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Viele seriöse Wissenschaftler sind der Meinung, dass Teile der länger zurückliegenden Geschichte komplett umgeschrieben werden müssten. Die Vorstellungen die wir vom Mittelalter haben, z.B. beruhten nur auf Annahmen, die aus bestimmten Fundstücken und Überlieferungen geschlossen worden sein. Dabei entwickelte sich eine Eigendynamik, sodass bald nicht mehr zwischen gesicherten Fakten und wagen Vermutungen unterschieden werden konnte. Das Mittelalter in Mitteleuropa z.B. kann durchaus auch ganz anders ausgesehen haben, als wir uns das anhand von "Mittelalterfilmen und -Büchern" Glauben machen möchten. Noch schlimmer ist es mit bestimmten Episoden der Antike, über die wir noch weniger wissen.

Was meint ihr dazu? (Ich habe eine Meinung dazu, schreibe sie jedoch später erst als Details...)

2006-09-01 23:59:49 · 17 antworten · gefragt von menschliches.wesen88 6 in Kunst & Geisteswissenschaft Geschichte

17 antworten

Ich denke, hier kann man nicht eindeutig von vertrauenswürdig/nicht vertrauenswürdig sprechen. Manches ist "einigermaßen" vertrauenswürdig, meist das, was durch archäologische Funde belegt ist. Natürlich gibt es auch hier Irrtümer und Interpretationsspielräume, aber immerhin hat man als Grundlage "harte Fakten", die eine gewisse Objektivität besitzen (eine ausgegrabene Tonscherbe IST, sie ist nicht VIELLEICHT, man kann sie nicht wegdiskutieren und sie existieren unabhängig von einer Meinung). Allerdings sind Fundstücke oft zu lückenhaft, um ein geschlossenes Bild zu liefern, sie sind nicht frei von Interpretationen (wurde eine Schüssel hier hergestellt oder importiert?) und auch hier geschehen genug Irrtümer (z.B. in der Datierung).

Betrachtungen, die auf Sachkritik oder experimenteller Archäologie beruhen, dürften auch noch recht zuverlässig sein - vorausgesetzt, die Sachkritiker und Experimentatoren haben auch hinreichend gute Grundlagen verwendet.

Schriftlichen Aufzeichnungen kann man weit weniger trauen. Alles, was geschrieben wird, wird mit einem hinterlegten Zweck geschrieben. Nach Kriegen kann der Sieger sich immer rechtfertigen - schuld waren die anderen - und nicht selten springen Autoren der Verliererseite auf den Zug auf und biedern sich an.
Nach gesellschaftlichen Umbrüchen versuchen die Autoren des neuen Systems oft, ihre neue Welt als die bessere darzustellen, was nicht selten auf eine Verteufelung des Alten hinausläuft. Wer weiß, vielleicht würden wir über Wilhelm II und Tirpitz etwas freundlicher denken, wenn die Weimarer Republik nicht so sehr um Akzeptanz hätte kämpfen - und schreiben - müssen. Hier schrieben nicht nur die Sieger des Ersten Weltkrieges Geschichte, deutsche Autoren verteufelten das Kaiserreich kräftig mit - und bei aller berechtigten Kritik an Willi II gingen sie dabei vielleicht zu weit?!.

Überhaupt muß man bei Rechtfertigungsschriften aufpassen. Hans Delbrück analysiert sehr aufschlußreich Caesars Zahlenangaben in seiner "Geschichte der Kriegskunst - Band 1" und nimmt sie regelrecht auseinander. Ob er recht hat, weiß ich nicht, aber seine auf Sachkritik statt geschriebener Quellen beruhenden Analysen geben den Galliern ein anderes Gesicht.

Oft wird auch versucht, dem Leser eine Meinung aufzunötigen. Neros schlechter Ruf dürfte auch daranliegen, daß meist nur spätere christliche Quellen verwendet werden - und diese christlichen Autoren waren wohl nicht geneigt, Nero als nette Person zu schildern.
Das Phänomen gibt es heute - im Zeitalter der "objektiven" Geschichtswissenschaft - auch noch. Ein gewisser ZDF-Historiker wurde nach einer Dokumentation über die Bismarck gefragt, warum er bestimmte Fakten weggelassen oder irreführend dargestellt habe. Seine Antwort war, daß es nicht im Interesse des deutschen Fernsehens sei, eine Sendung so aufzubauen, daß der Zuschauer evtl. Sympathien für die Bismarck entwickeln könne. Sprich, da wurden mir als "mündigem" Bürger bewußt Dinge verschwiegen oder falsch hinterbracht, nur, damit ich nicht evtl. eine unerwünschte Meinung annehmen könnte.

Interpretationen sind wohl das schwächste Glied in der Kette der Geschichtsschreibung. In allen Wissenschaften werden etablierte Theorien wie Erbtanten behandelt, man hätschelt sie, aber man kritisiert sie nicht. Daher können manche Interpretationen fortbestehen, wenn sich die Gegenbeweise längst himmelan türmen. Auch unterliegen Interpretationen nicht selten Modeerscheinungen - ich entsinne mich eines interessanten Gesprächs mit einem Historiker über die Definition eines Volkes. Was ist bspw. das Volk der Goten - und wie wurde die Frage in den vergangenen 200 Jahren beantwortet...

Von daher denke ich, man kann den Funden am meisten vertrauen, der Logik und dem Experiment weitgehend, aber allem Geschriebenen und der Interpretation nur mit großer Vorsicht und Betrachtung der Motive des Autors. Letztlich wird auch dem interessierten Laien nur übrigbleiben, sich selbst eine Meinung zu bilden - und bereit zu sein, diese zu ändern, wenn andere, neue Gesichtspunkte auftauchen. Die Geschichtsschreibung wird jedenfalls - ohne das Mittel einer Zeitreise - nie zu einem endgültigen Ergebnis kommen.

2006-09-02 02:41:30 · answer #1 · answered by egima 5 · 0 0

Sie ist überhaupt nicht glaubwürdig.
Erstens, weil man überhaupt nichts nur "glauben" sollte, und zweitens, weil sie stets von den Siegern und den Herrschenden geschrieben wurde. Die haben natürlich ihre Version der Nachwelt überliefert.
Übrigens wird die Unglaubwürdigkeit immer größer, je näher wir dem Heute kommen. Über das 20. Jhdt ist eigentlich nur "Gedeichseltes" im Umlauf.

2006-09-02 07:25:38 · answer #2 · answered by 1blague 2 · 2 0

Ich denke, es gibt da (neben fehlenden Zeitzeugnissen) 2 Grundprobleme:

1.) Alles was geschrieben wird, wird aus der Sicht des Schreibenden geschrieben. Damit meine ich, dass selbst bei wissenschaftlichen Arbeiten eine gewisse Subjektivität nicht zu vermeiden ist, so wie das auch bei allen anderen Schriften der Fall ist, selbst wenn sie sich um Objektivität bemühen. Dies ist umso problematischer, wenn nur teilweise Fakten und Zeugnisse überliefert sind.

2.) Auf die "Mittelalterfilme und -bücher" gebe ich offen gestanden nicht allzu viel, da sie das Ziel haben, möglichst viele Menschen in ihren Bann zu ziehen. Die Leute wollen Blut sehen (warum verkauft sich wohl die Bild-Zeitung so gut?), und diesem Bedürfnis kommen die mehr populären als wissenschaftlichen Mittelalterfilme und -bücher nach. Die Objektivität und der wissenschaftliche Anspruch bleiben dabei zwangsläufig auf der Strecke.

Alles in allem bin ich der Ansicht, dass man, wenn man sich Geschichtsschreibung anschaut, immer mehrere, wissenschaftliche Quellen studieren muss, möchte man insgesamt ein einigermaßen zuverlässiges Bild erhalten.

2006-09-02 07:10:01 · answer #3 · answered by Anonymous · 2 0

Natürlich ist die Geschichtsschreibung anhand von Fundstücken lückenhaft und teilweise unsicher.
Die Bücher, von denen Du sprichst, haben sicherlich gewisse Ansatzpunkte, liegen aber eher im Bereich der Populärwissenschaften und verfolgen hauptsächlich das Ziel, mit schlagzeilenartigen (und schwer nachvollziehbaren) Thesen Auflage zu machen.
Vorsicht! Nicht alles glauben...

2006-09-02 07:05:05 · answer #4 · answered by iceman73 2 · 2 0

Die Geschichtsschreibung kann unter KEINEN Umständen vertrauenswürdig sein
Sie wurde nur von den Siegern geschrieben
Man will uns durch Geschichte auch manipulieren

2006-09-02 20:51:30 · answer #5 · answered by Anonymous · 1 0

Zu dieser Frage kann ich den Interessierten nur hinweisen auf Uwe Topper: ERFUNDENE GESCHICHTE (leben wir im Jahre 1702?)
natürlich wird Herbert Illig auch erwähnt dabei

2006-09-02 13:41:16 · answer #6 · answered by Anonymous · 1 0

Die Geschichte und der Büstenhalter haben viel Gemeinsames: beide verstellen die Wirklichkeit.

2006-09-02 08:50:33 · answer #7 · answered by Leony 7 · 1 0

napoleon hat mal gesagt, geschicht ist die lüge, auf die sich alle geeinigt haben.

2006-09-02 08:38:25 · answer #8 · answered by old knitterface 5 · 1 0

Geschichte wird staendig umgeschrieben weil neue Information auftauchen. Die Kelten galten als tumbe Barbaren, neue Forschungen belegen das Gegenteil. usw

2006-09-02 07:21:33 · answer #9 · answered by Anonymous · 1 0

genau diese frage hab ich neulich noch mit einem bekannten diskutiert!
er hatte auch ein schönes beispiel: über die kriege, die die ollen römer geführt haben, gibt es praktisch nur schriftliche aufzeichnungen von den römern selber. und wie kriegsberichte aussehen, die man selber macht, sehen wir ja heute auch noch (bush!?)

2006-09-02 07:11:08 · answer #10 · answered by Anonymous · 2 1

Wie du schon Geschrieben hast hat jede Geschichte die erzählt wird irgendwann eine Eigendynamik.

2006-09-02 07:10:56 · answer #11 · answered by Gernuv 5 · 1 0

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