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Die Bedeutung von Rhythmen für Leben und Gesundheit
Im Rhythmus liegt die Kraft
Von Frank Meyer
Die Erkundung des Mars ist ein spannendes Abenteuer, voller Überraschungen und mit vielen Querverweisen auf das Leben des Nachbarplaneten Erde. Eine besonders interessante Entdeckung wurde 1976 während der Viking-Mission zum roten Planeten gemacht. In einem Experiment wurde einer Probe Marsboden radioaktiv (14C) markierte Nährlösung hinzugefügt und anschließend die allmähliche Freisetzung von radioaktivem Gas gemessen. Das Gas wurde jedoch nicht, wie bei einer toten, rein mineralischen Bodenprobe ohne lebendige Bestandteile (z.B. Mikroorganismen) zu erwarten, kontinuierlich freigesetzt, sondern in rhythmisch wechselnden Konzentrationen. Die spätere Sichtung dieser Daten durch amerikanische Wissenschaftler hatte ergeben, dass diese Fluktuationen eine Periode von 24.66± 0,27 Stunden aufwiesen, was ziemlich genau der Tageslänge (einer Tag-Nacht-Periode) auf dem Mars entspricht. Joe Miller von der University of Southern California, der die Viking-Messergebnisse ausgewertet hat, ist überzeugt davon, dass es sich hierbei um eine Biosignatur handelt - d. h. um einen Hinweis für biologische Aktivität, für Leben.
Miller hat seiner Interpretation eine Erkenntnis zugrunde gelegt und auf die Verhältnisse des Mars übertragen, die vor mehr als zweihundert Jahren schon der Weimarer Goethe-Arzt Christopf Wilhelm Hufeland in seiner populären Schrift Makrobiotik oder Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern ausgesprochen hatte. Hufeland schrieb damals: "Die 24-stündige Periode, welche durch die regelmäßige Umdrehung unseres Erdkörpers auch allen seinen Bewohnern mitgeteilt wird, zeichnet sich besonders in der physischen Ökonomie des Menschen aus. In allen Krankheiten äußert sich diese regelmäßige Periode, und alle so wunderbar pünktlichen Termine in unserer physischen Geschichte werden im Grunde durch diese einzelne 24-stündige Periode bestimmt. Sie ist gleichsam die Einheit der Natur-Chronologie."
Rhythmen, insbesondere 24-Stunden-Rhythmen, die mit dem Wechsel zwischen Tag und Nacht, zwischen Hell und Dunkel auf einem um die eigene Achse rotierenden Planeten korrelieren, sind eine universelle Signatur des Lebens. Der Gang der Sonne am Himmel ist so tief verankert in unserem Organismus, eingeprägt bis in genetische Strukturen, dass 24-Stunden-Rhythmen selbst noch bei Zellkulturen beobachtet wurden, die über 30 Jahre in völliger Dunkelheit aufbewahrt wurden. Biologische Rhythmen sind ubiquitär (überall vorkommend) und selbsterhaltend, d. h. sie finden sich bei allen Lebensformen und bleiben auch bei Abwesenheit äußerer Zeitgeber wie dem Hell-Dunkel-Wechsel von Tag und Nacht bestehen. Rhythmus ist die universelle Sprache des Lebens, von Mikroorganismen bis hin zum menschlichen Organismus und zu sozialen Organismen. Ihre Muster sind so charakteristisch, dass sie sogar bei der Suche nach außerirdischen Lebensformen als Indikator dienen. Unsere Stabilität, unsere Anpassungsfähigkeit und unsere Fähigkeit, uns in einer permanent sich verändernden Welt weiterzuentwickeln - all das verdanken wir den Rhythmen. Rhythmus ist die Quelle der Lebenskraft.
Leben ist Rhythmus
Was ist Leben? Diese Frage beschäftigt die Menschheit seit der Antike. Generationen von Biologen und Philosophen, Theologen und Weltraumforschern haben versucht, eine Antwort darauf zu finden. In der Naturwissenschaft wurden zunächst die physikalischen und chemischen Eigenschaften der Lebewesen untersucht. Der Aufbau, die Struktur und die Zusammensetzung der Organismen wurden erfasst und verzeichnet. In Anatomie und Biochemie konnten mit Hilfe von Elektronenmikroskopie und raffinierten Versuchsanordnungen kleinste Details dargestellt werden. Zuletzt wurde das menschliche Genom analysiert. Gegenüber der stofflich-morphologischen Seite gibt es aber noch einen wichtigen, komplementären Aspekt der Lebewesen, der lange vernachlässigt wurde: ihre zeitliche Ordnung.
Erst seit einigen Jahrzehnten wurde vermehrt wissenschaftliche Aufmerksamkeit darauf verwandt, dass Pflanzen, Tiere und Menschen nicht nur einen charakteristischen anatomischen Aufbau haben, sondern auch eine signifikante "Zeitgestalt", die sich in Form von biologischen Rhythmen darstellt. Diese Lebensrhythmen sind untereinander gekoppelt und bilden in ihrer Ganzheit beim Menschen ein autonomes "rhythmisches System". Alle Lebewesen weisen eine solche spezifische zeitliche Ordnung (Zeitgestalt) auf, die ebenso kennzeichnend ist, wie ihre Raumgestalt, d.h. ihre Morphologie. Weil diese zeitlichen Strukturen ganz charakteristische rhythmische Verläufe offenbaren, sind die neuen Forschungszweige Chronobiologie und Chronomedizin identisch mit Rhythmusforschung.
Heute erst zeigt sich in großem Maßstab, wie zukunftsweisend bereits Rudolf Steiners paradigmatische Darstellung eines "rhythmischen Systems" vor nahezu 90 Jahren (in der Schrift Von Seelenrätseln, 1917, Gesamtausgabe Bd. 21 ) war. Dieser neue Ansatz, der mit einiger Verspätung nun in der Mainstream-Wissenschaft auftaucht, hat erstaunliche Einzelbefunde und Zusammenhänge zutage gefördert. Im Kontext der Weltraumforschung (vor allem der bemannten Raumfahrt im Ausnahmezustand des Wegfalls der terrestrischen Zeitordnung), der Hirnforschung (u. a. der Entdeckung des Schrittmacherzentrums im Gehirn) und der Genforschung hat die Chronobiologie in den letzten Jahren einen enormen Boom erlebt. Die Entdeckung von rhythmisch arbeitenden, so genannten "Uhren-Genen" bei Einzellern, Insekten, Säugetieren und beim Menschen hat auch den letzten Skeptiker davon überzeugt, dass Rhythmus ein durchgängiges Prinzip im Reich des Lebendigen ist. Schätzungsweise zehn Prozent unserer Gene zeigen rhythmische Aktivität. Dadurch wird beispielsweise, im Einklang mit übergeordneten Rhythmen auf Organ- und Organismus-Ebene, der Auf- und Abbau von Eiweißen in Herz und Leber geregelt.
Zahllose Beobachtungen am Menschen und tierexperimentelle Studien haben gezeigt, wie gravierend Störungen dieses rhythmischen Systems für den ganzen Organismus sein können, bis hin zur Entwicklung von Krebs und anderen chronischen Erkrankungen. Ständig werden neue Erkenntnisse, etwa über die Bedeutung von gestörten Rhythmen für Psyche und Immunsystem oder die Diagnostik und Behandlung von Herz- und Kreislauferkrankungen gewonnen. Es gibt wohl keinen einzigen Parameter im menschlichen Organismus, der nicht schwingt, sich nicht im Rhythmus von Tag und Nacht und anderen Rhythmen fortwährend ändert und dabei eingebunden ist in ein größeres rhythmisches Ganzes.
Homöodynamik: Alles fließt, alles schwingt
Heute wissen wir, dass die meisten Laborwerte in der Medizin einer ausgeprägten Tagesrhythmik unterliegen, so dass der Zeitpunkt der Blutentnahme eine wichtige, leider immer noch unterschätzte Rolle spielt. Bei den Abweichungen, die beispielsweise die roten und weißen Blutkörperchen zu verschiedenen Abnahmezeitpunkten zeigen, handelt es sich nicht um zufällige Schwankungen um einen Mittelwert, sondern um den Ausdruck von rhythmischen Vorgängen im Körper. In Biologie und Medizin muss man daher heute Abstand von dem Modell der Homöostase (Lehre vom Fließgleichgewicht) nehmen. Die Theorie der Homöostase ging davon aus, dass Lebewesen bestrebt sind, chemische und physikalische Parameter, wie Blutzucker, Blutdruck oder Körpertemperatur konstant zu halten. Dieses kybernetische Modell stellte den Organismus als eine Art Thermostaten dar. Schwankungen wurden nur als lästige Normabweichungen erfasst. Das neue Paradigma wird Homöodynamik genannt. Homöodynamik bedeutet, dass die rhythmischen Schwingungen Ausdruck zielgerichteter Vorgänge im Organismus sind. Sie dienen entweder umfassenderen Funktionszielen (die ihrerseits wiederum in rhythmische Vorgänge eingebunden sind) oder gleichen zwischen gegenläufigen Tendenzen aus. Ein solches übergeordnetes Ziel wäre beispielsweise die Unabhängigkeit von der Nahrungsaufnahme oder Flüssigkeitszufuhr über bestimmte Zeiträume, wodurch sowohl Zeiten gesteigerter Wachheit und Leistungsbereitschaft, aber auch solche tiefer Ruhe und Entspannung, vor allem während des Nachtschlafes ermöglicht werden. Dieses Ziel ist nur durch eine rhythmische Organisation von Verdauung, Stoffwechsel und Nierenfunktion zu erreichen.
Im menschlichen Tageslauf unterscheidet man eine "ergotrope", leistungsorientierte Phase, die meist von 03.00 Uhr morgens bis 15.00 Uhr mit Höhepunkt am Vormittag reicht, von einer "trophotropen" Phase (15:00 - 03:00 Uhr), in welcher die Aufbau- und Erholungsvorgänge dominieren. Zwischen den gegensätzlichen Tendenzen und Zuständen von Aufbau und Abbau vermitteln unzählige körpereigene Rhythmen.
Im Rhythmus liegt die Kraft
Der ausgleichenden und vermittelnden Funktion der Rhythmen verdanken wir es, dass wir uns jeden Morgen erholt und ausgeruht den Aufgaben und Herausforderungen des Tages stellen können, was dieser auch bringen mag. Oft genug geraten wir mit unserem Organismus aber auch an scheinbar unüberwindliche Grenzen. Bei besonderen Belastungen, Krankheiten und Lebenskrisen können Anpassungsfähigkeit und Elastizität unseres rhythmischen Systems zunächst überfordert sein. Es kommt zu Regulationsstörungen und Entgleisungen. Die Selbstregulation kann dann darin bestehen, dass als Reaktion auf solche Einbrüche ein nächster Pendelschlag mit Extremauslenkung in die andere Richtung erfolgt. In typischer Weise sind solche reaktiven Rhythmen bei Fieberkurven oder während Rehabilitationskuren zu beobachten. Hinter vielen landläufig als "krankhaft" betrachteten Vorgängen, wie fieberhaften Verläufen von Kinderkrankheiten oder geänderten Atmungsmustern bei Sauerstoffmangel, stecken zielgerichtete rhythmische Selbstregulationsversuche, welche zusätzliche Kräfte mobilisieren, "Notprogramme" aktivieren und die Selbstheilung ermöglichen und unterstützen. Wenn sich die Spontanrhythmen wieder einstellen, kann das auch mit übergeordneten Umstellungen wie einer Neuordnung des Tagesablaufes, neu gewonnenen Lebenseinstellungen oder Änderungen von Gewohnheiten einhergehen.
Die erneuernde Kraft der Rhythmen zeigt sich nicht nur im körperlichen Bereich, sondern auch in den vielfältigen körperlich-seelischen Wechselwirkungen. Eine gesunde, "rhythmische" Lebenseinstellung hält nicht am Alten fest, sondern stellt sich auf das Neue ein. Sie zeichnet sich durch Spontaneität und Offenheit aus und trägt ihre Früchte oft in Gestalt einer ausgeprägten Lern-, Wandlungs- und Entwicklungsfähigkeit bis ins hohe Alter. Umgekehrt entstehen viele typische Alterskrankheiten wie Alzheimer-Demenz, Mangeldurchblutung des Gehirns oder Altersdiabetes auf dem Boden gestörter rhythmischer Systemfunktionen (Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus, der Ernährungs- und Stoffwechselrhythmen, Bluthochdruck, Regulationsstarre des Herz-Kreislauf-Systems usw.)
Der Philosoph Ludwig Klages (1872 - 1956) wies auf die erneuernde Kraft des Rhythmus hin, indem er formulierte: "Der Takt wiederholt, der Rhythmus erneuert." Im Gegensatz zum maschinenhaften Takt, der eine ständige Wiederholung desselben darstellt, verändert der Rhythmus sich permanent in Anhängigkeit vom Ganzen. Der Takt ist starr und tot, der Rhythmus, die Melodie des Lebens, ist elastisch und entwicklungsfähig. Die rhythmische Wehentätigkeit bei einer Geburt, die vertiefte Atmung eines Sterbenden, die rhythmische Vereinigung beim Sex, das rhythmische, schallende Gelächter, in das wir ausbrechen, wenn uns der Kleinmut unserer Sorgen angesichts der Größe des Lebens bewusst wird - all diese Begleiterscheinungen von Ausnahmesituationen des Lebens, in denen wir über uns hinauswachsen oder uns Neuem öffnen, sind äußerer Ausdruck der verwandelnden, erneuernden Kraft, von der hier die Rede ist.
Leben im Einklang
Allen uns bekannten Kulturen des Altertums und der Vorzeit lagen Vorstellungen und Erkenntnisse über eine rhythmische Weltordnung zugrunde. Sie bildeten sogar das Zentrum dieser Kulturen. Die Bedeutung der Astrologie in allen antiken Hochkulturen, aber auch in vergleichsweise einfachen Gesellschaften wie in der so genannten Steinzeit, zeigt, dass die Menschen sehr früh schon von den Rhythmen und Zyklen der Gestirne und Himmelskörper wussten. Kultstätten und Tempel waren zugleich Observatorien. Aber auch irdische Phänomene, wie Wasserstand, Wetter, Wolken und Vogelflug wurden in diesen Stätten systematisch beobachtet, um die zugrunde liegenden Gesetzmäßigkeiten zu erkennen und für das Leben nutzbar zu machen. Aussaat- und Erntetermine wurden auf ihrer Grundlage festgelegt. Kalender- und Orakelwesen prägten die Alltagskultur und die soziale Ordnung in den alten Gesellschaften, von China über Europa bis nach Mittel- und Südamerika. Meist war es die Priesterschaft, welche den Kalender verwaltete und dadurch über enorme Macht und Einflussmöglichkeiten verfügte - bis hin zur Festlegung von Zeiten für Arbeit und sexuelle Aktivitäten, für Kriegszüge und Tempelbau, für das Feiern und Fasten. Für die einfachen Menschen, die diese Regeln befolgten, waren die von oben gegebenen Zeitstrukturen ein Ausfluss göttlicher Weisheit und Macht. Sie waren eingebunden in eine alles umfassende natürliche und religiöse Ordnung, die bis hin zum Tagesablauf und zu den Körperfunktionen alles regelte.
Die Ursachen von gesundheitlichen Einschränkungen und Krankheiten wurden nicht, wie heute üblich, in körperlichen Strukturen gesucht, sondern im gestörten Zusammenhang mit der rhythmisch strukturierten Weltordnung. Insbesondere aus Asien ist heute eine sehr hoch entwickelte Chronomedizin (in Form der Traditionellen Chinesischen Medizin, des Ayurveda und der Tibetischen Medizin) überliefert. Die chinesische "Organuhr" beispielsweise gibt einen genauen Zeitplan an, nach dem die Lebensenergie durch die Organsysteme fließt, mit Maximalzeiten etwa für die Leber um etwa zwei Uhr nachts, für das Herz am Mittag und die Niere am Nachmittag, die sich zum Teil mit modernen chronobiologischen Erkenntnissen in Einklang bringen lassen. Therapiemaßnahmen wie Diätvorschriften, Regeln für die Lebensweise und die Einnahme von Arzneien waren zeitlich genau festgelegt. Akupunkturbehandlungen und spezielle Untersuchungen wie die Pulsdiagnostik fanden in Abhängigkeit von Tages- und Jahreszeit sowie astronomischen Konstellationen statt. In der modernen Zivilisation, die mit einer Emanzipation und Ablösung von natürlichen und religiösen Zeitordnungen einhergeht, erfreuen sich solche traditionellen Systeme wieder einer zunehmenden Beliebtheit. Die alten Weisheitslehren kommen einem zunehmenden Bedürfnis nach einer sinnvollen Chronohygiene, welche die Selbstheilungskräfte unterstützt, entgegen.
Auch in der abendländischen Antike gab es verwandte Konzepte, vor allem in der aus Griechenland kommenden Vier-Säfte-Lehre, nach der die vier Elemente (Erde, Wasser, Luft, Feuer), die vier Körpersäfte (schwarze Galle, Schleim, Blut und gelbe Galle) den Temperamenten, Konstitutionen, aber auch den Jahreszeiten, Lebensaltern und Tageszeiten zugeordnet werden. Die vielen Querbezüge, die es zwischen den traditionellen asiatischen und den abendländisch antiken Lehren gibt, sind Ausdruck einer vergangenen, globalen Mysterienkultur, die in weit reichendem Austausch stand. Die in das Kalenderwesen und die Geheimnisse der Zeit Eingeweihten waren die geheimen Herrscher des Altertums.
Abendländische Umwege
Im christlichen Mittelalter hatte sich das alte Wissen um die Zeit und ihre Geheimnisse jedoch weitgehend verloren. Vereinzelte Hinweise auf chronobiologische Zusammenhänge, z.B. auf das rhythmische Öffnen und Schließen von Blättern und Blüten, wurden nicht systematisch verfolgt. Mephistos Worte aus Goethes Faust könnten gleichsam als Motto über der abendländischen Entwicklungslinie stehen, aus der schließlich die Naturwissenschaften mit ihrem Trend zur Spezialisierung hervorgegangen sind:
"Wer will was Lebendiges erkennen und beschreiben,
Sucht erst den Geist herauszutreiben,
Dann hat er die Teile in seiner Hand,
Fehlt leider! Nur das geistige Band!"
Erste moderne, systematische Darstellungen einer rhythmischen Naturordnung finden wir bei dem Naturforscher Carl von Linné. 1745 beschrieb Linné eine "Blumenuhr", ein rundes Beet, auf dem verschiedene Blütenpflanzen kreisförmig so angeordnet waren, dass man aus ihrem Öffnen und Schließen die Tageszeit ablesen konnte. Zu Zeiten der Aufklärung hatte man im öffentlichen Kulturleben Europas keinen Zugang mehr zu dem alten Wissen über die Rhythmen, das in den traditionellen asiatischen Medizinsystemen bis heute lebendig ist. Neue Erkenntnisse entstanden auf der Grundlage von naturwissenschaftlicher Beobachtung und Experimenten. Sie waren, wie Linnés Beschreibung der Blumenuhr, nachprüfbar und reproduzierbar.
Die Entdeckung von Tagesrhythmen (auch Zirkadianrhythmen genannt) beim Menschen ließ nicht lange auf sich warten. Im Jahre 1814 beschrieb der französische Arzt J. J. Virey in seiner Dissertation den Menschen als "lebende Uhr" (l'horloge vivante). 1845 stellte der amerikanische Mediziner J. Davy die 24-Stunden-Variationen der Körpertemperatur dar, den bis heute wichtigsten Zirkadianrhythmus. 1928 entdeckte der Schwede Erik Losgren den antizyklischen Rhythmus der Sekretion von Gallenflüssigkeit und der Speicherung von Energiebausteinen (Glykogen) in der Leber. Bis dahin war es schlicht unvorstellbar gewesen, dass die Leber diesen beiden völlig unterschiedlichen Aufgaben nicht gleichzeitig nachkommt. Seitdem wurden zahlreiche Rhythmen entdeckt und beschrieben: Rhythmen von Blutdruck und Puls, Organdurchblutung und Organfunktionen, Leistungsbereitschaft, Aufmerksamkeit und Körperkraft, von Hormonen, Mineralstoffen und Blutzellen, bis hin zu Rhythmen auf der Ebene von Biomolekülen, der Erbinformation und Signalübertragungsvorgängen zwischen den Zellen.
Die Chronobiologie im 20. Jahrhundert wurde entscheidend von zwei deutschen Forschern geprägt: Jürgen Aschoff (1913 - 1998) und Gunther Hildebrand (1924 - 1999). Aschoff hat vor allem die menschlichen Zirkadianrhythmen mit Isolationsexperimenten in Bunkern unter so genannten Freilaufbedingungen, d.h. ohne äußere Zeitgeber (Tag-Nacht-Wechsel, Mahlzeiten, soziale Kontakte usw.) untersucht. Hildebrand, ein anthroposophischer Forscher und Arbeitsphysiologe an der Universität Marburg, studierte zahlreiche Einzelfunktionen in allen zeitlichen Bereichen und stellte ihren ganzheitlichen Ordnungszusammenhang, der durch Synchronisation und gegenseitige Abstimmung der Rhythmen entsteht, dar. Meilensteine in der modernen Chronobiologie waren die Erforschung des Melatonins, einem Hormon der Zirbeldrüse, das bei der Koordination der zirkadianen Rhythmen eine wichtige Rolle spielt (s. u. Jetlag) und die Entdeckung eines zentralen Schrittmacherzentrums in den suprachiasmatischen Kernen (oberhalb der Sehnervenkreuzung im Gehirn) in den 1970er Jahren. Die Vorstellung eines zentralen "Uhrwerks im Kopf" wurde jedoch korrigiert durch den Nachweis zahlreicher "Uhren-Gene" in Organen und Körpergeweben, von Eigenrhythmen auf allen Ebenen, so dass sich mittlerweile ein Bild des Organismus als Zusammenklang zahlloser, aufeinander abgestimmter Rhythmen ergibt. Der Mensch schwingt -: im Ganzen wie in seinen kleinsten Bestandteilen, er ist ein schwingendes, klingendes Wesen.
Katastrophen in der Zombie-Zone
Trotz des überwältigenden Erkenntnisgewinns der Rhythmusforschung hat diese neue Grundlagenwissenschaft heute noch nicht den angemessenen Stellenwert in der Alltagskultur und in der praktischen Medizin erlangt. Wie hoch der Preis sein kann, wenn biologische Rhythmen unbeachtet bleiben, zeigt beispielsweise ein Blick auf die großen Umweltkatastrophen des 20. Jahrhunderts, die durchweg durch menschliches Versagen zur Unzeit, d.h. in der Nacht bzw. den frühen Morgenstunden verursacht wurden, wo Reaktionsgeschwindigkeit, Geschicklichkeit, Denkvermögen, Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit besonders eingeschränkt sind. Spektakuläre Beispiele sind die Reaktorunfälle von "Three Miles Island" (Harrisburg 1979) und Tschernobyl 1986, die Tankerkatastrophen der Matzukaze bei Seattle 1988, der Exxon Valdez vor Alaska 1989 und der Erika vor der Küste der Bretagne 1999. In der Chronobiologie spricht man auch von der so genannten "Zombie-Zone" in den frühen Morgenstunden. Ab 03:00 Uhr nachts, wenn die Körpertemperatur ihren Tiefpunkt durchläuft, ist die Einschlafbereitschaft am stärksten. Schichtarbeit, chronischer Jetlag bei Flugzeugpersonal, Horrorschichten und Schlafentzug bei Ärzten - die Zeitpläne in der modernen Arbeitswelt sind allenthalben inkompatibel mit der Zeitgestalt des Menschen und überfordern oft die Möglichkeiten der individuellen Anpassung und des Ausgleichs.
Die globale "24/7-Gesellschaft", mit ihrer 24 Stunden am Tag und 7 Tage in der Woche brummenden Arbeitswelt und den Konsumangeboten rund um die Uhr kann uns gefangen nehmen. Das fordert seinen Preis und ruft nach sinnvoller Begrenzung, nach einer biologischen Ökonomie der Zeit. Nicht nur die "Zeitordnung" des Arbeitslebens, auch medizinische Maßnahmen, wie etwa die Gabe von Medikamenten oder die Terminierung von Operationen ließen sich optimieren. Vielfach könnten Wirksamkeiten verbessert und Nebenwirkungen vermieden werden, wenn einfache, basale Erkenntnisse umgesetzt würden und z.B. die bessere Wirksamkeit von lokalen Betäubungsmitteln beim Zahnarzt am Nachmittag oder optimale Zeitpunkte für Schmerz- und Chemotherapie auch in der Praxis mehr Berücksichtigung fänden.
Die chronobiologische Wende
Die gesellschaftliche Entwicklung eröffnet heute globale Perspektiven für eine chronobiologische Optimierung. Im Gegensatz zum Industriezeitalter im 19. und in den ersten drei Vierteln des 20. Jahrhunderts, in denen das Leben der meisten Menschen noch im Takt der Fließbandproduktion in den Fabriken weitgehend gleichgeschaltet verlief, verfügen heute immer mehr Menschen über Möglichkeiten der freien und flexiblen Zeiteinteilung. Hier eröffnet sich bereits für viele ein weites Feld individueller Ressourcen zur Optimierung des Tagesablaufs im Sinne einer verbesserten Selbstregulation mit positiven Auswirkungen auf Wohlbefinden, Gesundheit, Lebenserwartung und Arbeitserfolg. Ein Gleitzeit-Angestellter, ein "Geistesarbeiter" oder selbständig Tätiger im Informationszeitalter kann beispielsweise Zeitpunkt und Dauer des Schlafes besser den individuellen Bedürfnissen anpassen als ein Fabrikarbeiter. Monotone und zeitlich festgelegte Tätigkeiten werden an Industrieroboter übertragen. Dadurch werden wir frei - auch in Bezug auf unsere Zeitgestaltung. "Abendmenschen" können ihre Hauptarbeitszeit in die Nachmittagsstunden verlegen und umgekehrt. Der über Jahrhunderte in vielen christlichen Kulturen verpönte Mittagsschlaf wird in den westlichen Ländern zunehmend populär, weil viele Menschen herausfinden, dass sie nach einem "Nickerchen" besser und lustvoller arbeiten, leben und lieben können.
Die Zeitgestalt des Menschen ist etwas sehr Individuelles. Über die rein biologische Ebene hinaus finden hier seelische Eigenschaften (Temperament) und biographische Besonderheiten ihren Ausdruck. Jeder Mensch ist - auch in zeitlicher Hinsicht - eine einzigartige, unverwechselbare Ganzheit. Seit der Aufklärung ist das Recht auf körperliche Unversehrtheit weitgehend anerkannt und in vielen Verfassungen verankert. Ein Grundrecht auf "Unversehrtheit der Zeitgestalt" zu fordern, wäre sicher zu weit gegriffen und illusionär. Auch wenn Grundgedanken einer solchen Forderung etwa Arbeitsschutzgesetzen zugrunde gelegt werden, wird sich wohl niemals ein Mensch auf verbrieftes Recht berufen können, wenn er ständig Verabredungen verpasst oder notorisch zu spät zur Arbeit kommt. Die zeitliche Emanzipation des Menschen steht aber an einem entscheidenden Wendepunkt. Durch das Arbeitsleben der industrialisierten Gesellschaft, in der große Menschenmassen zu vorgegebenen Zeiten an den Produktionsstätten zusammengeführt werden mussten, wurden die Menschen vielfach aus biologischen Rhythmen ausgegliedert und in ein starres, unphysiologisches und krankmachendes Schema gezwungen. In der modernen Informationsgesellschaft hingegen mit ihren zunehmend flexiblen Zeitmustern sehen sich viele Menschen vor die Notwendigkeit und Möglichkeit gestellt, ihre individuellen Zeitpläne selber zu bestimmen und zu gestalten. Neue Modelle wie die "atmende Fabrik" mit einer großen Bandbreite für die Gestaltung der Arbeitszeiten stehen für die chronobiologische Wende in der Arbeitswelt und Alltagskultur. Von der voll entwickelten "euchronischen Gesellschaft", die ein Leben im Einklang mit unserer eigenen Zeitgestalt und in Harmonie mit den Rhythmen unserer Mitmenschen und unserer Umwelt ermöglicht, sind wir zwar noch weit entfernt. Wir können jedoch heute schon Grundzüge der neuen Ordnung erkennen. Wie in den alten Kulturen werden die Zeit und ihre Rhythmen im Mittelpunkt des sozialen Lebens stehen. Die neue Ordnung wird sich jedoch radikal von allen vergangenen unterscheiden: Wir werden weder in kollektiver Gleichschaltung wie in den alten Priesterkulturen, noch im Gleichschritt mit dem Fließbandtakt der Industriegesellschaft leben müssen, sondern die Ordnung wird sich organisch aus den individuellen Bedürfnissen der einzelnen Menschen ergeben. Jeder Mensch ist der Meister seiner Zeit. Noch nie in der Geschichte der Menschheit waren die Möglichkeiten, seine Lebensverhältnisse, auch die zeitlichen, auf die eigenen individuellen Bedürfnisse abzustimmen so groß wie in den entwickelten Gesellschaften heute. Es besteht also kein Grund, in Kulturpessimismus zu verfallen.
Die Zeitgestalt des Menschen
Biologische Rhythmen finden sich in allen untersuchten zeitlichen Bereichen. Häufig sind wir uns unserer eigenen Rhythmen nur wenig bewusst. Langwellige Rhythmen schwingen zu langsam, um unmittelbar in unsere Anschauung zu treten, wie etwa jahresrhythmische oder über mehrere Jahre verlaufende Änderungen. Andere Rhythmen verlaufen zu schnell, um überhaupt ohne Zuhilfenahme technischer Instrumente wahrgenommen zu werden, wie beispielsweise die rhythmischen Nervenaktionen. Die im mittleren Bereich angesiedelten Rhythmen, wie Atem- und Herzrhythmus, die Rhythmen von Ernährung und Ausscheidung etwa, sind uns in unterschiedlichem Maße zugänglich und bewusst. Häufig ist unser Erleben dieser rhythmischen Vorgänge von so intensiv emotionaler Natur, dass wir uns ihm gar nicht entziehen können. Die Beklemmung, die wir bei einem unregelmäßigen oder beschleunigten Herzschlag erleben oder die befreiende Wirkung einer tiefen und ruhigen Atmung sind jedem Menschen vertraut. Erst einmal "tief durchzuatmen" ist eine allgemein verbreitete Sofortmaßnahme bei emotionalem Stress. Die zahlreichen Wechselwirkungen zwischen den Gefühlen und den rhythmischen Vorgängen, insbesondere im Brustkorb und im Bauch, haben seit Jahrtausenden vielfältige psychosomatische Zugangswege zum menschlichen Organismus eröffnet, von der Meditation bis hin zur Hypnotherapie und zur modernen Atemtherapie. Esoterische Schulungswege, Medizin und Kunst haben hier - in der Mitte des Menschen - ihren gemeinsamen Ursprung.
Ein unmittelbarer Ausdruck dieser Einheit ist die Musik. Musik spricht unsere Emotionen direkt an und zeigt unmittelbare Auswirkungen auf unsere Körperrhythmen, auf unsere Lebenskräfte und Gestimmtheit. Sie kann beispielsweise beruhigen (populärstes Beispiel wären die als Einschlafhilfe komponierten Goldberg-Variationen von Johann Sebastian Bach), anregen (in Form von Rock oder Hip Hop), als rhythmischer Worksong die Feldarbeit erleichtern oder als Blues den Katzenjammer vertreiben. Musik spiegelt häufig rhythmische Verhältnisse im Organismus wider, beispielsweise das Verhältnis 4 : 1, das dem seit der chinesischen Medizin bekannten Verhältnis von Herzschlag zu Atmung (Puls-Atem-Quotient) unter Ruhebedingungen im Gesunden entspricht (siehe Kasten "Zahlengeheimnisse"). Wo Musik als therapeutische Intervention eingesetzt wird, in der Musiktherapie oder der Heileurythmie beispielsweise, werden diese körperlich-seelischen Wechselwirkungen gezielt genutzt, um emotionale Balance zu schaffen, mentale Abläufe zu bahnen oder Organfunktionen anzuregen. Auch das Hören oder Rezitieren von klassischen Versmaßen und Mantren hat diese Wirkung.
Eine Systematik der Rhythmen nach ihrer Periodendauer soll hier als Grundlage für ein Bild von der Zeitgestalt des menschlichen Organismus dienen:
Kurzwellige Rhythmen haben eine Periodendauer von Millisekunden bis Sekunden. Sie betreffen einzelne Zellen und Gewebe (z. B. Nervengewebe, Flimmerhärchen). Die Wellen der elektrischen Aktivität des Gehirns, die Erholung der Zellmembranen und ihre elektrische Wiederaufladung gehören in den Bereich der kurzwelligen Rhythmen. An diesen Vorgängen sind in erster Linie Mineralstoffe, wie die Ionen von Kalium, Natrium oder Kalzium beteiligt. Kurzwellige Rhythmen finden sich auch bei Tieren, weniger bei Pflanzen. Sie sind die Grundlage des Nerven-Sinnessystems, der Wahrnehmungs- und Denktätigkeit, entziehen sich selbst aber der bewussten Wahrnehmung und Kontrolle.
Mittelwellige Rhythmen, deren Perioden Minuten oder Stunden dauern, finden wir bei Organen und Organsystemen. Herzschlag und Atmung, aber auch die Vorgänge von Verdauung, Transport und rhythmischer Verteilung der Nahrungsstoffe im Körper sowie die rhythmische Freisetzung von Hormonen sind in diesem Bereich angesiedelt. Die Gewebeatmung und die lokale Gewebeerholung verlaufen in mittelwelligen Rhythmen. Herzschlag und Atmung, die genau aufeinander abgestimmt sind, stellen das Zentrum des rhythmischen Systems dar. Ein- und Ausatmung sind im Gesunden mit dem Herzschlag eng verwoben und mit zahlreichen seelischen und körperlichen Vorgängen im menschlichen Organismus gekoppelt. In Bezug auf diese mittelwelligen Rhythmen hat der Mensch bereits einen höheren Grad an Autonomie. Er kann sie teilweise wahrnehmen und beeinflussen.
Rhythmen deren Periodendauer kürzer als ein Tag ist, werden auch als Ultradianrhythmen bezeichnet. Kurz- und mittelwellige Rhythmen gehören somit zu den Ultradianrhythmen.
Langwellige Rhythmen finden wir überwiegend im Stoffwechsel. An ihren Zyklen sind häufig höhermolekulare, komplexe Stoffe wie Einweiße beteiligt. Spannung und Beweglichkeit der Darmmuskulatur unterliegen beispielsweise langwelligen Rhythmen. Eindrucksvolle Rhythmen, wie der Tag-Nacht-Rhythmus liegen in Gestalt des sog. Zirkadianrhythmus (Tagesrhythmus) vor. Klassische Beispiele für Zirkadianrhythmen sind die Rhythmen von Blutdruck und die Körpertemperatur. Die regenerierende Wirkung der zirkadianen Rhythmen wird vor allem als Schlaferholung erlebt. Andere Vorgänge, wie Entgiftung, Stoffwechselerholung und der Aufbau von Stoff- und Energiespeichern laufen im Unbewussten ab. Bei Pflanzen stehen die langwelligen Rhythmen im Vordergrund, wie Linnés Blumenuhr eindrucksvoll zeigt.
In der anthroposophischen Menschenkunde stellt der Zirkadianrhythmus mit seiner groben Unterteilung in eine Wach- und eine Schlafphase den sinnenfälligen Ausdruck der Ich-Organisation dar, die sich tagsüber stärker mit den Körperfunktionen verbindet und sich nachts zurückzieht. Am deutlichsten zeigt sich das in der Kurve der Körpertemperatur mit einem Maximum am Nachmittag und einem Minimum in den frühen Morgenstunden, gegen drei Uhr.
Infradiane Rhythmen sind langwellige Rhythmen, deren Periodendauer länger als ein Tag ist. Wochenrhythmen, so genannte Zirkaseptanrhythmen, finden wir u.a. bei Anpassungsvorgängen (z.B. an Zeit- oder Klimazonen) oder Krankheitsverläufen. Eisprung und Menstruation folgen einem Infradianrhythmus. Regenerationsvorgänge nach ausgedehnten Operationen, schweren Erkrankungen oder Unfällen dauern oft Monate; Zirkalunarrhythmen = Monatsrhythmen. Ausdruck seelischer Rhythmen sind die Stimmungsschwankungen im Jahreslauf mit Hochphasen während der Sommermonate und Tiefphasen im Winter. Jahreszeitliche Rhythmen finden sich z.B. auch bei den Sterberaten (mit Maximum im Herbst und Winter) und hinsichtlich eines im Winter gesteigerten und im Sommer weniger ausgeprägten Schlafbedürfnisses.
Wachstums und Entwicklungsvorgänge vollziehen sich meist in Zirkaanualrhytmen (Jahresrhythmen) oder mehrjährigen, sog. infraannualen Rhythmen (Siebenjahresrhythmen von Zahnwechsel, Pubertät usw.) Diese Rhythmen prägen auch unsere Biographie. Den mehrjährigen Rhythmen gegenüber hat der Mensch einen sehr hohen Grad an Autonomie erreicht. Das zeigt ein Vergleich mit Vertretern des Tierreiches, wo wir ausgeprägte und deutlich festgelegte Jahresrhythmen finden, etwa bei Zikaden, die strikt einem Fortpflanzungszyklus von entweder 13 oder 17 Jahren folgen oder bei dem Südsee-Palolo-Wurm, der sich ausschließlich während des letzten Mondviertels im Oktober oder November in perfekter Synchronisation mit den Gezeiten fortpflanzt.
Im Düsenschritt rund um die Welt - und in die Desynchronisation
Wir schreiben das Jahr 1872. In dem Roman In achtzig Tagen um die Welt von Jules Verne wettet der exzentrische Engländer Phileas Fogg, dass es ihm gelingt, den Erdball in dieser für damalige Verhältnisse sensationellen Zeit zu umrunden. Scheinbar hat er sie verloren, als er erst am einundachtzigsten Reisetag wieder in London eintrifft. Dennoch gewinnt er sie, zur Überraschung des Lesers, im letzten Augenblick, drei Sekunden vor Ablauf der Achtzig-Tage-Frist dadurch, dass er durch die Umrundung der Erde in östlicher Richtung einen Tag gewonnen hatte! Während für ihn und seinen Begleiter, den Diener Jean Passepartout, die Sonne einundachtzig Mal aufging, erlebten die Menschen in London nur achtzig Sonnenaufgänge. Seit diesem Roman, der sich ausgesprochener Popularität erfreute und Jules Vernes Weltruhm begründete, ist jeder Mensch mehr oder weniger damit vertraut, dass Reisen auf der Ost-West-Achse zu einer Zeitzonenverschiebung führen. Dieses Phänomen irritiert und verwirrt auch heute noch viele Fernreisende. Was jedoch vor hundertdreißig Jahren in den Londoner Clubs noch als Kuriosität galt und für ungläubiges Erstaunen sorgte, wird heute, im Jet-Zeitalter, von Millionen Reisenden am eigenen Leibe erspürt und erlitten. Die Tatsache, dass die Sonne im Osten früher aufgeht, und zwar alle 15 Längengrade eine Stunde, kommt für das rhythmische System beim Überschreiten mehrerer Zeitzonen mit unseren modernen schnellen Verkehrsmitteln völlig überraschend. Unser Organismus ist nicht darauf eingerichtet. Nach einem Langstreckenflug auf der Ost-West-Achse stimmt unsere "innere Uhr" nicht mehr mit dem Tag-Nacht-Rhythmus am Zielort überein. Nach einer durchwachten Nacht kann sich bereits nach 24 Stunden wieder ein normaler Schlaf-Wach-Rhythmus einstellen. Phileas Fogg hatte keine Schlafstörungen, denn dazu reiste er viel zu langsam. Nach einem Flug über mehrere Zeitzonen hinweg dauert es aber oft viele Tage, bis sich unsere Rhythmen untereinander und mit den neuen Tageszeiten synchronisieren.
Der Zustand der internen Desynchronisation, der auch als Jetlag ("lag", engl., bedeutet Rückstand oder Verzögerung) bezeichnet wird, ist häufig erst am zweiten und dritten Tag nach der Ankunft voll ausgeprägt. Schwindel, Desorientiertheit, Ein- und Durchschlafstörungen, Tagesmüdigkeit, Schläfrigkeit, Zerschlagenheitsgefühl, Verspannungen, Kreislauf- und Verdauungsstörungen sind häufig anzutreffende Beschwerden. British Airways warnt ihre Reisenden vor einer Beeinträchtigung der Entscheidungsfähigkeit bis zu 50 Prozent, der Kommunikationsfähigkeit von 30 Prozent, des Gedächtnisses von 20 Prozent und der Aufmerksamkeit von 75 Prozent. Eine Faustregel besagt, dass der Jetlag einen Tag pro überflogene Zeitzone anhält. Bei einem Flug von Frankfurt nach New York (sechs Stunden Zeitunterschied) wären das sechs Tage, bei einem Flug von Frankfurt nach Japan (sieben Stunden Zeitverschiebung), rund eine Woche, oft mehr. Im Allgemeinen hält der Jetlag bei Flügen in Richtung Osten länger an und ist noch stärker ausgeprägt als bei Westflügen. An die Zunahme der Tageslänge bei einem Westflug kann sich unser rhythmisches System besser anpassen als an die Verkürzung des Tages bei einem Ostflug.
Die individuelle Readaption an den neuen Zeitrahmen weist eine große Bandbreite auf. Nachtmenschen haben in der Regel weniger Probleme mit der Zeitumstellung als Morgenmenschen, jüngere Menschen passen sich schneller an als ältere. Medizinische Untersuchungen haben gezeigt, dass beim Jetlag nicht nur psychische Parameter wie Aufmerksamkeit, Stimmung und Konzentration beeinträchtigt sind, sondern zahlreiche Körperfunktionen (Körpertemperatur, Herz und Kreislauf, Muskelkraft, Nierenfunktion, hormonelle Regulation) gestört sind. Diese Funktionen brauchen nach einem Flug Frankfurt - New York zwei bis 18 Tage, um sich den neuen Zeitstrukturen anzupassen. Nach Westflügen steigt der Blutdruck an, nach Ostflügen fällt er. Puls- und Schlaf-Wach-Rhythmik passen sich am schnellsten an, während Körpertemperatur und Hormonspiegel am längsten Zeit für die Umstellung benötigen. Für einen Urlaub in Kalifornien oder im Fernen Osten sollten wir uns schon deutlich mehr als eine Woche nehmen, wenn wir dort zur richtigen Zeit wieder hungrig oder müde werden wollen.
Ganzheitlich dem Jetlag vorbeugen
Um die Auswirkungen der Zeitzonenverschiebung abzumildern kann man versuchen, sich schon vor dem Abflug auf die Zeit am Zielort einzustellen. Eine bewährte Vorgehensweise besteht darin, vor dem Abflug täglich seine Schlafenszeit um eine Stunde zu verschieben. Leider ist diese Methode mit dem gewohnten Tagesablauf am Heimatort nicht immer vereinbar. Ein Nachteil besteht auch darin, dass es den meisten Menschen unmöglich ist, täglich eine Stunde früher als gewohnt einzuschlafen, wie das bei Flügen in Richtung Osten nötig wäre. Für die Umstellung auf die Ortszeit am Zielort im Westen hingegen muss die Einschlafenszeit um eine Stunde hinausgeschoben werden, was in der Regel problemlos gelingt.
Spätestens im Flugzeug sollten wir beginnen, uns auf die neue Zeit einzustellen. Das Umstellen der Uhr beim Start ist dabei ein wichtiges Ritual. Wenn es darum geht, den Tag bei einem Flug Richtung Westen zu verlängern, können der Genuss von Kaffee (in Maßen) und ein kleines Nickerchen während des Fluges hilfreich sein. Wer will, kann beides miteinander kombinieren: Wenn wir Kaffee unmittelbar vor dem Einschlafen genießen, hilft er uns, nach ca. einer halben Stunde, wenn seine Wirkung eintritt, wieder wach zu werden. Mahlzeiten sind wichtige Zeitgeber für unsere inneren Rhythmen. Wenn möglich, sollte man daher die Zeiten für die Mahlzeiten und Schlaf bereits während des Fluges an die Zeiten am Ankunftsort anpassen. Auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr sollte unbedingt geachtet werden, gegebenenfalls zusätzliche Getränke mitnehmen. Alkohol verschlechtert nachhaltig die Schlafqualität und fördert die Desynchronisation und sollte daher auf Fernreisen, während des Fluges sowie am Zielort während der Zeitumstellung, gemieden werden. Auch von üblichen, chemisch definierten Schlafmitteln ist abzuraten, denn sie haben einen negativen Einfluss auf unsere innere Rhythmik (indem sie die Bildung des "Schlafhormons" Melatonin unterdrücken) und können die Tagesmüdigkeit fördern.
Das richtige Essen zum richtigen Zeitpunkt genießen
Bei der Ernährung ist nicht nur darauf zu achten, dass sich die "Mahl-Zeiten" strikt in die neuen Zeitstrukturen einfügen sollten. Auch durch eine gezielte Nahrungsmittelauswahl können wir dem Jetlag entgegenwirken. Bei Flügen in Richtung Westen empfiehlt sich eine eiweißreiche Kost, wodurch anhaltend hohe Blutzuckerspiegel ohne große Schwankungen resultieren, was der Müdigkeit entgegen wirkt und einen zunächst längeren Tag besser und wacher überstehen lässt. Eiweißreiche Nahrungsmittel sind z. B. Hülsenfrüchte, Milchprodukte, Eier oder - nur für Nicht-Vegetarier interessant - Fleisch und Fisch. Auch an wertvollen Fetten reiche Produkte wie Nüsse, Samen und Öle sind für die Ernährung auf Westreisen gut geeignet. Bei und nach Flügen in den Osten mit Verkürzung des Tages ist eine kohlenhydratreiche Kost sinnvoll, d.h. beispielsweise Getreideprodukte, Kartoffen, Möhren, süßes Obst wie Weintrauben, Rosinen und für alle, die das mögen, Süßigkeiten und Süßspeisen. Kohlenhydratreiche Mahlzeiten erhöhen den Blutzucker zunächst rasch, gefolgt von einem schnellen Abfall mit Tendenz zu Unterzuckerungszuständen, was das frühere Einschlafen befördert.
Melatonin
Ein populäres und weit verbreitetes Mittel gegen Jetlag ist der körpereigene Stoff Melatonin. Von seiner Einnahme muss in Deutschland abgeraten werden, weil Melatonin hier nicht zugelassen ist. In den USA und anderen Ländern, wo Melatonin als Nahrungsergänzungsmittel rezeptfrei erhältlich und sehr verbreitet ist, hat es sich bei millionenfacher Einnahme und in zahlreichen medizinischen Studien als völlig unproblematisch erwiesen. Melatonin ist ein Hormon, das beim Menschen in der Zirbeldrüse gebildet wird und den Tag-Nacht-Rhythmus steuert. Es wird in Abhängigkeit vom Licht gebildet. Wenn es dunkel ist, erreicht die Melatonin-Sekretion ihren Höhepunkt und fördert den Schlaf. Melatonin ist ein Gegenspieler zum körpereigenen "Stresshormon" Cortisol, das in den frühen Morgenstunden seinen höchsten Spiegel erreicht und das Aufwachen fördert. Erhöhte Cortisolspiegel finden wir auch beim Jetlag. Die Einnahme von Melatonin in einer üblichen Dosis (2 - 6 mg) vor dem Einschlafen kann die Jetlag-Symptome abmildern, die Anpassung am Zielort verkürzen und insbesondere die nächtliche Schlafqualität sowie Wachheit und Leistungsfähigkeit am Tage verbessern. Studien haben gezeigt, dass Melatonin eine Verminderung der Jetlagbeschwerden um rund die Hälfte bewirkt. Wichtig ist, dass Melatonin erst dann eingenommen wird, wenn man müde werden will. Zur falschen Zeit eingenommen, kann dieser ansonsten völlig harmlose, ungiftige Stoff die Anpassungszeit sogar verlängern oder die Beschwerden verstärken. Wer krank ist, sollte Melatonin auf gar keinen Fall ohne ärztlichen Rat nehmen. Bei Zeitzonenverschiebung von weniger als fünf Stunden ist die Melatonin-Einnahme ohnehin nicht sinnvoll. Als seltene Nebenwirkungen sind neben Müdigkeit auch Kopfschmerzen und Übelkeit beschrieben. In jedem Falle sollten auf die Einnahme von Melatonin fünf Stunden Nachtruhe erfolgen, weil auch die Fahrtauglichkeit beeinträchtigt sein kann.
In Deutschland und allen Ländern, wo kein Melatonin erhältlich ist, können wir uns darin üben, die körpereigene Melatoninproduktion zu steigern. Stress, Völlerei, Alkohol und Kaffe unterdrücken die Melatoninbildung. Wichtig ist zu wissen, dass die Melatoninbildung durch die Dunkelheit angeregt wird. Schon geringe Lichtmengen während der Nachtzeit haben erniedrigte Melatoninspiegel und eine schlechte Schlafqualität zur Folge. Es ist daher unerlässlich, das Schlafzimmer, egal ob zuhause oder im Hotel, möglichst vollständig abzudunkeln.
Intelligentes Zeitmanagement mit Licht und Sonnenbrille
Durch gezielte Lichtexposition können wir den Schlaf-Wach-Rhythmus und damit auch den Melatonin-Zyklus in die gewünschte Richtung verschieben. Das setzt allerdings eine genaue Kenntnis der chronobiologischen Gesetzmäßigkeiten voraus. Unsere Körperfunktionen weisen einen Tagesrhythmus auf, der nicht exakt der 24-Stunden-Periode entspricht. Um unseren endogenen Zirkadianrhythmus, dessen Periodendauer länger oder kürzer als 24 Stunden sein kann, in den kosmischen Tagesrhythmus einzupassen, bedarf es äußerer Zeitgeber. Diese Zeitgeber stellen unsere innere Uhr ein und synchronisieren sie mit den makrokosmischen und sozialen Rhythmen. Der wichtigste Zeitgeber für den Tagesrhythmus ist das Sonnenlicht. Wir können das Sonnenlicht benutzen, um unsere innere Uhr nach einer Reise über mehrere Zeitzonen gezielt neu "einzustellen".
Lichtexposition oder -vermeidung beeinflusst zu unterschiedlichen Zeiten unsere innere Rhythmik auf unterschiedliche Weise. Unsere Zirkadianperiode wird entweder verkürzt oder verlängert. Auf Grundlage dieser Zusammenhänge können wir unsere "innere Uhr" gezielt entweder vor- oder zurückstellen. Lichtexposition während der frühen Nachtstunden, vor dem Körpertemperaturminimum gegen 04:00 Uhr (Zeit am Abflugort!) stellt unsere "innere Uhr" zurück, so dass es uns leichter fällt, am nächsten Tag länger wach zu bleiben und später schlafen zu gehen. Lichtexposition während der späten Nacht, nach 04:00 Uhr (Zeit am Abflugort!), stellt unsere innere Uhr vor, so dass wir am nächsten Tag früher müde werden.
Bei Reisen in Richtung Westen wollen wir unsere "innere Uhr" zurückstellen. Wir sollten uns während der ersten vier Tage nach Ankunft in den Stunden vor 04:00 Uhr (Zeit am Abflugort!) möglichst intensiv dem Licht aussetzen. Bei Reisen in Richtung Osten verhält es sich umgekehrt: Wir stellen unsere "innere Uhr" vor, indem wir in den ersten vier Tagen nach Ankunft das Sonnenlicht in den Stunden vor 04:00 Uhr (Zeit am Abflugort!) meiden und es nach 04:00 Uhr (Zeit am Abflugort!) aufsuchen.
Beispiel 1 Reise nach Westen
Bei einer Reise von Deutschland nach New York (sechs Stunden Zeitunterschied) versuchen wir uns in der Zeit 16:00 bis 21:00 Uhr Ortszeit (22:00 bis 03:00 Uhr am Abflugort = Heimatzeit) möglichst intensiv der Nachmittags- bzw. Abendsonne auszusetzen, um unsere "innere Uhr" zurückzustellen. Während der übrigen Zeit tragen wir eine möglichst dunkle Sonnenbrille oder halten uns in geschlossenen Räumen auf.
Beispiel 2 Reise nach Westen
Bei einer Reise von Deutschland nach Kalifornien (neun Stunden Zeitunterschied) stellen wir unsere innere Uhr zurück, indem wir uns in der Zeit 13:00 bis 18:00 Uhr Ortszeit (22:00 bis 03:00 Uhr Heimatzeit) so intensiv wie möglich der Nachmittagssonne aussetzen. Ansonsten meiden wir das Licht, halten uns in geschlossenen Räumen auf bzw. tragen eine dunkle Sonnenbrille.
Beispiel 3 Reise nach Osten
Nach einem Flug von Frankfurt nach Tokio (sieben Stunden Zeitunterschied) suchen wir in der Zeit 12:00 bis 17:00 Uhr Ortszeit (05:00 bis 10:00 Uhr Heimatzeit) das Sonnenlicht, halten uns in den übrigen Zeiten in geschlossenen Räumen auf oder tragen eine dunkle Sonnenbrille. Damit stellen wir unsere "innere Uhr" vor. Insbesondere meiden wir in den Morgen- und Vormittagsstunden (Ortszeit Tokio) das Licht, weil wir durch Lichtexposition zu diesen Zeiten unsere "innere Uhr" in die falsche Richtung einstellen würden.
Dunkle Sonnenbrillen sind somit nicht nur eine coole Kopfbekleidung und ein bewährter Schutz vor Augenschäden. Sie gehören zur chronomedizinischen Grundausstattung für Fernreisende mit Köpfchen.
Anthroposophische Medizin bei Jetlag
Cardiodoron, ein klassisches anthroposophisches Arzneimittel, das aus den Blättern von Eselsdistel, Schlüsselblume und Bilsenkraut hergestellt wird, ist eine Basistherapie bei Störungen der vegetativen Rhythmen. Es unterstützt das rhythmische System in seiner ausgleichenden Funktion und führt Auslenkungen und Entgleisungen in eine Mittellage zurück. Der Effekt lässt sich beispielsweise anhand der Normalisierung von Puls-Atem-Quotient und Kreislauffunktionen, Blutdruckstabilisierung und Verbesserung der Mikrozirkulation von Blut und Lymphe im Gewebe unter Einnahme von Cardiodoron darstellen. In einer speziellen Zubereitung als Cardiodoron mite ist dieses auf Rudolf Steiner zurückgehende Mittel rezeptfrei erhältlich. Zur Vorbeugung und Behandlung von Jetlag empfehle ich die Einnahme von vier mal 20 Tropfen, beginnend eine Woche vor der Abreise.
Gold (Aurum) hat in der anthroposophischen Metalltherapie eine Sonderstellung aufgrund seiner Beziehung zum Herzorgan. Anthroposophische Gold-Präparate sprechen ebenfalls das rhythmische System an. Als Edelmetall zeichnet sich Gold durch eine große Schwere, Geschmeidigkeit und Reinheit aus. Seine Kraft liegt in der Ruhe und Selbstgenügsamkeit. Zugleich öffnet es sich in seinem Glanz nach außen. Aurum ist hilfreich, um eine Mittellage zu finden, wobei es insbesondere den Ausgleich von seelischen und körperlichen Vorgängen im Rhythmus von Herz und Blutdruck unterstützt. In einer speziellen anthroposophischen Zubereitung als Aurum metallicum praeparatum (z.B. Aurum met. praep. D 6 Pulver, 4 x tägl. 1 Messerspitze) oder in einer Mischung mit Cardiodoron als Aurum / Cardiodoron comp. (Einnahme wie Cardiodoron) eignet es sich besonders als Tonikum bei Fernreisen nach Westen, auch weil es der Neigung zu Blutdruckentgleisungen entgegen wirkt.
Melisse, besonders in der destillierten Form als Balsamischer Melissengeist wirkt entkrampfend und beruhigend auf die Verdauungsorgane. Melisse ist außerdem ein hervorragendes Mittel gegen Schwindel, Kollapsneigung und Schwächezustände auf Reisen. Bei Muskelverspannungen und Kopfschmerzen eignet sich Melissengeist auch als Einreibung. Melissengeist sollte auf keiner Fernreise nach Osten im Reisegepäck fehlen, da hier die vegetativen Beschwerden besonders im Vordergrund stehen und der Neigung zur Blutdruckabsenkung auf dem Weg nach Osten mit Melissengeist gut begegnet werden kann.
Enzian, im Gemisch mit anderen bitterstoffhaltigen Pflanzen, z.B. in Form von Amara Tropfen (Weleda) oder Gentiana Magen Globuli (WALA) regt Appetit und Verdauung an und wirkt ausgezeichnet gegen Übelkeit und Verdauungsbeschwerden bei Jetlag und ganz allgemein auf Reisen. Die Einnahme der Mittel (15 Amara-Tropfen bzw. 10 Gentiana Globuli) erfolgt 15 - 20 Minuten vor den Mahlzeiten, was zugleich eine sinnvolle Zeitgeber-Therapie im Sinne der Chronomedizin darstellt und die Umstellung auf den neuen Zeitplan für die Nahrungseinnahme erleichtert. Gentiana Magen Globuli enthalten Nux vomica, was auch als Einzelmittel (Nux vomica D 6 Glob. oder Tropfen) gegen Reiseübelkeit und Katerzustände beim Jetlag eingesetzt wird.
Arnica (Bergwohlverleih) ist in potenzierter Zubereitung ein altbewährtes Mittel gegen jegliche Art von Unfällen und Traumen. Wenn man Jetlag auf chronobiologisches Trauma ansieht, dann nimmt es nicht wunder, dass mit Arnica bei dieser Indikation sehr gute Erfahrungen gemacht wurden. Arnica stärkt Sinnesfunktionen, Wachheit und Aufmerksamkeit und wirkt ausgezeichnet gegen das so häufige Zerschlagenheitsgefühl beim Jetlag. Arnica Tropfen (Weleda, Arnica Planta Tota D6, Einnahme 4 x 15 Tropfen) decken alle Symptome ab, während Arnica/Aurum II (Arnica D 20, Aurum D 30) Globuli von Wala (4 x 10) eine spezielle Zubereitung mit Gold darstellen, die besonders für Westreisende geeignet ist, die ihr Nervensystem stärken und sich fit für die Herausforderung der Zeitzonenverschiebung in Richtung eines längeren Tages machen wollen.
Äußere Anwendungen können die genannten Arzneien ergänzen: Venadoron Lotion (Weleda) mit wertvollen Pflanzenauszügen und Kupfer zur Pflege müder Beine und Vorbeugung von Venenthrombosen während des Fluges, Kupfersalbe Rot (Wala) zur Anwendung bei hartnäckigen Muskelverspannungen, Rosmarin-Aktivierungsbad (Weleda) als "nichtphotischen" Zeitgeber zur Anwendung am Zielort, um das morgendliche Wachwerden zu unterstützen.
Im Atemholen sind zweierlei Gnaden:
Die Luft einziehen, sich ihrer entladen.
Jenes bedrängt, dieses erfrischt;
So wunderbar ist das Leben gemischt.
Du danke Gott, wenn er dich presst,
Und dank ihm, wenn er dich wieder entlässt!
(Johann Wolfgang von Goethe, West-östlicher Divan)
Zahlengeheimnisse in Mikro- und Makrokosmos
Die Ströme von Flüssigem und Gasförmigem, von Blut und Luft im menschlichen Organismus entwickeln in auffälligster Weise Eigenrhythmen, die genau aufeinander abgestimmt sind. Nach außen hin kommt das im Verhältnis von Atemzügen und Pulsschlägen zum Ausdruck. Beim gesunden Menschen stehen im Zustand der Entspannung, insbesondere im Tiefschlaf, Puls und Atem im Verhältnis 4 zu 1 (so genannter Puls-Atemquotient), d.h. während eines Atemzuges (Ein- und Ausatmung) schlägt das Herz vier Mal. Diese Rhythmen werden u.a. von Nervenzellen im Hirnstamm (Atem- und Kreislaufzentren) koordiniert, deren spontane Eigenrhythmen dem Herzschlag (normalerweise 72/Min.) und dem Atemrhythmus (18/Min.) entsprechen. Unter Ruhebedingungen sind auch Atem- und Blutdruckrhythmus sowie Blutdruck- und Minutenrhythmus der Gewebsdurchblutung im Verhältnis 4 : 1 synchronisiert. Dieses Grundverhältnis 4 : 1 drückt sich auch im inneren Bau des Körpers aus. So führen vier große Venen aus der Lunge (Lungenvenen) das mit Sauerstoff angereicherte Blut ins Herz, während es durch nur eine Körperschlagader (die Aorta) aus dem Herzen strömt.
In der chemischen Zusammensetzung der Atemluft mit rund 80 Prozent Stickstoff und rund 20 Prozent Sauerstoff finden wir das Verhältnis von 4 : 1 ebenfalls vor.
Durch die Atmung wird unser Organismus auch in die großen kosmischen Rhythmen eingegliedert. Wenn wir von 18 Atemzügen pro Minute ausgehen, dann ergeben sich 1.080 Atemzüge in der Stunde und 25.920 Atemzüge am Tag. Diese Zahl entspricht dem kosmischen so genannten "platonischen Weltenjahr" von 25.920 Jahren - der Zeit, welche die Sonne benötigt, um einmal durch den gesamten Tierkreis zu wandern. Die Lebensdauer eines Menschen hingegen - rund 72 Jahre oder 25.920 Tage bzw. 25.920 mal 25.920 Ein- und Ausatmungen - entspricht einem platonischen Weltentag.
Diese Reihe von mikro-makrokosmischen Zahlenverhältnissen ließe sich noch weiter fortführen. Was auf den ersten Blick wie ein Trick oder ein "Hexen-Einmaleins" aussieht, ist nur ein kleiner Ausschnitt aus einem durchgehenden Muster, das sich als harmonische Weltordnung darstellen ließe. Die chronologischen Ordnungsstrukturen, die sich einerseits im Atemrhythmus des Menschen und andererseits im Sonnenrhythmus des Weltenjahres wieder finden, haben sich in vielfältigen religiösen und säkularen Zeitordnungen (Kirchenfeste, Jahreszeiten, Kalender, Uhrzeiten), aber auch in der Kunst wie beispielsweise der Musik mit ihren ganzzahligen Abstimmungen der Schwingungszahlen und Rhythmen niedergeschlagen.
2006-08-19 22:06:06
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answer #1
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answered by Pollyvision 6
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