Hallo,
diese Frauen sind oft langsam in diesen Teufelskreis hineingerutscht. Die Misshandlung hat oft nicht am ersten Tag angefangen.
Oft wirkt der Mann auf sie und die Umgebung ganz wie der "gute Kumpel" - ein lieber, beliebter Mann, hilfsbereit und überall gut angesehen...
Nach innen hin ist es so, dass er aber ganz und gar nicht selbstbewusst ist. Oft hat er ein starkes Bedürfnis, sich zu beweisen, und seine "Würde" ist leicht angekratzt, ihm ist nichts wichtiger als seine Würde.
Er fühlt sich sehr unsicher, und kann nichts weniger vertragen als wenn er sich "nicht ernstgenommen" fühlt. Wenn er das Gefühl hat, seine Frau nimmt ihn nicht ernst - und sei es, weil sie doch wissen müsste, dass er es nicht mag, wenn noch schmutziges Geschirr in der Spüle steht oder Ähnliches - dann fühlt er sich in seiner ganzen Persönlichkeit aus der Bahn geworfen und reagiert absolut unverhältnismäßig aggressiv, reagiert beleidigt auf diese "Respektlosigkeit", und in schlimmen Fällen sogar mit richtiger verbaler oder sogar physischer Misshandlung. In vielen Fällen steigert sich das mit den Jahren. Natürlich gibt er dann ihr die Schuld, weil sie sich ja nicht "benehmen" kann.
Die Frau ist oft jemand, der ihrem Partner sehr gefallen will - überdurchschnittlich stark. Nur wirkt sich das bei ihr anders aus - sie nimmt überdurchschnittlich viel Rücksicht auf ihn, sieht oft seine Empfindlichkeit anfänglich nicht in der ganzen Tragweite und möchte ihm vielleicht sogar noch helfen über traumatische Kindheitserfahrung von Demütigung und Schlägen hinwegzukommen, die ganz klar zu seinem heutigen Verhalten führen.
Sie lobt ihn, er saugt das auf wie ein Schwamm, weil er Anerkennung nie erlebt hat.
Schlimm ist es, dass sie oft auch ihren Partner zum Maßstab für alles macht: soll heißen: Wenn er sagt, etwas ist gut, dann ist es gut und vice versa.
Und wenn er sie kritisiert ist sie nur allzu gerne bereit, alles anzunehmen, weil man ja kritikfähig sein muss. Es geht ein bisschen unter, dass er sich kaum oder gar nicht entschuldigt - weil das seine Würde ankratzen würde.
Dadurch rutscht es aber mit den Jahren in ein Ungleichgewicht. Mit der Zeit beginnt sie es wirklich so zu sehen, dass (fast) immer sie für alles verantwortlich ist.
Denn wenn dann eine erste Krise kommt - und die gibt es ja in jeder Beziehung mal - zeigt sich dann bei solchen Paaren, dass die Konfliktlösung nicht funktioniert.
Dann bekommt der Mann in einer Krisensituation (die auch rein in seinem Kopf statt finden kann) auf einmal aus heiterem Himmel einen cholerischen Anfall, weil er mit der Situation nicht anders umzugehen weiß als sie immer mehr verbal und manchmal körperlich zu deckeln - weil sie für ihn, in seinem Kopf, und oft auch in ihrem eigenem längst diejenige ist, die weitaus mehr Fehler hat - oder sogar einzig "schuldig" ist.
Und wenn sie Fehler macht - selbst wenn er dieselben Fehler auch schon gemacht hat (z. B. Licht brennen lassen im Bad, wenn man nicht drin ist) - dann sind die immer schwerwiegender als die seinen.
Das ist mit der Zeit so eingeprägt, dass er sich daran gewöhnt, sie zu behandeln als sei sie eben weniger wert.
Er beginnt sie auch zu verachten.
Und mit den Jahren - manchmal ein Jahrzehnt - kommt es dann dazu: Gerade wenn er "nur" verbal misshandelt, und nicht zuschlägt, sondern "nur" in Angst und Schrecken versetzt, fällt es ihr oft schwer, überhaupt zu erkennen, ob es noch ok ist, wie er sie behandelt.
Auch wenn er sie mit Strafen belegt wie ein Kind, und wenn sie in ständiger Angst vor psychischer Misshandlung und sogar vor einem Eskalieren ins Körperliche lebt - bis hin zum Mord.
Sie ist aber längst in einem Teufelskreis - sie ist ja jahrelang gewöhnt daran, ihm gefallen zu wollen - ihrem Maßstab für ihr Leben.
Sie versucht ständig zu erraten wie sie verhindern kann, dass er sich aufregt. Was könnte sie tun, damit er keinen Wutausbruch bekommt? Ist das Geschirr auch wirklich blitzsauber? Ist sein Lieblingssessel auch wirklich freigeräumt? Könnte ihn doch irgendetwas aufregen???
Sie versucht es immer. Panik eine Stunde bevor er von der Arbeit nachhause kommt...
Dann entweder Erleichterung - wenn er einen "guten" Tag hat...
Oder aber... die Explosion - er wird immer irgendetwas finden, damit er seine Laune an ihr auslassen kann.
Er behauptet, seine Liebe könne er abschalten - und wenn er sauer wird, tut er eben das, was ihm gut tut. Er lacht Dir ins Gesicht, wenn Du weinst, reagiert aggressiv auf Tränen, so dass Du lernst (du willst ja gefallen... und vor allem diese Aggressionen verhindern!) nicht zu weinen. Du verlernst richtig zu weinen, weil die ja "emotionale Erpressung" sind.
Du hast immer Angst vor einem "noch schlimmer".
Entweder, dass er zum ersten Mal auf Dich körperlich losgeht, nach vielen Jahren in denen er das nicht mehr getan hat (aber Du weißt, dass er dazu fähig ist, in Aggression ist er nicht mehr er selbst, denkt nicht mehr klar) oder das es noch schlimmer werden könnte...
Er stellt Regeln auf, an die Du Dich hältst, weil Du merkst, Du kannst einfach nicht gehen. Er ist doch Dein Maßstab, und Du siehst Deine emotionale Abhängigkeit... kannst die nicht ändern, weißt selbst nicht mehr, ob Du wirklich so unmöglich bist, dass Du so eine Behandlung verdient hast - Du siehst zwar, er macht auch Fehler, aber bist eben in Jahren gewöhnt, dass Du vor allem Deine Fehler siehst...
Dein ganzes Selbstbild ist dann bestimmt von einem Mann, der Dich verachtet - der Dich behandelt als sei er der (schlechte!) Vater und Du das unmündige Kind.
Weil er ständig vermutet, dass Du ihn nicht genug achtest - weil man in Angst einfach noch mehr Schusselfehler macht (wie das klassische Licht im Badezimmer brennen lassen), weil man angeblich "patzige" Antworten gibt, weil er sich einfach ständig missachtet fühlst, und alles negativ interpretiert was Du sagst - fängt er an, "Machtworte" zu sprechen gegen die Du Dich zwar anfänglich wehrst, bei denen du aber dann Angst bekommst vor der Steigerung, der Eskalation, vor der er ständig "warnt" (aka droht)
Dann kommen so Sätze wie "Ich kann für nichts garantieren" oder "Wenn Du das und das machst, weiß ich nicht, ob ich nicht die Trennung mit der Axt vollziehe".
Du bist aber längst darauf gepolt, nur immer zu versuchen, das wieder zu verändern.
Dein Selbstbild ist etwas, dass er Dir eingeflößt hat. Du bekommst jeden Tag Verachtung zu spüren. Wenn er sich mal wieder lieb verhält, kann das jederzeit kippen. Abrupt, und *völlig* unberechenbar. Dr. Jekyll and Mr Hyde. Du liebst Dr. Jekyll und hast Todesangst vor Mr Hyde...
Und willst ersteren nicht verlieren... Du hoffst immer darauf, das Mr Hyde irgendwann verschwinden wird. Versuchst Dein Verhalten zu verändern weil ja eben alles Deine Schuld ist... vielleicht kommt Mr Hyde dann nicht mehr wieder...
Das klappt natürlich nicht... Denn sein Verhalten ist ja nicht abhängig von dem, was Du machst. Er findet immer einen Grund, aber das sieht erst er nicht, und mit der Zeit hältst Du so wenig von Dir, dass Du seine Sicht der Dinge gegen Deinen Willen übernimmst: Du bist an allem Schuld.
Der Fall ist tief, wenn ein Tag schön ist, Dr. Jekyll da war... und abends kommt dann wieder Mr Hyde raus.
Du hast ständig Angst, und wenn Du Dich zu sehr entspannst, ist da wieder Mr Hyde... Und schockt dich total, lässt Dich völlig panisch werden...
Dein gesamtes Selbstbild ist nur durch ihn bestimmt. Du passt Dich an, aber das reicht nicht. Du hast Angst etwas falsch zu machen und wenn Du dann panisch versuchst, die Fehler zu vermeiden, von denen Du weißt, sie regen ihn auf, dann passieren Dir an anderer Stelle wieder Fehler.
Wirst dann mit "Konsequenzen" bestraft, die nicht unbedingt körperlich sind, aber trotzdem wehtun und vor allem: Du bist völlig entwürdigt. Er dreht zum Beispiel die Sicherung raus, wenn das Licht länger als bis zu einer bestimmten Uhrzeit abends noch liest.
Oder droht Dir mit dem Löschen Deiner Daten auf dem Computer, sperrt die Internetverbindung oder überlegt offen, ob er Dir nicht das Schreiben verbieten solle...
Darüber darfst Du nicht sprechen. Du bist auch "loyal" und möchtest nicht Dr. Jekyll schaden, nur weil Mr Hyde eben auch da ist. Er ist ja auch so ein "lieber Kerl"... der gute Kumpel... Mr Hyde kennen wenige...
Du bist trotz Familie, trotz Freunden und engem Kontakt, isoliert mit Deinem Problem. Weil Du teils aus Angst "Wenn Du redest, kann ich für nichts mehr garantieren" - teils aus Loyalität schweigst.
Man kann also nicht im Gespräch mit anderen rausfinden, ob das wirklich "normal" ist, ob Du wirklich so unmöglich bist, dass er dazu berechtigt ist Dich so zu behandeln. Du bist einsam.
Und vor allem kommen dann so Sprüche wie "Ich weiß ja nicht, wie dein Gehirn arbeitet" oder "Manchmal zweifle ich an deinem Verstand". Und meint das ernst.
Man übernimmt diese Verachtung... vor allem wenn es eine langsame Entwicklung ist. Wenn es eben nicht von einem auf den anderen Tag ist.
Weil man von sich selbst nichts mehr hält, darum geht man nicht.
Das ist der Grund.
Weil man seine Fehler immer als diejenige sieht, die Schuld hat und selbst wenn nicht - obwohl man teilweise Todesangst hat, ist man doch emotional abhängig von ihm.
Gerade weil man über Jahre nur einen Mittelpunkt hatte... eine Tendenz, ein Verlangen: Ihn - egal ob positiv oder negativ...
Die einzigen wirklichen Gedanken die man hatte waren doch darauf konzentriert, die "Beziehung zu verbessern" und seine Wutausbrüche zu verhindern.
Man ist hörig, man sieht sich selbst nicht mehr so wie man realistischerweise ist.
Man ist nicht mehr fähig zu entscheiden.
Man kann nicht mehr gehen.
Nachtrag: Ich fände irgendwie interessant zu erfahren warum mir da jemand ein Daumen runter gegeben hat. Weil das nicht nachvollziehbar ist für denjenigen?
Weil manchen Menschen das Grenzen setzen eben leichter fällt als anderen?
Weil die Praxis immer anders als die schöne Theorie "wenn der sooo was mit mir machen würde, würde ich gehen!"
Ein oft gesagter Satz, den Du Dir zu verkneifen lernst, wenn Du realisierst, dass Du den Zustand der Personen in dieser Situation einfach gar nicht kennst bzw beurteilen kannst wie Du Dich selbst *ohne* Selbstachtung verhalten würdest.
Natürlich kann das ein selbstbewusster Mensch nicht wirklich verstehen. Ich beneide die Menschen, die das nicht verstehen können...
Ich frage mich warum man eine Erfahrung negativ beurteilt, selbst wenn man sie nicht versteht... - nicht weil mich das wirklich stören würde, aber wie kann man ein Beispiel aus dem realen Leben "negativ" bewerten, wenn es einfach Tatsache ist, dass das ähnliche Dinge oft passieren (und seitdem ich das erlebt habe, bin ich richtig erschrocken zu sehen wie vielen Menschen - nicht nur Frauen übrigens - das so geht)
2006-08-24 23:17:26
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answer #1
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