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R. Musil unterscheidet in seinem Roman "Der Mann ohne Eigenschaften" zwischen Menschen mit Wirklichkeitssinn und denen mit Möglichkeitssinn und moniert, daß erstere Gattung stetig überhand nimmt. - Die Gesellschaft, ständig mit Wissen, auch solchem, das die Welt nicht braucht, überhäuft, von der Politik immer wieder belehrt, es gehe nur das Machbare, scheint mehr und mehr das, was als "Realität" verkauft wird, zu akzeptieren, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie es anders möglich wäre. (Oder kommt mir das durch meine mediale Wahrnehmung nur so vor?) Alles wird abgewogen, aufgerechnet, mit Geld beziffert, man fragt zuerst, wozu dient es und wieviel Geld können wir damit machen bzw. einsparen. Nimmt es da wunder, daß die kreativen Fähigkeiten, zu denen notwendig ein Möglichkeitssinn gehört, weiter abnehmen und der Mensch an der Realität abstumpft? - Darf man nicht bereits von einer Verknechtung des Menschen unter der Fuchtel der harten facts sprechen? Eine neue Art Mensch-Maschine?

2006-08-06 01:31:06 · 6 antworten · gefragt von Deus ex Machina 7 in Kunst & Geisteswissenschaft Philosophie

6 antworten

Grundsätzlich ist es wohl so, dass Kreativität und Komplexdenken nicht besonders gefragt ist. Die meisten Menschen haben eine gradlinige Denkweise von a nach b. Vernetztes Denken ist unpopulär, weil es keine schnellen Lösungen bietet und schwer verständlich ist. Risikobereitschaft wird nicht gefördert und der "kleinste gemeinsame Nenner" ist zum Prinzip erhoben. Aber jeder von uns hat in seinem Einflussbereich die Möglichkeit, das zu ändern. Es ist doch völlig egal, was andere vorgeben oder wollen. Entdecke deine möglichkeiten (nicht unbedingt mit IKEA). Es liegt an jedem einzelnen! Ich fühle mich nicht verknechtet! ich habe die Wahl, was ich tue!

2006-08-06 10:05:00 · answer #1 · answered by Michael K. 7 · 1 0

Ich glaube nicht, dass du mit deiner Zeitdiagnose richtig liegst. Zwar ist allenthalben von Sachzwängen die Rede als würden die Sachen den Menschen tatsächlich Befehle erteilen. Aber einige Einwände liegen doch auf der Hand:
- Gerade die Massenmedien vermitteln nicht 'die eine Realität', sondern eben den Pluralismus der Weltsichten (und sei's nur der Unterschied zwischen ARTE und RTL2)
- Ich glaube nicht, daß in vergangenen Zeiten "Kreativität" verbreiteter war oder mehr gegolten hat als heute
- vielmehr wird doch überall Kreativität & Innovationsgeist gefordert, wälzt das Kapital alle alten Verhältnisse beständig um
- und zu Ausgangsfrage: Sind wir nicht alle angehalten, ständig zu überlegen, wie wir uns weiter optimieren, welche Möglichkeiten wir noch ausschöpfen können, was wir zwar bis gestern so getan haben aber anders doch vielleicht effizienter gestalten könnten.
Daher sehe ich keinen Widerspruch zwischen wirtschaftlicher Rationalisierung und Möglichkeitssinn. Ist nicht auch im Buch der Möglichkeitssinn die Grundlage für die Erfindung der Parallelaktion?

2006-08-08 09:41:35 · answer #2 · answered by Bodolino 3 · 0 0

Robert Musil hat Recht und Unrecht gleichzeitig - wie das von einem Kuenstler gar nicht anders zu erwarten ist, denn, wo blieben sonst die Moeglichkeiten? ---
Was zugenommen hat, ist die Bevoelkerungszahl - die Zahl der Menschen mit Wirklichkeitssinn ist damit natuerlich gestiegen, die Anzahl derer mit Moeglichkeitssinn bleibt konstant. Sie wird immer konstant bleiben.

Was sich geaendert hat in den letzten zwei tausend und etlichen Jahren, ist die Nachfrage nach Moeglichkeiten und dies hat R. Musil in seiner Zeit sehr fein beobachtet.
Vergessen wir nicht, dass das damalige Kakafonien sich soeben ueber ganz Europa ausbreitet, seit geraumer Zeit ist Kakafonien die Heimat der monetaeren Welt und dank des Internets ist Kakafonien bereits in fast jede Privatsphaere eingedrungen.
Was sich aendert ist nicht das Wesen des Menschen sondern die Landkarte auf die wir schauen.
Der Mensch aendert sich nicht - er aendert nur seine Umwelt, das Wasser mit saemtlichen Informationen das jenes transportiert.
Wie viel besser waeren wir dran, wenn sich der Mensch selbst aendern koennte - es gaebe immerhin eine kleine Chance...

2006-08-07 23:33:10 · answer #3 · answered by nimrod 7 · 0 0

Gyanda hat schon die richtige Kerbe getroffen. Die Menschen werden doch seit Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten, von ihren Möglichkeiten und intuitiven Fähigkeiten systematisch entfremdet. Lassen wir mal an dieser Stelle die Frage nach cui bono, dann müßten wir nämlich die Urheber dieser Entwicklung benennen. Sondern fragen uns, was zu tun noch möglich ist. Ich fürchte, es gibt nur noch Auswege für den Einzelnen. Unbequeme, ausgegrenzte Wege. Die Masse hat sich der Verknechtung ergeben und nennt es Demokratie.
Es gibt keine schlimmeren Feinde der Freiheit, als glückliche Sklaven.

2006-08-07 02:57:52 · answer #4 · answered by wuwei 6 · 0 0

ich glaub, ich muss den Roman allmählich echt mal lesen... bisher kenn ich nur das Zitat: "Die Schwachen machen die Starken sanft" von dem Autor (aus diesem Buch)...

Ja, ich finde, man darf von dieser Fuchtel der "hard facts" tatsächlich sprechen... die neue Mensch-Maschine wird durch RFID noch viel besser funktionieren... gibt schon Menschen, die sich - aus welchen Gründen auch immer - solche Chips unter die Haut pflanzen lassen und die, die es nicht freiwillig tun, werden manchmal schon dazu "gezwungen" (in den USA ein Projekt, Obdachlose mit solchen Chips zu versehen, angeblich zu IHRER Sicherheit)...

Es ist fast unbegreiflich, dass die andere Seite, die der Möglichkeiten statt der Wirklichkeiten überhaupt nicht gehört wird... z.B. die Information, dass Wasser Informationen trägt und die Kristalle sich verändern je nachdem, womit man das Wasser beschallt - das ist doch ein unmittelbarer Hinweis, dass auch, was wir denken, beiträgt zu unserer Welt, wie wir sie erleben...

Aber es wird irgendwie nicht wirklich kapiert...

Tja, ich glaub, die Welt geht unter, bevor sie das realisiert hat, wie sehr mentale Prozesse auch sie gestalten und wie sehr wir in Wahrheit tatsächlich (!!!) alle mit einander verbunden sind...

Schad...

LG
Gyanda

2006-08-06 09:23:59 · answer #5 · answered by Gyanda 4 · 0 0

Ich kenne Musil zwar nicht aber ich glaube noch immer sehr stark an die Menschheit. Leider beobachte ich auch immer öfter, dass die Menschen immer kühler und ignoranter werden. Ich liebe alle Menschen, die noch Gefühl und noch ein wenig kleines Feuer in sich brennen haben - was zum Glück noch einige haben! Ein kleines Lächeln ab und zu tut wahre Wunder!!

2006-08-06 08:39:27 · answer #6 · answered by Taxi 2 · 0 0

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