn. Dafür muß nun die Allgemeinheit aufkommen, ebenso widerspruchslos, wie
sie die Konten von Greenpeace durch generöse Spenden wieder aufgefüllt hat. Kein Reporter, kein
Politiker, kein Gericht kümmerte sich darum, ob eigentlich alles mit rechten Dingen zugegangen war,
und so konnte Greenpeace später lächelnd zugeben, daß es die Mengen des in Frage stehenden
Giftes erheblich übertrieben hatte. Sollte es sich wirklich nur um einen Berechnungsfehler
gehandelt haben, wie er unbeabsichtigt vorkommen kann?
Lagen bei diesem Beispiel die Fakten so, daß die Wahrheit von denkenden Menschen leicht hätte
ermittelt werden können, so haben die Angstmacher mit ihren Bemühungen, Kernkraft und
Gentechnologie für immer zu bannen, kaum intellektuelle Probleme. Einmal handelt es sich hier um
Vorgänge, deren Grundlagen nur wenigen Menschen zugänglich sind. Die Angstmacherei kann
also nur durch einige Fachleute entkräftet werden. Darüber hinaus ist die Wahrheit schwer zu
verstehen und liegt eigentlich nur Wissenschaftlern zum Verständnis offen.
Die Antikernkrafthysterie
Wie alle hochentwickelten Techniken, so birgt auch die Kernkraft erhebliche Risiken. In Anbetracht
der Unfälle von Three Mile Island und Tschernobyl braucht hierüber kein Wort mehr verloren zu
werden. Allerdings ist der Entwicklungsstand der heutigen Kernkrafttechnik so fortgeschritten, daß
Unfälle in dieser Art und Schwere nicht mehr zu erwarten sind. Sie liegen immerhin 20 bzw. 13
Jahre zurück. lm Vergleich mit der Energieerzeugung durch Brennstoffe wie Kohle, Erdgas und Öl
schneidet die Kernenergie hervorragend ab, weil Gewinnung, Transport und Verbrennung fossiler
Energieträger weltweite Schäden verursacht, die kumulativ jährlich etwa zwei GAU (größter
anzunehmender Unfall) entsprechen. Dem stehen zwei, allenfalls halbe GAUs während der letzten
20 Jahre bei der Kernenergie gegenüber. Diese eindeutig höhere Sicherheit der
Kernenergieerzeugung erklärt sich damit, daß der Aufwand an fossilen Brennstoffen zur
2
Produktion einer gegebenen Menge Energie 3000mal mehr Gewicht hat und daß die Transportwege
für Uran wesentlich kürzer sind, seine Gewinnung bedeutend einfacher und ungefährlicher. Dazu
kommt, daß Kernenergie billiger ist als die aus Verbrennung gewonnene, nicht zu reden von der
Energieerzeugung durch Wind und Sonnenstrahlung.
Bei dieser Sachlage ist es unverständlich, daß es einer unbedeutenden, aber lautstarken Minderheit
gelingen sollte, Mehrheitsbeschlüsse für ein gesetzliches Verbot der Kernenergie zu erwirken. Mit
Ansteckplaketten: »Kernkraft? Nein danke!« war dies nicht zu erreichen, um so weniger, als
objektive, überzeugende Argumente nicht zu erbringen sind. Nein, es wurde eine Angstkampagne
aufgezogen, die sich jeder nur denkbaren Täuschung und Unwahrheit bediente und damit
erfolgreich war. Es ist ein Lehrbeispiel für eine maliziöse Volksverdummung. Sehen wir uns an, wie
es gemacht wurde.
Der Umgang mit radioaktiven Materialien erfordert Sachkenntnis und Sorgfalt, da es sich um höchst
gefährliche Substanzen handelt. Diese fallen in großen Mengen bei der Produktion von Kernenergie
an und müssen umweltfreundlich und unschädlich entsorgt werden. Diese Entsorgung war
jahrelang mangelhaft, vor allem in der früheren Sowjetunion, ist aber heute effektiv und absolut
sicher, auf jeden Fall in Deutschland. Kernkraftgegner argumentieren nun, daß die Entsorgung als
solche zwar sicher sein mag, aber daß sie nicht gewährleistet ist. Gerade darum hat sich die
Industrie jahrelang bemüht, ohne Kosten zu scheuen, und der Erfolg ist beachtlich. Der heutige
Stand der Entsorgung entspricht allen nur denkbaren Anforderungen. Zukünftigen weitergehenden
Erfordernissen wird durch entsprechende Planung Rechnung getragen. Hierauf gründeten die
Überlegungen der Kernkraftgegner, und sie beschlossen, diese Planungen zu hintertreiben,
gegebenenfalls durch Gerichtsverfahren aufzuhalten, um auf diese Weise die gut funktionierende
Entsorgung zu behindern, wenn nicht gar zu unterbinden. Mit Hilfe von Bürgerinitativen, die völlig
ungerechtfertigte Einsprüche gegen die Errichtung von Endlagerungsstätten erheben, wurde die
Entsorgung für längere Zeit aufgehalten. Die Agitatoren konnten dann, scheinbar mit Recht, darauf
hinweisen, daß die Entsorgung nicht gewährleistet ist, weshalb die Kernenergie eben ein
unverantwortliches Risiko bedeutet. Die gewaltträchtigen »Demonstrationen« gegen den Transport
von radioaktivem Müll verfolgten dasselbe Ziel. Hierbei wird das Engagement von Chaoten und
Spinnern generalstabsmäßig organisiert und zur Wirkung gebracht, so daß die Polizei sich nicht
mehr in der Lage sieht, den Spuk zu kontrollieren und von sich aus vorschlägt, die Transporte zu
unterlassen. Wiederum wird eine funktionierende Entsorgung in Frage gestellt. Mit zynischer
Arroganz wird den Polizisten weisgemacht, daß sie durch Verschmutzungen der Castorbehälter
»verstrahlt« wurden und mit Krebs oder anderen ernsten Gesundheitsschäden zu rechnen hätten.
Natürlich ist nicht das Geringste davon wahr, denn die Strahlung der »verseuchten« Castorbehälter
ist womöglich geringer als die einiger der begleitenden Polizisten. Aber was nützt die Kenntnis der
Wahrheit, wenn die Lüge übermächtig ist?
Eine zweite auf Angsterzeugung gerichtete Strategie der Kernkraftgegner fußt auf der
Behauptung, daß Kernkraftwerke bei den Anwohnern Krebs hervorrufen können. Wer möchte
dieses Risiko schon eingehen? Als »wissenschaftlicher« Beweis muß die tödliche Leukämie Marie
3
Curies herhalten. Auch die Erinnerung an die Greuel von Hiroshima und Nagasaki wird durch
geeignete Publikationen, Gedenkfeiern und dergleichen in den Köpfen der zu bearbeitenden
Bevölkerung wachgehalten, obwohl Atombombenexplosionen etwas völlig anderes sind als
etwaige Unfälle in nuklearen Installationen. Erwartungsgemäß erscheinen auch schon die ersten
wissenschaftlichen Arbeiten über das gehäufte Auftreten von Leukämien in der Umgebung von
Kernkraftwerken. Weil ein lückenloser Zusammenhang aber mit dem besten Willen nicht konstruiert
werden kann und selbst pseudowissenschaftlich nicht nachzuweisen ist, müssen andere
Argumente fabriziert werden. Willige und zu allem fähige »Wissenschaftler« dokumentieren
nunmehr, daß auf den Dachböden von Häusern der Gemeinden, in denen der Blutkrebs gehäuft
auftritt, Ansammlungen von radioaktivem Plutonium und Neptunium gefunden wurden. Offensichtlich
ist das naheliegende Kernkraftwerk dafür verantwortlich. Was aber tunlichst nicht erwähnt wird
ist, daß es sich bei den beschuldigten Substanzen eindeutig um Rückstände aus den
atmosphärischen Atombombenversuchen der fünfziger Jahre handelt, die fast überall auf der Erde
niedergegangen sind und nachgewiesen wurden. Sie sind unschädlich, auf keinen Fall für
irgendwelche menschlichen Krankheiten verantwortlich und kommen garantiert nicht aus einem
Kernkraftwerk. Aber wen interessiert das? Die Angst vor dem Kernkraftwerk ist in das Bewußtsein
der Bevölkerung eingedrungen und wirkt dort im stillen. Die Antikernkraftideologen haben mit
ihrer Desinformation leichtes Spiel, denn das Wesen der Kernkraft sind Strahlen, die uns Menschen
auf immer verborgen bleiben, weil wir nicht über entsprechende Sinnesorgane verfügen. Sie
müssen durch komplizierte technische Apparate aufgezeigt werden. Es gibt solche sogenannten
ionisierenden Strahlen in großer Mannigfaltigkeit. Ebenso ausgedehnt ist das Spektrum ihrer
Wirkung auf Lebewesen. In manchen Fällen ist die Wirkung notwendig, in anderen ist sie
erwünscht und in wieder anderen schädlich. In vielen Fällen kann man sie vernachlässigen. Diese
Vielzahl der Möglichkeiten kommt natürlich den Angstmachern zugute, weil kaum jemand in der Lage
ist, die einzelnen Fakten so aufzugliedern, daß ihre Effekte insgesamt beurteilt werden können. Zur
Wirkung von ionisierenden Strahlen auf biologische Systeme, also Pflanzen, Tiere, Menschen,
Mikroorganismen liegen aber gut fundierte und aussagefähige Erkenntnisse vor:
1. lonisierende Strahlen durchziehen das gesamte Weltall, und sie werden in verschiedenem
Ausmaß von vielen Materialien erzeugt und verursachen die sogenannte background radiation,
eine Hintergrundstrahlung, die überall vorhanden ist und die in ihrer Intensität schwankt.
Besonders hoch ist sie in Städten wie Aberdeen, wo die Häuser aus stark radioaktiven
Natursteinen gefertigt sind, und in allen Hochgebirgen, wo die interplanetare Strahlung durch die
dünne Lufthülle wenig abgeschwächt wird. Auch im menschlichen Körper befinden sich
radioaktive Atome, z. B. Kalium-40, die den Menschen zu einem strahlenden Objekt machen, mit
einer Ausstrahlung, die manchmal nur wenig unter den gesetzlich erlaubten Strahlenintensitäten
liegt.
2. Ohne ionisierende Strahlen gäbe es kein Lebewesen, da die Energie dieser Strahlen notwendig
ist, um biologisch aktive Moleküle, wie Aminosäuren und die Basen von Nukleinsäuren aus
Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff und Schwefel zu synthetisieren.
4
3. Jedes Lebewesen ist gegen die schädlichen Wirkungen dieser Strahlen geschützt, allerdings
nur in einem Maße, das in etwa der Intensität und Dosisleistung der überall präsenten
Hintergrundstrahlung entspricht. Grundsätzlich verfügt jede Zelle über Mechanismen, die
strahlenbedingte Molekularschäden am Erbgut ausschneiden und dann ersetzen.
4. Ebenso wichtig wie die physikalischen Größen der Strahlung ist die Qualität des
strahlenabsorbierenden Materials. So können z. B. viele Lebensmittel sehr hohe Strahlendosen
in kurzer Zeit absorbieren ohne Schaden zu nehmen, was zur Sterilisierung genutzt wird, da
die Strahlung etwa vorhandene Keime mit Sicherheit tötet. Auch gewisse menschliche
Körperteile sind relativ »strahlentolerant«, wie z. B. das Gehirn, Knochen und Knorpel.
5. Die Faktoren, die die biologische Wirksamkeit bedingen, sind bekannt. Dabei handelt es sich
einmal um die verschiedenen physikalischen Faktoren der Strahlen. Der wichtigste
Gesichtspunkt hier ist die Fähigkeit der Strahlung, auch dahin zu gelangen, wo sie eine Wirkung
entfalten kann. Und diese Voraussetzung wird in den meisten Fällen nicht erfüllt, da alle Materie,
also auch die Luft, Strahlen absorbiert und damit wirkungslos macht.
Wie sehr sich die Auswirkungen der Angstmacherei gegen die Kernkraft in den Köpfen der
Menschen festgesetzt haben, zeigt die folgende Beobachtung. Sterben in einer belgischen
Kohlenzeche einige Arbeiter durch einen Unfall, dann findet man in unseren Zeitungen eine kleine
Notiz. Kommen in der Türkei einige Dutzend Bergleute beim Kohlenabbau um, dann widmet man
ihnen vielleicht einige Zeilen. Kommen aber hunderte von Kumpels in China um, dann wird davon
kaum Notiz genommen. Beginnt jedoch in einem japanischen Kernkraftwerk ein Rohr des
Kühlsystems zu lecken, nota bene ohne daß jemand zu Schaden kommt, dann ist das gut für einen
zweispaltigen Artikel im Hauptteil der deutschen Tageszeitungen.
Der Haß auf die Gentechnologie
Ebenso wie bei der Kernkraft sind es bei der Gentechnologie fast ohne Ausnahme ideologisch
verblendete Fanatiker, die sie bekämpfen. Oftmals handelt es sich sogar um dieselben ldeologen,
die auch hier, wie bei der Kernkraft, keine stichhaltigen Gründe für ihre gesellschaftlich
unerwünschten, abstrusen Ziele anbieten können. In Ermangelung von überzeugenden Argumenten
verfallen sie auf Angstmacherei unter Hinzuziehung von Desinformation, Terror und selbst Gewalt,
um ihr Anliegen voranzubringen, und sie sind damit auch erfolgreich. Diese Aktivisten haben
leichtes Spiel, weil die Bevölkerung über die Grundlagen der Gentechnologie kaum orientiert ist.
Unkenntnis ist der Nährboden von Zwecklügen, und so wird alles getan, um das Niveau der
Kenntnis so niedrig wie möglich zu halten. Hier kommt den Ideologen, ebenso wie bei der Wirkung
ionisierender Strahlen, zupaß, daß die Materie spröde ist und daß manche Fragen auch heute noch
nicht eindeutig beantwortet werden können. Aber werfen wir erst einmal einen Blick auf die
fundierten Tatsachen.
Die Gentechnologie befaßt sich mit der gezielten, vorhersagbaren Veränderung des Erbmaterials
5
von Lebewesen mit der Absicht, die Eigenschaften dieser Lebewesen zu verbessern oder zum
Vorteil der Menschen zu verändern. So werden Kulturpflanzen ertragreicher gemacht,
widerstandsfähig gegen Schädlingsbefall, unabhängig von klimatisch bedingten
Wachstumsstörungen etc. Bakterien werden »hergestellt«, die schädliche Substanzen entgiften,
verseuchte Böden regenerieren, Arzneimittel produzieren, Schutzstoffe enthalten, die die
Lagerfähigkeit von Lebensmitteln verbessern etc. Schließlich werden auch Säugetiere mit Genen
ausgestattet, die die Produktion wichtiger biologischer menschlicher Substanzen, wie Hormone,
Cytokine, Wachstumsfaktoren etc. in Milch oder Serum ermöglichen. Für alle diese Unternehmungen
ist es erforderlich, die notwendigen Gene zu übertragen, d. h. die Gentechnik beschäftigt sich mit
der Produktion »transgener« Individuen.
Auf mögliche Gefahren dieser transgenen Technik haben sich ihre Gegner konzentriert, weil damit
ein Horrorszenario leicht zu erfinden ist. »Stellen Sie sich vor«, heißt es da, »wenn beim Cloning
von Menschen lauter Frankensteins herauskommen? Wollen Sie etwa riskieren, das Gen eines
Maikäfers, einer Rapspflanze, eines Regenwurms in sich zu tragen? Was passiert, wenn die Gentechniker
ein Unkraut produzieren, das unsere Kulturpflanzen überwuchert, gegen das kein
wirksames Vernichtungsmittel gefunden wird?«
Zugegeben, die meisten von uns sind dieser Art von Argumentation nicht zugänglich, weil sie
fragwürdige und unwahrscheinliche Szenarios ins Feld führt. Deshalb greift man zu subtileren,
aber desto wirksameren Argumenten. "Schließlich will ich doch noch etwas unverfälschte Natur
haben« ist häufig als Grund der Gegnerschaft gegen die Gentechnologie von ganz normalen
Durchschnittsbürgern zu hören. Ja, das wollen wir alle, ob es nun die Landschaft betrifft oder
unsere Ernährung. Da die Gentechnik etwas grundlegend Neues schafft, so argumentieren ihre
Gegner, verfälscht sie eben die Natur, so wie Kunsthonig kein Naturhonig ist. Diese Analogie ist
falsch. Richtig ist allerdings, daß heute viele Lebensmittel verfälscht sind, jedoch nicht durch
Gentechnik. Das Mehl zum Beispiel, das wir im Supermarkt kaufen, ist durch chemische und
physikalische Einflüsse so verändert, daß Mehlwürmer nicht mehr darin leben können, weil eben
die normalen Enzyme und andere wichtige Eiweißstoffe und Mineralien zerstört oder entfernt
worden sind. Der Naturschützer, der sich dagegen auflehnt, ist aber nicht in Sicht.
Die Gentechnologie verfälscht gar nichts. Sie ist letzten Endes nichts anderes als die Fortsetzung
der zehntausend Jahre alten Bemühungen der Menschen, durch Züchtung zu besseren
Getreidearten, zu domestizierten Fleischtieren, zu mehr effizienten Futterverwertern zu kommen.
Die heute angewandten Methoden sind alle der Natur abgesehen. So ist zum Beispiel der
Austausch von Genen zwischen verschiedenen Spezies eine seit hunderten von Millionen Jahren
geübte Technik der Natur, die die Entwicklung der heutigen Lebewesen aus den einzelligen
Organismen erst möglich gemacht hat. In unserem Erbgut tragen wir daher nicht nur Gene von
Menschenaffen, sondern dutzendweise von Viren, Bakterien, Insekten und sogar von Pflanzen,
und das gilt für alle heutigen Lebewesen, ob Tiere, ob Pflanzen. Die Inaktivierung von Genen, ein
wichtiges Werkzeug der Gentechnologie, wurde ebenfalls von der Natur kopiert. Im Gegensatz zur
Natur ist die Gentechnologie jedoch effizienter, weil sie heuristisch, das heißt gezielt, arbeitet und
6
nicht empirisch.
Die langährige Erfahrung mit der Gentechnologie hat bislang keinerlei Anhalt dafür ergeben, daß die
Argumente ihrer Gegner stimmen. Deshalb ist die Kennzeichnung von Lebensmitteln bestenfalls
eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, aber auf keinen Fall bietet sie Schutz gegen eine unbestimmte
Drohung. Sie ist unnötig.
Schlußbetrachtung
Wie man sieht, ist die Angstmacherei ein effizientes Werkzeug, mit dessen Hilfe lautstarke und
skrupellose, oft chaotische Minderheiten soliden Regierungen und ganzen Völkern ihre Meinungen
aufzwingen, mögen diese auch noch so abstrus sein. Dabei wird mit ostentativem Stolz auf die
erreichten Errungenschaften verwiesen und nicht vergessen, das ganze Getue als einen Sieg der
Demokratie darzustellen. Die Bilanz für unser Land ist jedoch niederschmetternd, ist verheerend.
Durch die Agitation gegen die Gentechnologie sind Tausende von fähigen Wissenschaftlern
ausgewandert, ein Verlust, der auf viele Milliarden Mark beziffert werden muß.
Große Industrien haben sich ebenfalls ins Ausland abgesetzt, wobei Tausende von Arbeitsplätzen
verlorengegangen sind, wie z. B. im Fall Höchst. Die Firma ist eben im Begriff, ihren Sitz nach
Straßburg zu verlegen, wieder ein enormer finanzieller Schaden und ein deprimierender Verlust an
Prestige. Im Vergleich mit den USA, Großbritannien, Japan, China, Taiwan und vielen anderen
Ländern, ist Deutschland auf dem Gebiet der Gentechnik heute ein Entwicklungsland, das
hoffnungslos hinter dem Fortschritt der anderen Länder herläuft. Was könnte hierfür ein
überzeugenderes Indiz sein, als die von den Agitatoren in Brand gesetzten, mit transgenen
Pflanzen bestückten Versuchsfelder? Und wie reagieren unsere Politiker, unsere Justiz, unsere
Medien auf solche Aktionen?
Mit der Kernenergie ist es vielleicht noch nicht ganz so weit, doch droht die Regierung, diese Sparte
der Industrie gesetzlich zu verbieten. Damit würde die führende Position Deutschlands auf dem
Gebiet der Reaktortechnik verlorengehen, und die deutsche Industrie wäre gezwungen, sich aus
dem interessanten Geschäft des nuklearen Anlagenbaus zu verabschieden. Deutschland müßte
Atomstrom, möglicherweise aus Frankreich, importieren. Hunderttausende von Arbeitsplätzen
werden verlorengehen. Die schädlichen klimatischen Folgen werden weltweit zu spüren sein, alles
nur, weil einige Fanatiker ihrer absurden Ideologie mit Hilfe von Angstmacherei zum Durchbruch
verholfen haben. Die Zukunft unseres Landes ist trübe.
Müssen wir das alles widerspruchslos hinnehmen? Wenn nicht, was kann, was muß getan
werden? Gewiß eine bessere Aufklärung, eine Vertiefung der Kenntnis der Natur und ihrer
Gesetze wäre eine Antwort. Aber wer soll diese Aufklärung, diese Kenntnisse vermitteln?
Diejenigen, deren natürliche Aufgabe es wäre, sind allzu oft selbst Wirrköpfe. Am besten wäre
natürlich, man würde diesen Propheten der Angst keine Aufmerksamkeit zollen. Aber wie kann man
die Menschen lehren, sie zu erkennen? Oder sollte man gegen den Irrglauben direkt angehen? Auch
7
das wird nicht viel bringen, denn die Skrupellosigkeit dieser Aktivisten läßt sie auf die skurrilsten
Ideen kommen. So haben sie versteckt und ohne großes Aufsehen die Gesellschaft für eine
erfolgversprechende Angstmacherei durch Verdummung »aufgeweicht«, indem sie den
christlichen Glauben der Lächerlichkeit preisgeben und damit diskreditieren, um so die
Nichtgläubigen für ihre Horrorvisionen empfänglicher zu machen. Nicolas Gomez Davila hatte diesen
Zusammenhang wohl klar erkannt, als er schrieb »Es gibt keine Dummheit, an die der moderne
Mensch nicht imstande wäre zu glauben, sofern er damit nur den Glauben an Christus ausweicht.»
Liegt in dieser Erkenntis der Schlüssel zur Hoffnung oder läßt sie uns an der Zukunft verzweifeln?
Anschrift des Autors
Dr. med. Wolfgang Zeman
Bahnhofstr. 34c
56112 Lahnstein
Email: Wolfizeman@aol.com
8
2006-09-25 19:37:21
·
answer #2
·
answered by Anonymous
·
0⤊
0⤋